DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2016 - page 27

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ben für ihre Abfallstoffe. Ferner wurde nach dem
Zweiten Weltkrieg oft Trümmerschutt zum Auf-
füllen der Böden verwendet. Dieser Schutt kann
gefährliche Stoffe wie Asche und Schlacke enthal-
ten. Wurde auf einem solchen Gelände z. B. in den
1950er Jahren eine Autowerkstatt errichtet, war
dies problemlos möglich. Zumal in dieser Zeit und
bis zum Beginn der 1980er Jahre in Deutschland
geringe bzw. gar keine Umweltschutzauflagen
existierten. Soll nun auf diesem Areal ein Wohn-
gebäude mit höheren Anforderungen an die Un-
bedenklichkeit des Untergrunds samt Tiefgarage
entstehen, muss neben demUntergrund auch die
Trümmermasse bzw. die Auffüllschicht aus frühe-
ren Zeiten auf Schadstoffe hin untersucht und der
Boden vermutlich entsorgt werden.
Zwar versuchen die Kommunen Lücken ihres Alt-
lastenkatasters zu schließen, aber dies ist müh-
sam: Etwa 30 Jahre Altlastenbearbeitung stehen
150 Jahren Industriegeschichte gegenüber.
Augen auf beim Grundstückskauf
Verkäufer und Erwerber sollten drei Dinge bei
der Transaktion einer ehemaligen Industrieflä-
che beachten. Sie sollten die Nutzungshistorie
prüfen, zweitens bei Verdacht auf Belastungen
ausreichende Bodenproben nehmen und auf Ver-
dachtsparameter hin chemisch analysieren. Drit-
tens sollten Vereinbarungen in den Kaufvertrag
hinsichtlich mutmaßlicher Altlasten aufgenom-
men werden und darin fixiert werden, wer von
beiden Vertragspartnern welche Eventualkosten
trägt oder wie hoch der monetäreMinderwert des
Grundstücks dann zu beziffern ist.
Aus den Unterlagen historischer Archive lässt
sich eine gute Einschätzung zur industriellen
Vorgeschichte eines Geländes gewinnen. Daraus
sowie aus historischen Fotos und Bauplänen las-
sen sich Rückschlüsse auf unterirdische Gruben,
Rohre oder Tankbehälter ziehen. Sind diese viele
Jahrzehnte alt und möglicherweise seit langem
außer Betrieb, sollte diesem Tatbestand mittels
Probebohrungen und chemischer Analysen nach-
gegangenwerden. Auf Basis dieser Funde wird die
anstehende Sanierungsarbeit gemäß gesetzlicher
Regelwerke kalkuliert. Diese Ausgabenwirken sich
gemäß der Immobilienwertermittlungsverord-
nung (§ 6, Abs. 5) verkehrswert- bzw. kaufpreis-
mindernd auf das Grundstück aus.
Längst nicht alle unterirdischen Keller und Tanks
sindmit einer 100%igen Zuverlässigkeit aufzuspü-
ren. Aber die Erfahrung lehrt, dass i. d. R. in 80%
der Fälle eine zuverlässige Kosten- und zeitliche
Prognose für die Sanierung des betroffenen Erd-
reichs gegebenwerden kann. Über die 20%Restri-
siko sollten zusätzliche Vereinbarungen getroffen
werden (siehe Absatz zur Vertragsgestaltung).
Diese Vorabprüfung umfasst auch die Suche nach
möglichen Bomben-Blindgängern. Experten ge-
hen davon aus, dass im Zweiten Weltkrieg jede
vierte Bombe nicht explodierte und im Boden-
reich schlummert. Auch hier helfen historische
Luftbilder, die von Aufklärungsflugzeugen nach
einer Bombardierung gemacht wurden. In 80%der
Fälle sind diese Aussagen zutreffend. Gibt es einen
Verdacht auf Kampfmittel, muss in der Baugrube
vorsichtig gegraben bzw. mit geophysikalischen
Messmethoden sondiert werden. Wird eine Bombe
gefunden, muss – je nach Bundesland - entweder
die lokale Feuerwehr oder eine landeseigene Be-
hörde informiert werden. Dabei kommen auf den
Grundstückseigentümer – je nach Bundesland –
gegebenenfalls hohe Kosten zu: Während für Ent-
schärfung und Entsorgung das Land geradesteht,
muss der Bauherr in der Regel die Bauleistung so-
wie die Kosten des Baustellenstillstands tragen.
