personalmagazin 1/2016 - page 74

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RECHT
_FREMDPERSONALEINSATZ
personalmagazin 01/16
litionsfreiheit vereinbar ist. Der Gesetzge-
bersollteinsoweitdringendnachjustieren.
personalmagazin:
Geplant ist laut Entwurf
auch eine Neuregelung zum „Grundsatz
der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern
mit Arbeitnehmern des Einsatzbetriebes“.
Geht diese wenigstens in Ordnung?
Bauer:
Auch hier habe ich erhebliche
Zweifel. Vorgesehen ist, dass der Ver-
leiher verpflichtet wird, dem Leiharbeit-
nehmer für die Zeit der Überlassung an
den Entleiher „die im Betrieb des Entlei-
hers für einen vergleichbaren Arbeitneh-
mer des Entleihers geltenden wesentli-
chen Arbeitsbedingungen einschließlich
des Arbeitsentgelts zu gewähren“. Das
wird landläufig als Equal-Pay-Regelung
bezeichnet. Hierzu gibt es eine Tariföff-
nungsklausel, die im Unterschied zur
Höchstüberlassungsdauer auch nicht ta-
rifgebundenen Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern die Anwendung der tariflichen
Regelung ermöglicht. So weit, so gut.
Nicht gut ist dagegen, dass eine abwei-
chende tarifliche Regelung nur für die
ersten neun Monate einer Überlassung
an einen Entleiher zugelassen wird. Das
ist ein Eingriff in die verfassungsrecht-
lich verbürgte Tarifautonomie. Bleibt es
bei der vorgesehenen Regelung, wird sie
die bisher üblichen Branchenzuschlags­
tarifverträge entwerten. Auch diese
Regelung sollte im Laufe des Gesetzge-
bungsverfahrens überdacht werden.
personalmagazin:
Der DGB kritisiert, dass
sich die Begrenzung der Höchstarbeits-
dauer konkret auf Arbeitnehmer bezieht,
nicht auf den besetzten Platz als solchen,
„Auf den Leim gegangen“
INTERVIEW.
Der Referentenentwurf zur Reform von Leiharbeit und Werkverträgen
wird viel getadelt. Auch aus rechtlicher Sicht gibt es Kritikpunkte – wir fragten nach.
personalmagazin:
Von Seiten der Wirtschaft
wurde im Vorfeld Zurückhaltung bei der
Neuregelung angemahnt. Zu Recht?
Jobst-Hubertus Bauer:
In der Tat sehe auch
ich keinen Bedarf für Neuregelungen.
Arbeitsministerin Andrea Nahles will
mit dem vorgelegten Entwurf den ohne-
hin stark regulierten Arbeitsmarkt mit
weiteren überflüssigen Vorschriften zur
Leiharbeit und zu Dienst- und Werk-
verträgen belasten, die nur zusätzliche
Rechtsunsicherheit verursachen würden.
Die vorgestellten Regelungen gehen teil-
weise sogar noch über die Vorgaben des
Koalitionsvertrages hinaus. Wünschens-
wert wäre, dass die Koalition die damals
gesetzten Schwerpunkte vor dem Hin-
tergrund der Flüchtlingskrise und der
insgesamt fragilen weltpolitischen Lage
überdenkt.
personalmagazin:
Das heißt, es gäbe Wichti-
geres, als den Missbrauch von Leiharbeit
zu regulieren?
Bauer:
Der Missbrauch von Leiharbeit
ist kein Massenphänomen, Leiharbeit
ist eine etablierte Form des flexiblen
Personaleinsatzes, deren Anteil an der
Erwerbstätigkeit nur zwei Prozent aus-
macht. Leiharbeit bietet Unternehmen
Möglichkeiten zur Abdeckung von Auf-
tragsspitzen sowie kurzfristigen Perso-
nalbedarf. Nicht übersehen werden darf,
dass Leiharbeit auch Arbeitslosen in
hohem Maße zugutekommt. Zwei Drit-
tel aller in der Zeitarbeit beschäftigten
Arbeitnehmer waren zuvor beschäfti-
gungslos, 20 Prozent waren sogar länger
als ein Jahr arbeitslos oder noch nie be-
schäftigt. Leiharbeit hat damit Brücken-
funktion für den Einstieg in „normale“
Arbeit. Jede weitere Bürokratisierung
und Erschwerung der Leiharbeit wird
sich deshalb negativ auf den Arbeits-
markt auswirken.
personalmagazin:
Der Entwurf schlägt eine
Höchstdauer der Leiharbeit von 18 Mona-
ten vor. Lässt er auch Auswege?
Bauer:
Der Entwurf lässt abweichende ta-
rifvertragliche Regelungen zu, doch es
sollen sich nur tarifgebundene Arbeit-
geber auf diese Öffnungsklausel berufen
können. Das widerspricht allen bisher be-
kanntenÖffnungsklauseln. Ichhabe Zwei-
fel, dass eine solche Regelung mit der ver-
fassungsrechtlich nach Artikel 9 Absatz 3
Grundgesetz garantierten negativen Koa-
PROF. DR. JOBST-HUBERTUS BAUER
ist
Honorarprofessor der Universität Tübingen
und Rechtsanwalt bei Gleiss Lutz, Stuttgart.
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