personalmagazin 01/16
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RECHT
_URTEILSDIENST
Azubis: Praktikum vorab nicht auf Probezeit anzurechnen
Ein dem Lehrvertrag vorausgegangenes
Praktikum darf nicht auf die Probezeit
im Ausbildungsverhältnis angerechnet
werden. Eine Tätigkeit vor Beginn der
Ausbildung sei für die Berechnung der
Inhalt und die Zielsetzung des vorange-
gangenen Praktikums an. Daher würde
auch bei einem Arbeitsverhältnis im
Vorfeld der Ausbildung dasselbe gelten,
urteilten die Richter.
Probezeit nicht zu berücksichtigen, hat
das BAG in einem aktuellen Fall ent-
schieden und sich dabei auf den Wort-
laut des Berufsbildungsgesetzes (BBiG)
bezogen. Es komme auch nicht auf den
URTEIL DES MONATS
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies damit die Klage eines jungen
Manns aus Nordrhein-Westfalen zurück. Dieser hatte vor Beginn
seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im August 2013 zur
Überbrückung einen Praktikantenvertrag mit dem Betrieb geschlos-
sen. Noch innerhalb der dreimonatigen Probezeit seines Ausbil-
dungsverhältnisses, Ende Oktober 2013, hatte ihm der Arbeitgeber
gekündigt. Der Auszubildende hielt die Kündigung für unwirksam
und klagte. Seiner Ansicht nach sei die Kündigung erst nach Ablauf
der Probezeit erklärt worden. Das dem Berufsausbildungsverhältnis
vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen.
Schließlich habe sich sein Arbeitgeber bereits während des Prakti-
kums ein vollständiges Bild über ihn machen können.
Die Vorinstanzen hatten jedoch – ebenso wie das BAG – die Klage
abgewiesen. Die obersten Arbeitsrichter bezogen sich auf § 20
Satz 1 BBiG: Die Norm ordne zwingend an, dass das Berufsausbil-
dungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. Beide Vertragspartner
sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung
wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Dies sei nur unter
den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen
spezifischen Pflichten möglich, begründeten die Richter ihr Urteil.
Die Dauer des vorausgegangenen Praktikums ist deshalb nicht auf
SCHWERBEHINDERUNG, TEIL I
ZUSAMMENFASSUNG
Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben bei
einer Abfindung im Rahmen eines Sozialplans Anspruch auf die glei-
chen Zahlungen wie nichtbehinderte Kollegen. Dies gilt auch, wenn
sie nach einem Arbeitsplatzverlust rentenberechtigt sind.
RELEVANZ
Es ging um einen Sozialplan, der älteren Schwerbehin-
derten eine bis zu 30.000 Euro niedrigere Abfindung zugesprochen
hatte als älteren, nichtbehinderten Arbeitnehmern. In der Regelung
über einen pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die
wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt sind, liege eine
an die Behinderung knüpfende Benachteiligung, urteilte das BAG.
Denn mit der Berechnungsformel für nicht schwerbehinderte Arbeit-
nehmer würde Schwerbehinderten die höhere Abfindung zustehen.
SCHWERBEHINDERUNG, TEIL II
ZUSAMMENFASSUNG
Trotz verbindlichem Eignungstest sind öffent-
liche Arbeitgeber verpflichtet, einen schwerbehinderten Bewerber
zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Ohne persönliches Gespräch
wird eine Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung nach
dem Gesetz vermutet. Daraus kann eine Entschädigung folgen.
RELEVANZ
Das Urteil unterstreicht die Relevanz des § 82 Satz 2 SGB
IX. Danach muss ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehin-
derten Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einladen, soweit
dieser nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Davon entbin-
det den Arbeitgeber auch kein Auswahltest. Denn im Fall war ein
bestandener Test keine Stellenanforderung, sondern bereits Teil des
Auswahlverfahrens. Dort ist jedoch § 82 Satz 2 SGB IX zu beachten.
die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis an-
zurechnen. Auch auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums
komme es nicht an. Der Arbeitgeber konnte daher das Ausbildungs-
verhältnis während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ohne
Einhalten einer Kündigungsfrist kündigen.
Ein Praktikum vor der Ausbildung ändert nichts an der Probezeit.
Quelle
BAG, Urteil vom 19.11.2015, Az. 6 AZR 844/14
Quelle
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9.9.2015, Az. 3 Sa 36/15
Quelle
BAG, Urteil vom 17.11.2015, Az. 1 AZR 938/13