Ein dritter Punkt, der Kosten- und Zeitplanung
durcheinanderwirbeln kann, sind Bodendenkmä-
ler. Historische Aquädukte und Stadtmauern sind
in der Regel in Plänen verzeichnet, die Reste von
Wohnhäusern nicht. Auch für diese Ausgrabungs-
kosten werden die Bauherren zur Kasse gebeten.
Auch Gebäude müssen untersucht werden
Bei Altlasten-Verdachtsmomenten werden nicht
nur der Boden, sondern auch die darauf befind-
lichen Gebäude auf Schadstoffe wie Asbest oder
PCB (!) untersucht. Dies gilt gleichermaßen für
erhaltenswerte, denkmalgeschützte Industriege-
bäude wie für Hallen, die der geplanten Wohnbe-
bauung weichen sollen. Was wenige wissen: Die
fachgerechte Dekontamination zu erhaltender,
aber verunreinigter Bausubstanz wie Decken,
Wände und Bodenplatten kann ein Vielfaches ei-
nes normalen Rückbaus kosten.
Wird auf einem ehemaligen Industriegelände
z. B. ein unterirdischer Öltank aus dem 19. Jahr-
hundert vermutet, ist davon auszugehen, dass er
undicht ist. Daher muss über die Sohle des Tanks
hinaus eine tiefere Probebohrung vorgenommen
werden, um zu klären, ob bereits Flüssigkeit in
den Untergrund ausgetreten ist und womöglich
einen zusätzlichen Grundwasserschaden verur-
sacht hat. Erfahrungsgemäß ist das Entsorgen
flüssiger Altlasten, die tief in Böden einsickern
können, viel aufwändiger als das Beseitigen fester
Stoffe. Diese können zumeist einfach abgetragen
werden.
Vertragsgestaltung
In den Grundstückskaufvertrag sollten jeweils zu
den konkreten Verdachtsmomenten (wie Altlasten
in Böden und Schadstoffe in Gebäuden, Boden-
denkmäler und Kampfmittel) Zusatzvereinba-
rungen getroffen werden. Darin sollte festgelegt
werden, ob Käufer oder Verkäufer für Entsor-
gungskosten aufkommen, die nicht im Vorfeld
kalkulierbar waren, sondern trotz Vorabprüfungen
erst während des Rückbaus oder der Gründung des
Geländes auftauchten. Auch bei der Beschaffen-
heit des Bodens wird das Risiko häufig demKäufer
angelastet. Besser ist hier eine klare Vereinbarung,
wonach der Verkäufer seinemVertragspartner zu-
sichert, dass der Untergrund eine gewisse Güte
und Beschaffenheit (Anforderung an die Tragfä-
higkeit) aufweist. Müssen zur Bodenstabilisierung
Betonpfähle in den Untergrund getriebenwerden,
erhöht dies die Baukosten.
Dem Käufer kann sogar ein Rücktrittsrecht vom
Kaufvertrag eingeräumt werden, wenn er bei ei-
nem nicht kartierten Bombenfund die Kosten für
eine weiträumige Evakuierung im sechsstelligen
Eurobereich zahlen müsste.
An solchen Detailvereinbarungen hapert es häu-
fig. Stattdessenwerden pauschale bzw. ungenaue
Absprachen beim Grundstückserwerb getroffen,
oft nach dem Motto „gekauft wie gesehen“.
• Im Vorfeld in Archiven recherchieren und industrielle Vornutzungen des
Geländes klären.
• Bei Verdachtsmomenten gezielt Proben aus kontaminierten Böden und Ge-
bäuden nehmen, egal ob diese abgerissen werden oder erhalten bleiben.
• Prüfung auf Bodendenkmäler sowie mögliche Kampfmittelreste.
• Ggf. in Abstimmung mit der Stadt einen Sanierungsplan erstellen und Kosten
kalkulieren.
• Bei Verhandlungen bedenken: Dekontaminierungskosten drücken den Kauf-
preis (monetärer Minderwert).
• In Kaufvertrag Klauseln aufnehmen, die fixieren, ob Verkäufer oder Erwerber
bei zusätzlichen, nicht vorhersehbaren Maßnahmen die Kosten trägt.
VORGEHENSWEISE BEI WOHNNUTZUNG EHEMALS
INDUSTRIELLER GELÄNDE
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