Die Wohnungswirtschaft 5/2018 - page 64

MARKT UND MANAGEMENT
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5|2018
Bezahlbarer Wohnraum
Schneller, mehr und billiger bauen
Angesichts der Koalitionsverhandlungen tauchte von verschiedenen Interessengruppen und den für sie
arbeitenden wissenschaftlichen Institutionen die Forderung nach mehr Fertigstellungen und bezahlbarem
Wohnraum auf. Begründet wird die Forderung nach mehr und billigerem Wohnraum auf zwei unterschied-
lichen Ebenen. Zum einen wird argumentiert, dass insgesamt zu wenige Wohnungen zur Verfügung stehen.
Zum anderen sollen sich mehr Haushalte Wohnraum als Eigentum leisten können. Doch geht das so einfach?
Die Interessengruppen gehen davon aus, dass
jährlich 400.000 Wohnungen neu gebaut wer-
den müssen. Diese Zahl wurde aber in den letz-
ten Jahren nicht erreicht (sondern gut 300.000
Wohnungen) und auch für die kommenden Jahre
wirdmit einer geringeren Fertigungszahl gerech-
net. Dadurch sollen bereits heute insgesamt rund
1Mio. Wohnungen fehlen. Aber es sollen sich auch
mehr Haushalte Wohnraum als Eigentum leisten
können. Der günstige Erwerb vonWohnungen oder
Häusern soll dabei auch für kaufkraftschwächere
Haushalte möglich werden, so eine Forderung.
Dr. Günter Vornholz
Professur für Immobilienökonomie
EBZ Business School
Bochum
Wohnungsknappheit
Indikator für fehlendeWohnungen ist die Entwick-
lung von Preisen und Mieten. In den Städten sind
in den letzten Jahren die Preise deutlich stärker als
die Mieten angewachsen. Die Preissteigerungen
basieren vor allem auf der reichlich verfügbaren
Liquidität und den mangelnden Anlagealterna-
tiven. Die Mietsteigerungen sind hingegen auf
fundamentale Faktoren wie Demografie (Zu-
wanderungen) oder Einkommenssteigerungen
zurückzuführen. Die Wohnungsknappheit hat für
deutlichen Preis- und Mietanstieg in den Städ-
ten gesorgt. Es ist aber auch festzustellen, dass
in vielen ländlichen Regionen die Preise weiter
unter Druck stehen.
Maßnahmen gegen Wohnungsknappheit
Es gibt keine Musterlösung bzw. eine einzelne
Maßnahme, die dazu führt, dass die Wohnungs-
knappheit in den Städten gelöst werden kann.
Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass sich bei
jeder vorgeschlagenenMaßnahme, die sich positiv
auswirken könnte, sofort Widerstand abzeichnet.
Im Folgenden werden wesentliche Maßnahmen
und ihre Einwände aufgezeigt.
Der Staat könnte seine Aktivitäten imWohnungs-
bau auf vielfältige Weise verstärken. Er kann als
direkte Maßnahme günstige Wohnungen über
kommunaleWohnungsgesellschaften selbst bauen
oder indirekt im Rahmen des sozialen Wohnungs-
baus subventionieren. Diese Subventionen können
als billige Kredite oder direkte Zuschüsse erfolgen.
Die Bundesregierung plant daher die Einführung
eines Baukindergeldes. Das wird aber nicht vie-
le zusätzliche Neubauten schaffen. Denn dieses
wird nicht nur bezahlt, wenn neueWohnungen ge-
baut, sondern auch, wenn bestehende Immobilien
gekauft werden. Es sind daher vielfach Mitnah-
meeffekte zu erwarten, da das Baukindergeld in
Anspruch genommenwird, obwohl ohnehin schon
ein Immobilienbau oder -kauf geplant war. Darüber
hinaus werden zusätzliche Hauskäufe nur noch die
Preise weiter ansteigen lassen.
Herausforderung Baukapazitäten
Zusätzliche Bauaktivitäten leiden derzeit darun-
ter, dass die Bauwirtschaft voll ausgelastet ist und
aufgrund fehlender Kapazitäten kaummehr weite-
re Aufträge annehmen kann. So sind aktuell selbst
bei Ausbau- oder Renovierungsarbeiten mehrere
Monate Wartezeit gegeben. Mehr Neueinstellun-
gen könnten helfen, benötigen aber Zeit. Außer-
dem führen heute fehlende Kapazitäten in der
Bauverwaltung dazu, dass auf Baugenehmigungen
längere Zeit gewartet werdenmuss. Daher müsste
das Personal in den Bauämtern aufgestockt wer-
WOHNEN: MIETEN UND PREISE IN 7 A-STÄDTEN
Quelle: EBZ
10,0
5,0
15,0
0,0
-5,0
-10,0
1990
1994
1998
1992
1996
2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016
Mietentwicklung
Preisentwicklung
in %
1...,54,55,56,57,58,59,60,61,62,63 65,66,67,68,69,70,71,72,73,74,...84
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