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WEG §§ 10, 14 Nr. 1, 15; BGB § 1004; ZPO § 935
Unzulässige Nutzung eines Teileigentums
„Laden“ als Eiscafé; einstweilige Untersa-
gungsverfügung
Die eigentliche Zweckbestimmung erfolgt durch die Bezeichnung
als „Laden“, während die Bezeichnung als „Geschäftslokal“ nur der
Individualisierung eines konkreten Raumes dient.
Die Bezeichnung „Laden“ in der Teilungserklärung stellt eine
Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar, nicht nur einen
Nutzungsvorschlag. Die Nutzung eines Teileigentums „Laden“ als
Eiscafé ist von dieser Zweckbestimmung nicht umfasst.
Die von einem Eiscafé ausgehenden Beeinträchtigungen für die üb-
rigen Wohnungseigentümer gehen bei der gebotenen typisierenden
Betrachtungsweise deutlich über das hinaus, was als Beeinträchti-
gungen von einer bloßen Verkaufsstätte („Laden“) zu erwarten wäre.
LG Itzehoe, Urteil vom 1.4.2016, 11 S 93/15
Bedeutung für die Praxis
Zur Bestimmung von Inhalt und Umfang der Nutzungsbeschränkung ist
nur auf die Bezeichnung des Teileigentums als „Laden“ abzustellen; den in
den „Plänen und Schnittansichten“ vorhandenen weiteren Bezeichnungen
kommt keine eigenständige Bedeutung zu; sie stellen allenfalls Nutzungs-
vorschläge dar (vgl. OLG Hamburg ZMR 2003, 770). Beim Teileigentum
„Laden“ entspricht es der nächstliegenden Bedeutung, dass dies eine
Zweckbestimmung darstellt, auf die sich der einzelne Erwerber von
Sondereigentum jedenfalls insoweit verlassen kann, als keine gewerb-
liche Nutzung zugelassen wird, die mehr als ein Laden stört oder sonst
beeinträchtigt (vgl. schon BayObLGZ 1983, 73). Die von einem Eiscafé
ausgehenden Beeinträchtigungen gehen bei typisierender Betrachtungs-
weise klar über das hinaus, was an Beeinträchtigungen von einer bloßen
Verkaufsstätte zu erwarten ist.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs. 6, 14 Nr. 1; BGB §§ 241, 1004
Unterlassungsanspruch aufgrund von
Verstößen des Mieters gegen die
Hausordnung der WEG
Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist aktivle-
gitimiert, wenn sie die Individualansprüche der einzelnen
Wohnungseigentümer durch wirksamen Mehrheitsbeschluss
zur Angelegenheit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer ge-
macht hat. Wenn die Art der Geräusche, die Dauer und Intensität
keine üblichen und sozialadäquaten Beeinträchtigungen mehr
darstellen und über das nach § 14 Nr. 1 WEG hinzunehmende
Maß hinausgehen, besteht vermutete Wiederholungsgefahr und
ein Unterlassungsanspruch gegen den selbst oder durch Dritte
störenden Mieter.
AG München, Urteil vom 4.5.2017, 281 C 17481/16
Bedeutung für die Praxis
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann durch Beschluss
die Individualrechte der einzelnen Sondereigentümer an sich ziehen.
Das empfiehlt sich aber nur, wenn ein Großteil der Eigentümer
sich vom Mieter gestört fühlt und kein (rechtsschutzversicher-
ter) Sondereigentümer für die Übrigen die „Kohlen aus dem Feuer
holen“ will. Ob der störende Mieter sich an die Hausordnung der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer halten muss, ist nicht ganz
unumstritten. Richtigerweise können dem Mieter aber gegenüber
den (übrigen) Eigentümern – außer seinem Vermieter – nicht mehr
Rechte zustehen als dem vermietenden Wohnungseigentümer selbst.
Ausnahme: Bei nach der Gemeinschaftsordnung verbotener Hunde-
haltung darf der sehbehinderte Mieter einen Blindenhund halten, der
sehende Eigentümer aber nicht.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
verhältnis an einer wirtschaftlichen Verwertung „des Grundstücks“, also
an einer Realisierung des diesem innewohnenden materiellen Werts,
gehindert ist, die in erster Linie durch Veräußerung oder Vermietung
geschieht. Eine wirtschaftliche Verwertung liegt auch dann vor, wenn
das Gebäude mit der Mietwohnung zunächst abgerissen und durch einen
Neubau ersetzt werden soll, der dann veräußert oder vermietet bezie-
hungsweise verpachtet werden soll. Nach der Rechtsprechung des BGH ist
die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand ei-
nes Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, vor dem Hintergrund
der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des
grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Woh-
nung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Ei-
gentum gewährt dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch
auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmög-
lichkeit, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht.
Auf der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nach-
teile jedoch auch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile
weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung
erwachsen. Insbesondere darf das Kündigungsrecht des Eigentümers bei
einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht auf die
Fälle andernfalls drohenden Existenzverlusts reduziert oder so restriktiv
gehandhabt werden, dass die Verwertung als wirtschaftlich sinnlos
erscheint. Diese im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche
Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Bestandsinteresse des Mieters
und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich einer
generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermie-
ters treffen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg