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CM September / Oktober 2018
Ein begünstigter Sanierungsgewinn ergibt sich
hiernach, wenn eine Sanierung ein Unterneh-
men vor dem finanziellen Zusammenbruch be-
wahren und die Ertragskraft wiederherstellen
soll (unternehmensbezogene Sanierung). Zielt
eine Maßnahme lediglich darauf ab, einen
schuldenfreien Übergang in das Privatleben zu
ermöglichen, liegt kein begünstigungsfähiger
Sanierungsgewinn vor (unternehmerbezogene
Sanierung).
Für das Vorliegen eines begünstigungsfähigen
Sanierungsgewinns sind dabei folgende Vor-
aussetzungen kumulativ zu erfüllen:
\
Sanierungsbedürftigkeit ist gegeben, wenn
bspw. das Unternehmen ohne die Sanie-
rungsmaßnahme wirtschaftlich zusammen-
brechen würde;
\
Sanierungsfähigkeit liegt i. d. R. nur dann vor,
wenn das Unternehmen im Zeitpunkt der Sa-
nierungsmaßnahme prognostizieren kann,
nach der Sanierung wieder Überschüsse zu
erzielen und die Unternehmenstätigkeit nach
der Sanierung fortsetzt bzw. unverzüglich
wiederaufgenommen wird;
\
Sanierungseignung der Maßnahme ist i. d. R.
gegeben, wenn die Maßnahme geeignet ist,
das Unternehmen wieder ertragsfähig zu
machen;
\
Sanierungsabsicht der Gläubiger liegt vor,
wenn die Gläubiger nicht ausschließlich eigen-
nützig handeln, sondern einer Maßnahme
zur Abwehr des finanziellen Zusammenbruchs
und der Wiederherstellung der Ertragskraft
beitreten.
Steuerliche Bestandsaufnahme
Durch den Beschluss vom 28. November 2016
verwarf der Große Senat des BFH den bis dato
mehr als 10 Jahre lang angewendeten Sanie-
rungserlass. Bereits vor der Entscheidung des
BFH waren in den vergangenen Jahren zahl-
reiche divergierende Finanzgerichtsurteile –
zur Frage der Gesetzmäßigkeit des Sanie-
rungserlasses – ergangen. Das oberste deut-
sche Finanzgericht sah durch die Erlassrege-
lung einen Verstoß gegen den Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Hintergrund
dieser Entscheidung war § 3 Nr. 66 EStG a.F.,
in der die Steuerfreiheit von Sanierungsgewin-
nen geregelt war. Diese Norm fand bis 1998
Anwendung, wurde vom Gesetzgeber aus dem
Steuergesetz gestrichen und von der Finanz-
verwaltung im Sanierungserlass wieder ein-
geführt. Dieses „Wiederaufleben“ der abge-
schafften gesetzlichen Regelung im Sanie-
rungserlass war zentrale Begründung für den
festgestellten Verstoß gegen den Grundsatz
der Gesetzmäßigkeit.
Daraufhin sah sich der Gesetzgeber veranlasst,
die bisherige, nunmehr verworfene Verwal-
tungspraxis wieder in die Steuergesetze aufzu-
nehmen. Insoweit wurden die Steuerbefrei-
ungstatbestände für Sanierungsgewinne ge-
setzlich niedergelegt (§ 3a EStG und § 7b
GewStG). Neben der entsprechend gesetzlich
geregelten Steuerfreiheit von Sanierungs-
gewinnen (§ 3a EStG n.F. und § 8 Abs. 1 KStG
i.V.m. § 3a EStG n.F. und § 7b GewStG n.F.)
werden nach § 3a Abs. 5 EStG n.F. ebenfalls
die Sanierungsgewinne, die durch ein Insolvenz-
planverfahren entstehen, steuerfrei gestellt.
Das Inkrafttreten der vorgenannten Vorschrif-
ten hängt allerdings von einem bislang noch
ausstehenden Beschluss der EU-Kommission –
im Hinblick auf die EU-rechtliche Beihilfeprob-
lematik – ab. Damit besteht derzeit ein recht-
liches Vakuum hinsichtlich der Anwendung der
neuen gesetzlichen Regelungen.
Die Steuerbefreiung soll dabei von Amts wegen
und nicht, wie noch im ursprünglichen Gesetz-
entwurf vorgesehen, antragsgebunden erfol-
gen. Dies hat eine Haftungs- bzw. Risikoredu-
zierung des steuerlichen Beraters zur Folge,
da die Steuerbefreiung auch steuerliche Nach-
teile erzeugen kann.
Prof. Dr. Matthias Hiller
Die Abwehr von Unternehmenskrisen erfordert ein interdisziplinäres Denken. Zwischen der Gesundung
eines Unternehmens und der Besteuerung entstehender Sanierungsgewinne besteht ein Zielkonflikt.