DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2016 - page 15

gungsrelevanten Gesichtspunkte zu sammeln und
diese in die Abwägung einzustellen. Der Beschluss
des Bebauungsplans erfolgt als Satzung durch den
Gemeinderat (§ 10 BauGB).
Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht
Eine typische verwaltungsrechtlicheDreieckskon-
stellation ergibt sich, wenn dem Wohnungsunter-
nehmen eine Baugenehmigung erteiltwurde, durch
die sich dessen Nachbar in seinen Rechten verletzt
fühlt. Dieses dürfte die Standardkonstellation sein.
Es liegt ein für den Bauherren begünstigender Ver-
waltungsakt mit belastender Drittwirkung vor. In
diesemFall wird der Nachbar (vielfach) durch einen
Widerspruch oder eine Anfechtungsklage vor dem
Verwaltungsgericht dafür sorgen, dass die Bauge-
nehmigung zurückgenommenwird. Gemäß § 212a
BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage
eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung
eines Vorhabens keine aufschiebendeWirkung. Da-
mit soll verhindert werden, dass der Nachbar aus
bloßer Schikane ein Bauvorhaben verhindert.
Die Planfeststellung
DiePlanfeststellungisteinbesonderesVerwaltungs-
verfahren,dasfürBauvorhabeningesetzlichbeson-
ders geregelten Fällen durchgeführt wird – z. B. bei
Bundesfernstraßen nach dem Bundesfernstraßen-
gesetz, bei Eisenbahnverkehrsanlagen nach dem
Allgemeinen Eisenbahngesetz, bei Deponien nach
dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, beim
Gewässeraus-bzw.DeichbaunachdemWasserhaus-
haltsgesetz sowie bei Hochspannungsleitungen.
DieUnterschiede zumgewöhnlichenVerwaltungs-
verfahren bestehen in der umfassendenBeteiligung
von Bürgern, deren Belange durch das Vorhaben
betroffen sind, und der Behörden, deren Aufga-
benbereich durch das Vorhaben berührt wird. Die
Feststellung eines Plans ersetzt andere behördliche
Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewil-
ligungen oder Zustimmungen.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung
Die Umweltprüfungen gemäß § 9UVP-Gesetz sind
ein wichtiger Bestandteil des Umweltschutzes.
Durch den Einbezug von Behörden und Bürgern
sowie Umweltberichten können frühzeitig die
möglichen Folgen eines Projektes für die Umwelt
erkannt und bei der Entscheidung über das Projekt
berücksichtigtwerden. DieUVP hat sich inmehr als
15 Jahren als zentrales umweltpolitisches Instru-
ment in den EU-Mitgliedsstaaten etabliert.
Das Planvereinheitlichungsgesetz
Mit demdurch das PlVereinhG eingeführten Ände-
rungen trug der Gesetzgeber den Diskussionen zu
mehr Transparenz und Beschleunigung von Groß-
vorhaben Rechnung. Hiernach soll die betroffene
Öffentlichkeit bei Vorhaben, die nicht nur unwe-
sentlicheAuswirkungen auf die Belange vonDritten
haben können, bereits frühzeitig beteiligt werden,
indem sie über die Ziele des Vorhabens, die Mittel,
es zu verwirklichen, und die voraussichtlichenAus-
wirkungen des Vorhabens unterrichtet wird.
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz
Mit der Änderung von § 246BauGBdurch das Asyl-
verfahrensbeschleunigungsgesetzwill der Gesetz-
geber die planungsrechtliche Zulassung von Flücht-
lingsunterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegeh-
rende wesentlich erleichtern. Damit wird u. a. die
Aufstellung eines Bebauungsplans mit obligatori-
scher Öffentlichkeitsbeteiligung entbehrlich ge-
macht (BT Drks. 18/2752, S. 11; Krautzberger in
GuG 2015, Heft1)
Fazit
Das öffentliche Recht gewährt allenBürgern – auch
den „Wutbürgern“ – bereits vor dem Anrücken der
Bagger dieMöglichkeit, sich frühzeitig in einGroß-
verfahren wie z. B. Stuttgart 21 einzubringen. Nur
werden dieseAnhörungsmöglichkeiten in der Praxis
bedauerlicherweise kaum oder gar nicht genutzt.
Der Rechtsstaat stellt denBürgernAnhörungsmög-
lichkeiten zur Verfügung, die diese leider oft nicht
wahrnehmen, stattdessen öffentliche Anhörungs-
termine verstreichen lassen oder ihre Wut erst in
dann vorbringen, wenn Entscheidungen vonBehör-
den (oder Gerichten) bestandskräftig sind.
Hier kannman zwar konstatieren, die Bürger hätten
den Sinn des Gesetzes nicht begriffen – schließlich
bedeutenDemokratie und verwaltungsbehördliche
Verfahren auch, unangenehme (aber rechtmäßi-
ge) Entscheidungen hinzunehmen, auch wenn sie
einem persönlich nicht passen. Viel wichtiger ist
jedoch, dass die handelnden Akteure in den Woh-
nungsunternehmenFolgendes erkennen: Sie sollten
bei Aufstellung eines Bebauungsplanes versuchen,
frühzeitig Einfluss auf politische Entscheidungen
zugunsten ihres Projektes zu nehmen. Sie sollten
bei Bauvorhaben ihreMieter sowie die interessierte
Öffentlichkeit informieren, Stakeholder und insbe-
sondereNachbarn in die Planung einbeziehen. Dazu
können dieMieterzeitung, der Internetauftritt und
besonders Informationsveranstaltungen vor Ort
genutzt werden. Die Geschäftsleitung sollte die
Betroffenen (regelmäßig) persönlich informieren
und Rede und Antwort stehen.
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