CONTROLLER Magazin 5/2018 - page 102

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Bundesverband der Ratinganalysten e.V.
Trotz der aktuellen guten konjunkturellen
Lage sind Unternehmenskrisen kein selte-
nes Ereignis. Eine Unternehmenskrise wird
in der Regel von Besonderheiten in Rech-
nungslegung, Rating und Steuern flankiert.
Auch auf Aspekte, wie Forderungs- und
Finanzcontrolling bzw. auf die Auswahl ge-
eigneter Finanzierungsinstrumente sollten
die Verantwortlichen ein Augenmerk ha-
ben. Die Krisenabwehr, das Krisenmanage-
ment und die Krisenbehebung erfordern
daher ein interdisziplinäres Denken in den
vorgenannten betriebswirtschaftlichen
Teildisziplinen. Der vorliegende Beitrag be-
schäftigt sich mit einem Teilaspekt einer
Unternehmenskrise: den Sanierungsge-
winnen. Sanierungsgewinne sind dabei
Buchgewinne, die durch einzelne Sanie-
rungsmaßnahmen entstehen. Im Einzelnen
können folgende Maßnahmen zu einem
Sanierungsgewinn führen.
Schuldbeitritt
Bei einem Schuldbeitritt verpflichtet sich ein
Dritter, zivilrechtlich gemäß §§ 421 ff. BGB ne-
ben dem bisherigen Schuldner (Originärschuld-
ner) für die Verbindlichkeit einzustehen. Statt
eines Schuldnerwechsels entsteht eine Schuld-
nermehrheit (Gesamtschuldner). Da der wahr-
scheinliche Erfüllungsbetrag des Originär-
schuldners bei einer vereinbarten Erfüllungs-
übernahme durch den Zusatzschuldner reduziert
wird, hat der Originärschuldner seine Verbind-
lichkeit gegenüber dem Gläubiger erfolgswirk-
sam zu reduzieren. Der entstehende Ertrag ist
grundsätzlich als Sanierungsgewinn in der
Handelsbilanz auszuweisen. Gleiches gilt – über
das Maßgeblichkeitsprinzip – auch in einem
steuerlichen Kontext.
Befreiende Schuldübernahme
Zivilrechtlich wird gemäß § 414 BGB ein Ver-
trag zwischen einem Übernehmer und dem
Gläubiger geschlossen. Alternativ kann gemäß
§ 415 BGB ein Vertrag zwischen einem Über-
nehmer und dem Schuldner geschlossen wer-
den. Der Schuldner hat seine Verbindlichkeit
gegenüber dem Gläubiger handelsrechtlich
solange zu passivieren, bis dieser die Schuld-
übernahme genehmigt. Ausgleichend hat der
Schuldner bis dahin einen Freistellungsan-
spruch gegen den Übernehmer zu aktivieren.
Der dabei ggf. entstehende Ertrag ist als Sanie-
rungsgewinn zu erfassen. Gleiches gilt auch für
steuerliche Zwecke.
Rangrücktrittsvereinbarung
Bei einer Rangrücktrittsvereinbarung liegt zivil-
rechtlich ein Schuldänderungsvertrag i.S.d.
§ 311 Abs. 1 BGB vor. Hierdurch vereinbaren
Gläubiger und Schuldner die nachrangige Til-
gung einer Forderung des Gläubigers gegen-
über anderen Forderungen Dritter. Handels-
rechtlich hat der Rangrücktritt nach bisher h. M.
keinen Einfluss auf die Passivierungspflicht
einer Verbindlichkeit. Er beeinflusst lediglich
(und auch nur im Haftungsfall) die Tilgungsrei-
henfolge innerhalb der passivierten Verbind-
lichkeiten, was die Aufnahme eines „Davon-
Vermerk“ oder einer Erläuterung im Anhang
notwendig macht. In diesem Fall wäre die Ent-
stehung eines Sanierungsgewinns nicht gege-
ben. Steuerrechtlich gelten entsprechende
Grundsätze, allerdings besteht mit § 5 Abs. 2a
EStG eine steuerliche Sondervorschrift. Ent-
sprechend dieser Regelung sind Verpflichtun-
gen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig
Einnahmen oder Gewinne entstehen, erst in
diesem Zeitpunkt zu passivieren. Hierdurch
kann sich somit – abweichend von den handels-
bilanziellen Regelungen – die erfolgswirksame
Auflösung der Verbindlichkeit ergeben, was zur
Entstehung eines Sanierungsgewinns führt.
Schuldenerlass bzw.
Forderungsverzicht
Zivilrechtlich handelt es sich um einen Erlass-
vertrag nach § 397 BGB, in welchem der Gläu-
biger erklärt, auf eine schuldrechtliche Forde-
rung gegenüber seinem Schuldner zu verzich-
ten. Handelsrechtlich entfällt mit einem wirk-
sam gewordenen Forderungsverzicht die
Passivierungspflicht der entsprechenden
Verbindlichkeit. Eine vereinbarte Besserungs-
abrede ändert hieran nichts, da diese allenfalls
die Tilgungsmöglichkeit aus künftigen Erträgen
absichert, nicht jedoch das gegenwärtige Ver-
mögen belastet. In der Handelsbilanz ist die
Verbindlichkeit aufzulösen. Entsprechend ist
auch steuerlich die Verbindlichkeit erfolgswirk-
sam aufzulösen. Der hieraus entstehende Er-
trag ist grundsätzlich als Sanierungsgewinn zu
besteuern.
Begünstigungsfähigkeit von
Sanierungsgewinnen
Da die Entstehung von Sanierungsgewinnen
häufig nicht mit dem Zufluss von liquiden Mit-
teln verbunden ist und eine Besteuerung die
Sanierung konterkarieren könnte, war die Fi-
nanzverwaltung auf Basis des sog. Sanierungs-
erlasses ermächtigt, die Ertragsteuerschuld auf
einen Sanierungsgewinn zu erlassen. Für den
Erlass einer Gewerbesteuerschuld auf einen Sa-
nierungsgewinn sind die Kommunen zuständig.
Aktuelles zu den Sanierungsgewinnen
Entstehung, Begünstigungsfähigkeit und steuerliche Bestandsaufnahme
StB Prof. Dr. Matthias Hiller, Professor an der SRH Fernhochschule –
The Mobile University
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