personalmagazin 5/2016 - page 80

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RECHT
_BEFRISTUNG
personalmagazin 05/16
D
ass Fußballprofis Arbeitneh-
mer sind, dürfte seit der Bos-
man-Entscheidung (EuGH,
Urteil vom 15.12.1995, Az.
C-415/93) jedem bekannt sein. Dieses
Urteil hat den Fußball revolutioniert.
Mehr als 20 Jahre später könnte nun eine
weitere kleine Revolution anstehen: Der
Fall „Heinz Müller“ wirft die Frage auf,
ob die im Profisport allgemein übliche
Befristung der Arbeitsverträge zulässig
ist. Das letzte Wort ist nicht gesprochen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache ist die Revision zum
BAG zugelassen (Az. 4 Sa 202/15).
Der Sachverhalt ist schnell erzählt:
Der Kläger Heinz Müller war seit 1. Juli
2009 aufgrund befristeter Arbeitsverträ-
ge als Torhüter beim FSV Mainz 05 tätig.
Von den ersten elf Saisonspielen bestritt
er zehn. Nach dem 11. Bundesligaspiel-
tag hatte er keine weiteren Einsätze,
nach dem 17. Spieltag wurde er dem
Trainings- und Spielbetrieb der zweiten
Mannschaft (Regionalliga) zugewiesen.
LAG: Befristung ist begründet
Müller begehrt mit der Klage die Fest-
stellung, dass sein Arbeitsverhältnis
aufgrund der Befristung zum 30. Juni
2014 nicht beendet wurde. Hilfsweise
möchte er festgestellt wissen, dass das
Arbeitsverhältnis durch Bedingungsein-
tritt (einjährige Verlängerungsoption)
bis zum 30. Juni 2015 fortbesteht. Das
zusätzliche Begehren, die Punkteprämie
ausbezahlt zu bekommen, soll in diesem
Zusammenhang vernachlässigt werden.
Von
Stephan Pötters
und
Marc Werner
Das Arbeitsgericht Mainz hat der Klage
teilweise stattgegeben. Es hat festge-
stellt, dass das Arbeitsverhältnis der
Parteien aufgrund der Befristung zum
30. Juni 2014 nicht beendet ist (Urteil
vom 19.3.2015, Az. 3 Ca 1197/14).
Die Berufung des Vereins hatte nun
vor dem LAG Rheinland-Pfalz (Urteil
vom 17.2.2016, Az. 4 Sa 202/15) Erfolg.
Die Befristung sei durch die Eigenart der
Arbeitsleistung als Sachgrund gerechtfer-
tigt, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Teilzeit- und
Befristungsgesetz (TzBfG). Bislang ist
freilich nur die knapp gehaltene Presse-
mitteilung einsehbar. Ohne die Entschei-
dungsgründe ist es daher nicht möglich,
die Argumente für das Vorliegen eines
Sachgrunds zu bewerten. Eine erste
Einschätzung kann aber im Lichte der
Entscheidung des Arbeitsgerichts sowie
vorheriger Urteile abgegeben werden.
Der Profifußballer als Arbeitnehmer
Zunächst steht als Prämisse fest, dass
Profifußballer trotz ihrer wirtschaftli-
chen Unabhängigkeit Arbeitnehmer be-
ziehungsweise Beschäftigte sind. Somit
gilt das gesamte Arbeits- und Sozialver-
sicherungsrecht. Man mag dies als we-
nig praxistauglich und rechtspolitisch
verfehlt kritisieren, aber ohne eine Ent-
scheidung des Gesetzgebers wird hier-
an nicht zu rütteln sein. Damit sind § 14
TzBfG und die unionsrechtlichen Vor-
gaben zum Befristungsrecht, die in der
Richtlinie 1999/70/EG zur Rahmenver-
einbarung über befristete Arbeitsverträ-
ge zusammengefasst sind, zu beachten.
Das bedeutet: Eine sachgrundlose
Befristung ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG
lediglich drei Mal und für insgesamt ma-
ximal zwei Jahre zulässig. Längere Befri-
stungsabreden sind nur möglich, wenn
ein Sachgrund zur Befristung im Sinne
von § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben ist. Im
Fall war mit dem zuletzt geschlossenen
Arbeitsvertrag zwischenMüller und dem
FSVMainz 05 die Befristungshöchstdau-
er von zwei Jahren bereits überschritten,
sodass eine weitere Befristung nur mit
Sachgrund in Betracht kam.
Sachgründe bei Fußballprofis
Aus den Sachgründen des § 14 Abs. 1
TzBfGziehenRechtsprechungundLitera-
tur unterschiedliche Tatbestände heran,
um eine Befristung der Arbeitsverträge
von Profifußballern zu ermöglichen. Die
bis zum Fall Müller – soweit ersichtlich –
einzige Entscheidung dazu ist ein Ur-
teil des LAG Nürnberg (vom 28.3.2006,
Az. 7 Sa 405/05). Das Gericht erblickte
Sachgründe im „Abwechslungsbedürf-
nis des Publikums“ (wohl § 14 Abs. 1
Satz 2 Nr. 4 TzBfG) sowie im „Alter be-
ziehungsweise den zu erwartenden kör-
perlichen Defiziten des Spielers“ (wohl
§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG).
Beide Punkte sind angreifbar, zumin-
dest gelten diese Sachgründe nicht in
jedem Fall: Zum ersten Sachgrund führt
das LAG Nürnberg näher aus, dass die
Vertragsparteien berechtigterweise da-
von ausgehen könnten, „dass nach einer
gewissen Zeit das Publikum eine Ände-
rung der Fußballshow wünscht und einen
anderen Spieler sehen möchte.“
Vereinzelt mag dies zutreffen. Man
kann sich aber kaum vorstellen, dass die
Fans des BVB in absehbarer Zeit keine
Doch kein Bosman 2.0 – vorerst
URTEIL.
Mehrfach befristete Verträge sollen im Profifußball weiter möglich sein. Eine
kleine Revolution scheint abgewendet – zumindest bis BAG oder EuGH entscheiden.
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