WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 26/2017 - page 4

BUNDESPOLITIK
Wohnungsknappheit bestimmt Diskussionen beim Wohnungsbau-Tag
Berlin – Wohnungsmangel durchdringt Deutschland: Die neue Wohnungsknappheit ist mittlerweile in 138 Städten und
Kreisen angekommen – in einem Drittel der Kommunen. Hier steht die „Wohnungs-Ampel“ auf Hell- oder sogar schon
auf Dunkelrot. Der Wohnungsmangel reicht damit weit über die Ballungszentren hinaus und hat auch ländliche Regio-
nen längst erreicht. Das geht aus einer Studie hervor, die das Prognos-Institut am 22. Juni 2017 auf dem 9. Wohnungs-
bau-Tag in Berlin vorgestellt hat.
Sie analysiert den Wohnraum-Bedarf in
Deutschland und in den regionalen Woh-
nungsmärkten. Die Folge der Wohnungs-
knappheit: Miete und Einkommen haben
sich entkoppelt. Selbst für Haushalte
mit mittleren Einkommen wird es immer
schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu
finden, so das Prognos-Institut. Viele könn-
ten sich einen Umzug nicht mehr erlauben:
Die Bezahlbarkeit von Wohnraum ist für
mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine
finanzielle Herausforderung, so das Institut.
Für die Top-Sieben-Städte der äußerst
angespannten Wohnungsmärkte – dazu
gehören Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am
Main, Hamburg, Köln, München und Stutt-
gart – weisen die Wissenschaftler auf der
Grundlage der Mietpreise konkret nach,
dass sich selbst Haushalte mit mittleren Ein-
kommen nur noch eine Wohnung deut-
lich unter 70 Quadratmetern Wohnfläche
leisten können. In München, Berlin und
Hamburg liegen demnach nicht einmal
60 Quadratmeter drin. Und das bei einem
Einkommensanteil von 35 Prozent für die
Warmmiete.
Der Studien-Blick auf das gesamte Bundes-
gebiet macht allerdings deutlich, dass das
bezahlbare Wohnen kein Problem ist, das
sich auf die Metropolen beschränkt, son-
dern längst in der Mitte der Gesellschaft
angekommen ist. Die Wissenschaftler
errechneten, dass bundesweit das mittlere
Haushaltsnettoeinkommen von 2.168 Euro
pro Monat mittlerweile nur noch ausreicht,
um eine durchschnittliche Wohnung von
77 Quadratmetern zu mieten. Grundlage
ist hierbei eine Miet-Obergrenze von 759
Euro pro Monat.
Immer weniger Wohnfläche pro Euro
Die Studie macht deutlich: Die Menschen
in Deutschland können sich mit dem Geld,
das sie monatlich zur Verfügung haben,
immer weniger Wohnfläche leisten. Dies
berge auch sozialpolitisch Konfliktpoten-
zial, so das Prognos-Institut. Der entschei-
dende Grund für den Wohnungsmangel
sei, dass seit Jahren zu wenig und meist
auch zu teuer gebaut werde. Allein in den
vergangenen acht Jahren sei eine „Woh-
nungsbaulücke“ von einer Million Wohn-
einheiten entstanden.
Die Prognos-Studie wurde vom Verbän-
debündnis Wohnungsbau beauftragt. In
dem Bündnis haben sich sieben Organisa-
tionen und Verbände der Bau- und Immo-
bilienbranche zusammengeschlossen. Ihr
gemeinsames Ziel: das gute und bezahl-
bare Wohnen in Deutschland. Um das zu
erreichen, forderte das Bündnis auf dem
von ihm veranstalteten Wohnungsbau-
Tag den Neubau von 80.000 zusätzlichen
Sozialmietwohnungen – pro Jahr. Hier
müsse der Bund seine Zahlungen für die
Wohnraumförderung – auch nach 2019
– fortsetzen. Und das bei einer Etat-Ver-
doppelung durch die Länder. Darüber hin-
aus sei es dringend erforderlich, bessere
steuerliche Anreize für mehr bezahlba-
ren Wohnungsbau zu schaffen: Eine von
zwei auf drei Prozent erhöhte Absetzung
für Abnutzung (AfA) sei schon deshalb
notwendig, um der – durch immer mehr
Anlagentechnik – verkürzten Nutzungs-
dauer von Wohngebäuden gerecht zu
werden. Zudem soll es für Regionen mit
angespannten Wohnungsmärkten wahl-
weise eine befristete Sonderabschreibung
oder Investitionszulagen für den Neubau
bezahlbarer Mietwohnungen geben.
An die Adresse von Bund, Ländern und
Kommunen appellierte das Verbände-
bündnis Wohnungsbau, Bauland verbil-
ligt bereitzustellen und nicht länger – wie
häufig praktiziert – im Höchstpreisverfah-
ren anzubieten. Eine weitere Botschaft des
Wohnungsbau-Tages richtete sich an Poli-
tik und Verwaltung: Der Staat dürfe nicht
durch immer neue Gesetze und Normen
die Baukosten in die Höhe treiben. Er solle
stattdessen den Kosten-Nutzen-Aspekt
stärker im Blick haben. Darüber hinaus sei
eine deutliche Erhöhung der KfW-Förde-
rung für die altersgerechte und energeti-
sche Gebäudesanierung notwendig.
In diesem Zusammenhang fordert das Ver-
bändebündnis Wohnungsbau die Bundes-
regierung auch auf, den Gebäudebereich
nicht ungleich stärker als andere Segmente
– wie beispielsweise den Verkehr oder die
Landwirtschaft – zu belasten, wenn es
darum geht, gesteckte Klimaschutzziele
zu erreichen.
(bid/kön/schi)
Die Prognos-Studie „Wohnraum-Bedarf
in Deutschland und den regionalen
Wohnungsmärkten“ sowie weitere Infos zur
Veranstaltung finden Sie unter
Die „Wahlkampf-Arena“: Caren Lay (Linke), Ralf Stegner (SPD), Chris Kühn (Grüne), Peter Altmaier
(CDU), Joachim Herrmann (CSU), Katja Suding (FDP) und Moderatorin Anke Plättner (v. l.)
Tobias Koch vom Prognos-Institut stellte die
neue Studie vor.
Fotos: Verbändebündnis Wohnungsbau
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