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RECHT
_FREMDPERSONALEINSATZ
personalmagazin 01/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
D
ie vergangenen Monate ha-
ben Arbeitsministerin Andrea
Nahles und ihre Mitarbeiter
lange am richtigen Hand-
werkszeug gefeilt. Jetzt hat sich die Mi-
nisterin auf den Weg gemacht, mit dem
Referentenentwurf „zur Änderung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und
anderer Gesetze“ als Gerätschaft in der
Hand. Ihr Ziel: das angebliche Dickicht
aus Missbrauch bei Arbeitnehmerü-
berlassung und Werkverträgen lichten.
Dass es im Herbst losgehen würde, war
angekündigt. Gespannt durfte man le-
diglich sein, womit. Wie würde der Re-
ferentenentwurf zur Regulierung des
Fremdpersonaleinsatzes genau ausse-
hen? Wie scharf würden die Klingen sein
und wie viel Luft Vorhandenem bleiben?
Tatsächlich ist das Reformvorhaben
mit spitzen Ecken und Kanten für Ar-
beitgeber gespickt. Damit sind nicht
„Equal Pay“ nach neun Monaten oder die
18 Monate Höchstüberlassung bei der
Leiharbeit gemeint. Diese Zacken waren
mit Blick auf den Koalitionsvertrag zum
erwarten, ohne dass sie dem Praktiker
jedoch beispielsweise bei der Definition
von „Equal Pay“ präzise Hilfen an die
Hand geben. Schneidiger sind die an-
gekündigten Rechtsfolgen beim Über-
schreiten der Höchstüberlassungsdauer.
Von
Michael Miller
(Red.)
Dann wird nämlich ein Arbeitsverhält-
nis des (ehemaligen) Leiharbeiters mit
dem (ehemaligen) Entleiher fingiert.
Auch eine Ketten- oder Zwischen
überlassung – also die mehrfache Über-
lassung von Arbeitnehmern – ist nach
dem Entwurf ausgeschlossen. Das dürfte
Dienstleister gerade bei Großprojekten
mit einer Vielzahl an Leiharbeitern
(auch von Dritten) vor Probleme stellen.
Entwurf untersagt Vorratserlaubnis
Zudem verhindert der Entwurf die so-
genannte Vorratserlaubnis, wenn also
ein Fremdpersonaleinsatz beispielswei-
se als Werkvertrag vereinbart ist. Stellt
sich dieser Einsatz im Nachgang tat-
sächlich als Arbeitnehmerüberlassung
dar, so wird der vermeintliche Werkun-
ternehmer in diesem Fall zum Verleiher
einer sogenannten verdeckten Arbeit-
nehmerüberlassung. Ohne eine (Vor-
rats-)Erlaubnis zur Leiharbeit drohen
bislang bereits ein Arbeitsverhältnis
zwischen Arbeitnehmer und (vermeint-
lichem) Entleiher sowie Nachzahlungen
an Sozialversicherung und Lohnsteuer.
Um diese Folgen zu vermeiden, bedie-
nen sich einige Dienstleister heute einer
„Sicherheitserlaubnis“, damit sie im
Notfall eine reguläre Arbeitnehmerüber-
lassung vorweisen können. Dieses Vor-
gehen untersagt der Nahles Vorschlag,
was das Risiko für Unternehmen stei-
gern dürfte, sich beim Fremdpersona-
leinsatz eine Schnittwunde zuzuziehen.
Apropos Werkvertrag: Gerade in
diesem Bereich zeigt sich der Referen-
tenentwurf mit festen Kriterien zur
Abgrenzung von Werk- zu Arbeitsver-
trägen scharfkantig. „Diese Maßstäbe
sind praxisfern und entsprechen nicht
der modernen Spezialisierung von Un-
ternehmen“, kritisiert Professor Jobst-
Hubertus Bauer (siehe Interview im
Anschluss). „Eine große Zahl von Dienst-
und Werkverträgen, die heute unstreitig
und rechtlich zulässig von selbststän-
digen Unternehmen durchgeführt wer-
den, würden dadurch problematisiert“,
warnt der renommierte Arbeitsrechtler.
Bauer baut auf die Bundeskanzlerin.
Tatsächlich befürchtet wohl auch Ange-
la Merkel, dass ihre Arbeitsministerin
zu viel ausmisten will. „Es scheint un-
strittig zu sein, dass das, was jetzt als
erster Gesetzentwurf vorgelegt wurde,
über den Koalitionsvertrag hinausgeht“,
sagte die Kanzlerin am Arbeitgebertag.
Und sie kündigte daher an, dass sie in
Sachen Leiharbeit und Werkverträge
darüber wachen werde, dass die Rege-
lungen innerhalb dessen bleibt, was im
Koalitionsvertrag vereinbart ist.
Entwurf wird überarbeitet werden
Der erste Entwurf dürfte daher nicht
von Dauer sein. Klar ist aber: Wie viel
auch immer die Arbeitsministerin oder
später die Ausschüsse im Parlament
daran feilen, er bleibt die Grundlage für
weitere Versuche. Und: Die Kanzlerin
machte auch deutlich, dass sie bei der
Leiharbeit die beschriebenen Regelun-
gen für wichtig und unstrittig halte.
Grundsätzliche Abkehr klingt anders.
Die Reform soll ab 2017 kommen. Das
mag weit entfernt klingen. Um jedoch
kurzfristige Überraschungen zu vermei-
den, sollte auch an den Übergangsfristen
gefeilt werden. Denn bis Nahles noch
Kanten geglättet und bis das Parlament
(hoffentlich) noch Regelungen entschärft
und diese beschlossen hat, dürften noch
einige Monate ins Land gehen.
Gesetzentwurf mit
Ecken und Kanten
GESETZ.
Ein erster Entwurf zur Reform von Leiharbeit
und Werkvertrag liegt nun vor. Dieser dürfte sich noch
ändern, wenn auch vermutlich nicht grundsätzlich.