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Sonderheft Nachverdichtung |2015
Ist eine Dachaufstockung mit Holz inzwi-
schen eine übliche Verfahrensweise?
Inzwischen ja, aber das ist noch nicht lange so.
Früher war es ja aus brandschutztechnischen
Gründen schwierig, Holz für die Dachaufstockung
zu verwenden. Inzwischen hat man da durch die
Holzbaurichtlinie viel Sicherheit gewonnen, da
dort alles geregelt ist.
Worin sehen Sie die Hauptvorteile bei der
Dachaufstockung mit dem Baustoff Holz?
Der Vorteil von Holz ist, dass es im Vergleich zum
traditionellenMauerwerk oder der Betonbauweise
sehr leicht ist. Bei Bestandsgebäuden ist das Ge-
wicht ja ein entscheidendes Thema. Die Gebäude
sind so dimensioniert, dass das Gewicht für das
Gebäude reichte, nicht aber für viel mehr.
Wieso wird dann Dachaufstockung als
Lösung für Nachverdichtung gehandelt, wo
doch der Großteil des Bestandes vor 1960
gebaut wurde?
Das hat schon seine Berechtigung. Zwar wurden
die Bestandsgebäude für ihren damaligen Bedarf
kalkuliert, doch die Statik rechnet immer auch
eine Sicherheit, also einen Puffer, mit ein. Das hat
der Gesetzgeber so vorgeschrieben. Daher ist Holz
natürlich besonders interessant, da es tragfähig
ist, aber ein geringes Eigengewicht hat.
Sie haben schon etliche Dachaufstockungen
realisiert. Was war in Erding besonders?
Bei dem Objekt in der Stephanstraße war die Be-
sonderheit, dass es eine doppelstöckige Dachauf-
stockung ist. Es kamen also eine Geschossfläche
und eine Galerie hinzu.
Worin lag genau die Herausforderung?
Bei der Gebäudeaufstockung gilt ja auch die
bayerische Bauordnung. Das bedeutet: Es muss
laut Artikel 6 ein gewisser Abstand zwischen den
Gebäuden eingehalten werden. Die Höhe des Ge-
bäudes ist auch gleichzeitig der Abstand. Durch
entsprechende Staffelung, also wenn man einen
Aufsatz etwas zurücksetzt, konnte das beim Er-
dinger Objekt gut eingehaltenwerden. Allerdings
muss man auch immer prüfen, dass die Aufsto-
ckungsfläche noch vernünftig nutzbar ist.
Wie sieht es mit Dachaufstockung
mit dem Baustoff Stahl aus?
Das geht natürlich auch. Stahl fällt ebenfalls un-
ter den Leichtbau. Doch eine Stahlkonstruktion
ist deutlich teurer und Sie haben zudem noch
das Problem, dass gute Stahlbauer nicht überall
verfügbar sind. Gute Zimmerer dagegen finden
Sie wesentlich häufiger. Zudem ist Holz natürlich
auch ökologisch interessant und schafft ein gutes
Wohnklima.
Ist es angesichts der zusätzlichen Kosten und
technischen Anforderungen bei Bestands-
bauten tatsächlich sinnvoll und wirtschaft-
lich, aufzustocken?
Doch, auf alle Fälle. Es ist in vielfacher Hinsicht
interessant. Zumeinen für die Stadt: Es gibt immer
weniger innerstädtische Flächen. Deshalb ist die
Nachverdichtung schon per se ein wichtiges The-
ma. In Erding stießen wir in der Stadtverwaltung
auf offene Ohren – schließlich liegt das Gebäude
in fußläufiger Entfernung zur Innenstadt. Und ge-
nau diese Flächen sind endlich, das wissen auch
die Städte. Dachaufstockung ist daher eine gute
Lösung – aber nur, wenn sie mit Gefühl und dem
richtigen Händchen durchgeführt wird. Für die
Mieter lohnt sich zudem die Nutzung des beste-
henden Nahverkehrs, da der Großraum München
ohnehin stark überlastet ist.
Selbst für den Investor ist es lukrativ. Würde er
neu bauen, müsste er Grundstückskosten und
auch die Nebenkosten wie Kanalanschluss oder
die Ausgaben für Außenanlagen noch finanzieren.
Das braucht es bei einer Dachaufstockung ja alles
nicht. Es ist daher wirtschaftlich deutlich interes-
santer als ein kompletter Neubau.
Herr Kruppa, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Beatrix Boutonnet.
Interview mit dem Architekten Sebastian Kruppa
„
Mehr als nur ein Trend
“
Für Spezialisten wie Sebastian Kruppa und sein Team sind Dachauf-
stockungen sind nicht nur eine ökonomische, sondern auch ökologisch
interessante Möglichkeit, in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt
schnell Wohnraum zu schaffen. Erfolgt sie in Holzbauweise, garantiert
der hohe Vorfertigungsgrad der Holzelemente eine kurze Bauzeit, so dass
die Dachaufstockung auch im bewohnten Zustand erfolgen kann.
geeignet ist, inkl. der Wasserver- und Abwasse-
rentsorgung. In Erding wurde z. B. eine neue Hei-
zung eingebaut. „Das geschah aber weniger aus
Kapazitätsgründen, sondern der Investor/Bauherr
nutzte die Gelegenheit, eine energieeffizientere
Anlage einzubauen, was irgendwann ohnehin fäl-
lig geworden wäre“, sagt Kruppa.
Grundsätzlich halten sowohl Kruppa als auch
Dohrn eine Dachaufstockung aus Holz für ideal
zur Nachverdichtung. Wichtig sei nur, dass man
gleich am Anfang zusätzliche Ertüchtigungskos-
ten einkalkulieren müsse, die nichts mit der ei-
gentlichen Dachaufstockung zu tun haben. Beim
Erdinger Objekt waren es um 100.000 €.
Quelle: Autorin