79
3|2018
WEG § 43; ZPO § 935 ff., 945
Schadensersatz wegen einstweiliger
Verfügung auf Aussetzung der
Beschlussvollziehung?
1. Hat ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen
Verfügung die vorübergehende Aussetzung eines Beschlusses
erwirkt, so kann der Verband den hieraus resultierenden
Schaden nicht aufgrund des verschuldensunabhängigen
Anspruchs aus § 945 ZPO geltend machen.
2. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
gegen den Antragsteller einer einstweiligen Verfügung.
LG Frankfurt/M., Urteil vom 14.12.2017, 2-13 S 17/16
Bedeutung für die Praxis
Da die Anfechtungsklage keinen Suspensiveffekt hat, ist ein Beschluss in
der Regel trotzdem unverzüglich zu vollziehen. Wenn ein Sondereigen-
tümer einen Baustopp erzwingen will, kann er dies nur ausnahmsweise –
meist bei drohenden unwiederbringlichen Nachteilen – durch einstweilige
Verfügung erreichen.
§ 945 ZPO begründet im Verfahrensrecht einen materiellen verschul-
densunabhängigen Schadensersatzanspruch für den Fall der Aufhebung
der einstweiligen Verfügung z.B. im Verfahren über den (unbefristeten)
Widerspruch.
§ 945 ZPO stellt jedoch eine – eng auszulegende – Ausnahmevorschrift
dar, die eine verschuldensunabhängige Haftung lediglich für den Gegner
des einstweiligen Verfügungsverfahrens (hier: die übrigen Wohnungsei-
gentümer, nicht die klagende WEG/den Verband) begründet.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 28 Abs. 3
Jahresabrechnung: fehlende Übersicht über die
Abrechnungsergebnisse aller Sondereigentume
Eine Übersicht über die Abrechnungsergebnisse aller Wohnungen
und die den Abrechnungszeitraum betreffenden Hausgeldrück-
stände ist nicht notwendiger Bestandteil der Jahresabrechnung im
Sinne des § 28 Abs. 3 WEG.
Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung
der Jahresabrechnung ist infolgedessen nicht allein deshalb
anfechtbar, weil der Verwalter eine von ihm freiwillig erstellte Sal-
denliste trotz gegenteiliger Ankündigung nicht an die Wohnungs-
eigentümer versendet bzw. nicht in der Eigentümerversammlung
zur Einsicht vorlegt.
BGH, Urteil vom 27.10.2017, V ZR 189/16
Bedeutung für die Praxis
Wer freiwillig eine Mehrleistung als Verwalter schon in der Einladung
zur Eigentümerversammlung erbringt, und zwar in Form einer „Über-
sicht über die Abrechnungsergebnisse aller Wohnungen und Ausweis
der Rückstände“ und diese dann noch korrigieren muss, muss dennoch
nicht gleich mit einer erfolgreichen Beschlussanfechtung rechnen.
Dennoch ist es sicherer schon vorab darauf hinzuweisen, dass diese
Übersicht nicht Bestandteil der Jahresabrechnung ist, sondern nur den
interessierten Eigentümern als Information dienen soll, die sie sonst
nur durch Einsicht in die Verwaltungsunterlagen bekämen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 26, 43 Nr. 4
Zum Beurteilungsspielraum bei der
Bestellung eines Verwalters;
Neutralitätspflicht des Verwalters
Ein Beschluss über die Bestellung eines Verwalters kann wegen feh-
lender Neutralität und eines zerstörten Vertrauensverhältnisses für
ungültig zu erklären sein, wenn eine Gesamtabwägung aller maßgeb-
lichen Punkte (hier: u.a. mehrfache ausländerfeindliche Äußerungen
gegenüber den klagenden Sondereigentümern) zu dem Ergebnis
führt, dass die Begründung eines unbelasteten, für die Tätigkeit des
Verwalters erforderlichen Vertrauensverhältnisses zu sämtlichen
Wohnungseigentümern ausgeschlossen erscheint.
LG Itzehoe, Urteil vom 26.1.2018, 11 S 33/17
Bedeutung für die Praxis
Selbst wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG
vorliegt, der die Abberufung des Verwalters rechtfertigt, steht den Eigen-
tümern ein Beurteilungsspielraum zu. Aus dem Vorliegen eines wichtigen
Grundes folgt nicht automatisch, dass die Eigentümer einen Verwalter
in einem solchen Fall abberufen müssten oder – wie hier – gar nicht erst
wählen dürften.
Wenn der Gewählte jedoch zuvor mehrfach verbal die ausländischen
Mitwohnungseigentümer ob ihrer Herkunft respektlos behandelt und u.a.
auch als „sog. Eigentümer“ eingestuft hat, fehlt die für das Verwalteramt
notwendige Neutralität, was ihn für die betroffenen Sondereigentümer
unzumutbar macht.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg