WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 48/2015 - page 2

BUNDESPOLITIK
Deutschland kommen. „Hauptursache des
immer akuteren Wohnungsmangels in vie-
len Großstädten ist, dass in den vergange-
nen Jahren viel zu wenig gebaut wurde“,
erklärte GdW-Chef Gedaschko.
Die anhaltende Flüchtlingszuwanderung
erhöht aber den Handlungsdruck insbeson-
dere in den Wachstumsregionen enorm.
Konkret müssten in Deutschland bis 2020
jährlich insgesamt rund 400.000 Wohnun-
gen und damit rund 140.000 Mietwoh-
nungen mehr als in diesem Jahr gebaut
werden – davon 80.000 Sozialwohnun-
gen und 60.000 Einheiten im bezahlbaren
Wohnungssegment. Für die Wohnungs-
wirtschaft sei klar: „Wir bauen für alle: für
Studenten, für ältere Menschen, für Allein-
erziehende und Familien und für alle Men-
schen, die zu uns kommen und ein Bleibe-
recht haben“, so der GdW-Chef.
Die Politik muss die bestehenden Hür-
den für mehr bezahlbaren Wohnungs-
bau sofort aus dem Weg räumen. Die von
der Bauministerkonferenz angekündigte
Neukonzeption von Energieeinsparverord-
nung und Erneuerbare-Energien-Wärme-
gesetz muss bis zügig bis zu Sommerpause
2016 umgesetzt werden. Angesichts des
hohen Nachfragedrucks müssen aber
Sofort-Maßnahmen her: Bauleitplanun-
gen müssen ebenso wie die Baugeneh-
migungsverfahren deutlich beschleunigt,
die Baunutzungsverordnung überarbeitet
werden, um Hemmnisse für die Nachver-
dichtung und Aufstockung von Wohn-
gebäuden zu beseitigen. Zudem können
sogenannte „Typengenehmigungen“ die
Prozessdauer verkürzen. Auch personell
muss aufgestockt werden: „Die Kommu-
nen in den starken Wachstumsregionen
brauchen mehr Personal in den Bauämtern
sowie einen mit umfassenden Kompeten-
zen ausgestatteten Wohnungsbaukoordi-
nator, den die Länder anteilig mitfinanzie-
ren“, so Gedaschko.
(schi)
Fortsetzung von Seite 1
Kleine Kosten, große Wirkung:
Mieterstrom ist ein zentraler Baustein für den Erfolg der Energiewende
Berlin – Mieterstrom steht im Zuge der Reform des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vor dem Aus (KWKG; siehe wi 47,
Titelstory). Denn trotz der grundlegenden Bedeutung der KWK für die Energiewende hat sich das Bundeswirtschaftsmi­
nisterium dafür ausgesprochen, dass der sogenannte Mieterstrom im Rahmen des KWKG nicht mehr gefördert werden
soll. Das ist aus Sicht der Wohnungswirtschaft vollkommen unverständlich, soll doch die Energiewende von einer brei­
ten gesellschaftlichen Basis getragen werden. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft
GdW, erläutert im wi-Interview, warum Mieterstrom für den Erfolg der Energiewende so enorm wichtig ist.
Foto: GdW, Urban Ruths
Axel Gedaschko
Präsident
GdW Bundesverband
deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen
NACHGEFRAGT
wi: Wie viel kostet es, Mieterstrom
zu fördern?
Gedaschko:
Mieterstrommodelle ver-
ursachen so gut wie keine Kosten. Der
Grund: Im Vergleich zur Industrie und
anderen Wirtschaftsbereichen sind die
Stromverbräuche der deutschen Haus-
halte gering. Zudem konzentrieren sich
Mieterstromprojekte auf eine klar defi-
nierte, sehr gut absteckbare Zielgruppe
– Mieter in größeren Wohnanlagen.
Dadurch bezieht sich der potenzielle
Wirkungsbereich des Mieterstroms ins-
gesamt nur auf ein Prozent des gesam-
ten Stromverbrauchs in Deutschland.
Auch deshalb werden die Zusatzkosten,
die sich durch eine Förderung ergeben,
sehr gering ausfallen. Die vorzusehenden
Zuschlagsmengen würden im Rahmen
des KWKG insgesamt unter 100 Millio-
nen Euro liegen und sich mit nur rund
0,03 Cent pro Kilowattstunde auf die
KWK-Umlage auswirken. Zudem besteht
die Möglichkeit, eine entsprechende
Kostendeckelung einzubauen.
Gibt es Unterschiede zwischen Mieter­
strom und Eigenstrom?
Gedaschko:
Mieterstrom ist kein Eigen-
strom. In der vom Bundeskabinett kürz-
lich beschlossenen Gegenäußerung unter-
scheidet die Bundesregierung lediglich
zwischen Strom, der in ein Netz der allge-
meinen Versorgung eingespeist wird, und
Eigenstrom. Mieterstrom ist aber ein drit-
ter, grundsätzlicher Versorgungsfall. Er wird
durch ein Wohnungsunternehmen oder
einen Unternehmenspartner im Zuge der
Wärmeversorgung erzeugt, aber nicht in
ein öffentliches Netz, sondern im eigenen
– geschlossenen – Quartiersnetz direkt an
die Mieter geliefert. Da hierbei aber zwei
Vertragsparteien involviert sind, handelt
es sich beim Mieterstrom nicht um Eigen-
strom. Denn der produzierte Strom wird
nicht vom „Erzeuger“ verbraucht. Dadurch
ist die EEG-Umlage in vollem Umfang zu
bezahlen und im Vergleich zum Eigenstrom
deutlich teurer. Ein großer Unterschied zur
Volleinspeisung besteht allerdings: Das
Netz der allgemeinen Versorgung wird
durch Mieterstrom nicht belastet.
Welche Vorteile hat Mieterstrom für
die Mieter?
Gedaschko:
Kurzum: Bei energetischen
Sanierungen zahlen Mieter drauf, beim
Mieterstrom werden sie entlastet. In einem
Quartier mit 250 Wohnungen könnten
durch Wärmeversorgung aus KWK –
statt wie bisher zum Beispiel aus Gas-
oder Ölkesseln – im Wärmebereich circa
95 Tonnen CO
2
pro Jahr eingespart wer-
den. Um dieselbe Menge CO
2
gegenüber
einem heute üblichen energetischen
Standard (100 bis 150 Kilowattstun-
den pro Quadratmeter und Jahr) durch
zusätzliche energetische Modernisie-
rung bauseits einzusparen, müsste der
Energieverbrauch noch einmal um 22
Prozent vermindert werden, was bau-
lichen Mehrkosten von etwa einer Mil-
lion Euro für das Quartier entsprechen
würde. Auch für die Mieter wären die
Mehrkosten dadurch deutlich höher:
Verrechnet man die zusätzliche Energie-
einsparung infolge der Sanierung mit der
fälligen Mieterhöhung, dann würde die
Kostenerhöhung pro Mieter immer noch
bei rund 40 Cent pro Quadratmeter und
Monat liegen – und das summiert sich
auf rund 280 Euro im Jahr. Setzt man
dagegen KWK ein, um eine CO
2
-Minde-
rung von insgesamt 95 Tonnen im Quar-
tier zu erreichen, dann wird jeder Haus-
halt, der die Vorteile von Mieterstrom
nutzen kann, pro Cent Kostenvorteil um
10 Euro pro Jahr entlastet.
Welche Probleme verursacht die aktu­
elle KWKG-Novelle für Mieterstrom?
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