wirtschaft und weiterbildung 10/2015 - page 23

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wirtschaft + weiterbildung
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Zertifikat.
Neben dem
Gesellenbrief erhalten trial
Studierende auch den
Meistertitel und einen
Bachelorabschluss.
ken, sondern auch daran, anschließende
Bildungsoptionen ins Kalkül zu ziehen“,
bekräftigt Born.
Triales Studium bietet sich als
neuer Lösungsweg an
Dabei bezieht sich der Bildungsexperte
nicht allein auf Duale Studiengänge, die
laut einer ZDH-Studie immerhin jede
zweite Handwerkskammer gemeinsam
mit einer Hochschule entwickelt hat. In
den Fokus rückt vielmehr ein neues Kon-
zept, das seit fünf Jahren für immer mehr
Aufmerksamkeit sorgt: das Triale Stu-
dium. Born zufolge zeige es als beispiel-
haftes Gesamtpaket aus Erstausbildung,
Meisterqualifizierung und Bachelorstu-
dium, dass „das Handwerk Jugendlichen
mehr anbieten muss und Jugendliche
mehr Wahlfreiheit haben“.
An den Führungskräftenachwuchs rich-
ten sich derzeit zwei solcher Studien­
angebote. Während „Handwerksmanage-
ment“ an der staatlichen Hochschule Nie-
derrhein in Mönchengladbach erstmals
im kommenden Wintersemester an den
Start gehen wird, schrieben sich bereits
vor fünf Jahren die ersten Studenten im
gleichnamigen Studium an der privaten
Fachhochschule des Mittelstands in Köln
ein. Ist das Studium am Niederrhein
zunächst auf die Gewerke Tischler und
Elektroniker beschränkt, stand der Studi-
engang bei der Konkurrenz in Köln seit
jeher allen Handwerksberufen offen.
Ähnlich wie das Duale Studium verbindet
auch das Triale Studium Theorie und Pra-
xis sowie das Lernen an einer Hochschule
und in einem Betrieb. Während jedoch
dual Studierende den Praxisteil in Gestalt
eines Praktikums absolvieren können, ist
eine Ausbildung beim Trialen Studium
Pflicht. Nur so kann man anschließend
auch den Berufsabschluss eines Meisters
erwerben. Die beiden Studienangebote in
Mönchengladbach und Köln sind zwar
namensgleich, unterscheiden sich jedoch
im Ablauf.
Triale Studenten an der Hochschule Nie-
derrhein verbringen zuerst drei Tage im
Betrieb und zwei im Berufskolleg. Sind
sie zunächst nur am Samstagvormittag
in der Hochschule, müssen sie ab dem
dritten Semester auch den Freitagabend
sowie den ganzen Samstag studieren.
Zusätzlich dazu verbringen sie einen Tag
im Berufskolleg und drei Tage im Hand-
werksbetrieb. Nach dem fünften Semes-
ter steht die Gesellenprüfung an. Wäh-
rend des achten und neunten Semesters
besuchen sie die Meisterschule. Den krö-
nenden Abschluss bilden Meisterprüfung
und Bachelorexamen.
An der Fachhochschule in Köln ist der
Stundenplan darauf ausgerichtet, dass die
Studenten wie andere Azubis im Betrieb
mitarbeiten können. Seminare finden
abends und auch an den Wochenenden
statt. Erst im vierten Jahr sind die Studen-
ten ganztägig an der Hochschule.
Hier wie dort müssen Bewerber eine
Hochschulzugangsberechtigung nachwei-
sen. Während die jeweilige Handwerks-
kammer prüft, ob der Interessent für die
Ausbildung und Meisterschule geeignet
ist, absolvieren Bewerber an der Hoch-
schule Niederrhein ein Online-Assess-
ment. „Dabei handelt es sich um eine Ori-
entierungshilfe und nicht um einen Test,
der einen negativen Bescheid nach sich
ziehen könnte“, betont Frederike Königs,
verantwortlich für die Studiengangent-
wicklung im Dekanat des Fachbereichs
Wirtschaftswissenschaften.
Bei der Konkurrenz in Köln ist man stren-
ger. Zusätzlich zu einem schriftlichen Test
führen Bewerber ein persönliches Ge-
spräch mit den Dozenten. Laut Professor
Sascha Lord, der den Studiengang leitet,
wird darin ermittelt, ob die Bewerber der
„relativ hohen psychischen und physi-
schen Belastung“ gewachsen sind. „Wir
möchten ausschließen, dass jemand nicht
weiß, worauf er sich einlässt.“
Headhunter sind schon
aufmerksam geworden
Im Mai beendete der erste Jahrgang das
Triale Studium in Köln. Lord zufolge
hielten alle Teilnehmer, die vor fünf Jah-
ren ihr Studium aufnahmen, bis zuletzt
durch. Der überwiegende Teil übernimmt
Führungsaufgaben im elterlichen Betrieb.
Zwei Absolventen entschieden sich für
ein Masterstudium, während eine weitere
Gruppe lukrative Aufgaben bei namhaf-
ten Automobilherstellern und Markenar-
tiklern dem eigentlich vorgesehenen Ein-
stieg ins Familienunternehmen vorzogen.
Headhunter, so Lord, hätten die Absol-
venten gezielt angesprochen.
Die Verantwortlichen sehen sich in ihrem
Konzept bestätigt. Triale Studenten sind
Lord zufolge wesentlich praxisorientier-
ter als ihre Kommilitonen aus anderen
Studiengängen und zeigten eine höhere
Leistungsbereitschaft. Sie müssten auch
ein deutlich höheres Pensum absolvieren.
„Es handelt sich also um Studenten, wie
man sie sich eigentlich wünscht.“ Born
vom ZDH schließt sich an: Wer das an-
spruchsvolle Studium in vier bis fünf Jah-
ren schaffe, „hat wirklich etwas geleistet“.
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