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SPEZIAL RECRUITING
_RECRUITING-BENCHMARKS
spezial Recruiting 06/16
Zudem dürfte die präzise Kenntnis
über die im Prozess tatsächlich erreich-
ten Zeitspannen gering sein. Darauf weist
die Tatsache hin, dass 69 Prozent der be-
fragten Unternehmen kein Bewerberfeed-
back zum Prozess einholen. Das lässt die
Schlussfolgerung zu, dass ein Großteil der
Unternehmen die Kandidatenperspektive
als entscheidenden Faktor für die Quali-
tät des Bewerbungsprozesses noch nicht
so richtig erkannt hat. Das zeigt sich auch
darin, dass 59 Prozent der Unternehmen
keine Verkürzung der Zeitspannen im
Bewerbungsprozess planen. Sie scheinen
die Ansicht zu haben, die Prozesse grund-
sätzlich „im Griff“ zu haben. In vielen Un-
ternehmen ist diese Ansicht jedoch kein
Resultat von regelmäßigen Einblicken in
die Kandidatenseite.
Messen und steuern
Gute Bewerbungsverfahren gelten Kan-
didaten als Belege für die Qualität eines
Arbeitgebers. Die Versprechen aus dem
Employer Branding auf der Karriereweb-
site müssen den Elchtest zum ersten Mal
im Bewerbungsverfahren bestehen. Allzu
häufig machen Kandidaten derzeit noch
die Erfahrung, dass die Versprechen von
„Wertschätzung“ und „Mitarbeiterorien-
tierung“ zumindest für die Mitarbeiter
von morgen nur eingeschränkt gelten.
Bewerbungen, die nie beantwortet,
Kandidaten die einfach vergessen wer-
den und langatmige Prozesse sollten der
Vergangenheit angehören, sie tun es aber
nicht. Noch lange wirkt die Selektionslo-
gik nach, aus der Bewerbungsprozesse
im Allgemeinen und die ersten Online-
Bewerbermanagementsysteme Ende der
90er-Jahre im Besonderen entstanden
sind. Für Unternehmen wird es Zeit, sich
von dieser Logik zu verabschieden und
sie durch eine Logik des Gewinnens und
Überzeugens zu ersetzen. Das betrifft
die Prozesse ebenso wie die Software
und die Kultur, das heißt das Verhalten
von Recruitern und Führungskräften im
Prozess. Unternehmen, die hier ganz-
heitlich ansetzen, haben im Wettbewerb
um die Talente die Nase vorn.
DOMINIK FABER
ist Gründer
und Geschäftsführer von
Softgarden.
Dazu müssen sie regelmäßig die Qua-
lität ihrer Bewerbungsverfahren mes-
sen, bewerten, optimieren und steuern.
Das aber ist bislang nur in einer Minder-
heit von 31 Prozent der Unternehmen
der Fall, die sich zudem meist darauf be-
schränken, diejenigen Kandidaten zu be-
fragen, die eine Zusage erhalten haben.
Damit bekommen sie diejenigen Bewer-
ber nicht in den Blick, die den Prozess
abgebrochen haben oder die eine Absage
vom Unternehmen erhielten.
Hier braucht es Verfahren, die aus dem
Bewerbungsprozess heraus und als Teil
der Prozessroutine Rückmeldung einfor-
dern. Und die dieseRückmeldung als Pro-
zess der kontinuierlichen Verbesserung
nutzen, um aus Bewerbungsprozessen
überzeugende Bewerbungserlebnisse zu
machen. Die in unserer Umfrage erhobe-
nen Daten und Richtwerte können eine
wichtige Grundlage zur Reflexion und
Überprüfung sein, um diesen Prozess
im Unternehmen anzustoßen.
Kriterium
Note 1 Note 2 Note 3 Note 4 Note 5 gewichteter
Mittelwert
Transparenz (Vorliegen von Infor-
mationen über den Prozess und
Auswahlkriterien)
18%
42%
27%
7%
6%
2,4
Service (Orientierung an meinen
Bedürfnissen als Bewerber)
15%
46%
29%
7%
3%
2,4
Wertschätzung für mich als
Bewerber
25%
41%
21%
8%
5%
2,3
Kontaktmöglichkeiten zum
Unternehmen
31%
44%
16%
5%
3%
2,0
Gesamtqualität des Prozesses
17%
47%
26%
7%
3%
2,3
BEWERBUNGSVERFAHREN BENOTET
QUELLE: SOFTGARDEN, PERSONALMAGAZIN, 2016
Bei den Bewerbungsverfahren gibt es noch Luft nach oben. Zehn Prozent der Kandida-
ten bewerten die Gesamtqualität des Prozesses als „ausreichend“ oder „mangelhaft“.
Abgefragtes Kriterium
Antworten
Angemessene Dauer für Dateneingabe in
Online-Formular
•
22% bis zu 10 Minuten
•
43% 10 bis 20 Minuten
Vorliegen einer ersten formalen Rückmel-
dung (Eingangsbestätigung) beim Bewerber
•
46% sofort
•
45% innerhalb einer Woche
Vorliegen einer verbindlichen Rückmeldung
beim Bewerber (Absage oder Einladung zum
nächsten Auswahlschritt)
•
16% innerhalb einer Woche nach Eingang
•
48% ein bis zwei Wochen nach Eingang
DAUER VON BEWERBUNGSSCHRITTEN
QUELLE: SOFTGARDEN, PERSONALMAGAZIN, 2016
Bewerber sind als Kunden von Online-Portalen schnelle Verfahren gewohnt. Diese Schnel-
ligkeit wünschen sie sich auch bei der schriftlichen Bewerbung in einem Unternehmen.