CONTROLLER Magazin 1/2017 - page 101

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Liebe Leserin, lieber Leser,
über die Bedeutung von Risikoanalysen
für Unternehmensbewertung und wert-
orientierte Unternehmenssteuerung hatte
ich an dieser Stelle schon berichtet
und möchte dieses Thema noch einmal
aufgreifen. Ich hatte kürzlich bei der
10. Jahreskonferenz der EACVA die Gele-
genheit zu einem für Unternehmensbewer-
tungen wichtigen und „akuten“ Thema vor-
zutragen: Der Erfassung von Länderrisiken
im Unternehmenswert. Für einen Risiko-
manager ist es völlig offensichtlich, dass
sich zwei Unternehmen – z. B. Tochter-
gesellschaften eines Konzerns – in Ihrem
„Risikogehalt“ aufgrund landesbezogener
Risiken deutlich unterscheiden können.
Im Allgemeinen wird man bei Unternehmen mit
Sitz und wirtschaftlicher Haupttätigkeit in
Deutschland unter sonst gleichen Bedingungen
weniger Risiken finden, als wenn diese Unter-
nehmen z. B. in der Ukraine oder in Venezuela
ansässig wären. Dies ist natürlich auch einem
Wirtschaftsprüfer oder Gutachter klar, der eine
Unternehmensbewertung zu erstellen hat. Er
steht jedoch vor dem Problem, dass die unter-
schiedliche Höhe der Landesrisiken meist nicht
erkennbar wird, wenn man – wie in der Praxis
üblich – Betafaktoren, Kapitalkosten und damit
Unternehmenswerte basierend auf historischen
Aktienrenditeschwankungen ermittelt (Capital
Asset Pricing Model). Um dies zu korrigieren
und berechnete Werte mit tatsächlich realisier-
ten Kaufpreisen in Einklang zu bringen, ist
es in der Bewertungspraxis üblich, die nach
CAPM berechneten Kapitalkosten um eine
additive „Länderrisikoprämie“ zu erhöhen.
Dummerweise kann man aber beweisen, dass
es bei Gültigkeit der Annahmen des CAPM
keine additive Länderrisikoprämie geben kann.
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Natürlich ist es nicht falsch, Länderrisiken zu
berücksichtigen. Für eine risikogerechte
Bewertung ist der Ansatz „CAPM-Kapitalkosten
+ Länderrisikoprämie“ aber nicht akzeptabel.
Daher benötigt man für eine sachgerechte
Bewertung eine Analyse der Risiken eines
Landes, die das zu bewertende Unternehmen
betreffen. Eine einfache landesbezogene
Länderrisikoprämie ist keinesfalls angemessen.
Neben einer Unternehmensplanung benötigt
man Kenntnis bestehender Chancen und Gefah-
ren (Risiken), die Planabweichungen auslösen
können – hier speziell eben auch der landes-
bezogenen Risiken. In vielen Ländern sind
Unternehmen – im Vergleich zu Deutschland –
einer höheren Nachfrage-Volatilität, größerer
Unsicherheit im Hinblick auf die Steuerbelas-
tung sowie einer Vielzahl rechtlicher und politi-
scher Risiken, bis hin zur Enteignung, aus-
gesetzt. Für eine risikogerechte Bewertung ist
es nun erforderlich zu beurteilen, welche der
Länderrisiken, die das Unternehmen betreffen,
sich auswirken auf (1) Erwartungswerte der
Erträge und Cashflows, (2) Insolvenzwahr-
scheinlichkeit und (3) Diskontierungszinssatz,
also der risikogerechten Anforderung an die
Rendite. Landesbezogene Risiken beeinflussen
eben nicht nur den Diskontierungszinssatz
(Kapitalkosten). Sie führen auch dazu, dass
infolge des meist festzustellenden Gefahren-
überhangs der Erwartungswert der Erträge
unter den Planwerten liegt. Um alle Effekte der
Risiken adäquat erfassen zu können, benötigt
man eine um die Risikoanalyse ergänzte
Planung, eine Risikoaggregation (Monte-Carlo-
Simulation) und risikogerechte (simulations-
basierte) Bewertungsverfahren, die z. B. auch
den Diskontierungszinssatz aus aggregierten
Ertragsrisiken (statt Betafaktor) ableiten.
Um den Bewertern eine um Risikoinformatio-
nen ergänzte Planung vorlegen zu können,
wäre ein enges Zusammenspiel zwischen
Risikomanagement und Controlling / Planung
wünschenswert. Genau an dieser Schnittstelle
gibt es aber in den Unternehmen weiterhin er-
hebliche Verbesserungspotenziale, was in dieser
Ausgabe des Controller Magazins der Beitrag
von Ute Vanini und Anna Leschenko „Reife-
grade der Integration von Risikomanagement
und Controlling – Eine empirische Untersuchung
deutscher Unternehmen“ einmal verdeutlicht.
Ich wünsche Ihnen viele interessante Anre-
gungen bei diesem Beitrag und dem ebenso
spannenden Text von Stephan Bartelt und
Hans-Jürgen Wieben „Ganzheitliches Risiko-
management nach ISO 31000 im mittelständi-
schen Maschinen- und Anlagenbau“. //
Prof. Dr. Werner Gleißner
TOP
EVENT
10. März 2017
– Sitzung des Arbeitskreises
„Risikomanagement-Standards“ bei Airbus
in München / Ottobrunn
28. März 2017
– RMA-Regionalkonferenz in Wien
16. / 17. Oktober 2017
– 12. Risk Management
Congress
Impressum
Ralf Kimpel
Vorsitzender des Vorstands der
Risk Management Association e. V.
V.i.S.d.P.
RMA-Geschäftsstelle
Risk Management Association e. V.
Englmannstr. 2, D-81673 München
Tel.: +49.(0)1801 – RMA TEL (762 835)
Fax: +49.(0)1801 – RMA FAX (762 329)
E-Mail:
Web:
Prof. Dr. Werner Gleißner
Tel.: +49.(0)711- 79 73 58 30
CM Januar / Februar 2017
Länderrisiken und Länderrisikoprämie
Der Beitrag des Risikomanagements für eine sachgerechte Unternehmensbewertung
Prof. Dr. Werner Gleißner
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Kruschwitz/Löffler/Mandl, WPg, 2011, S. 167-176; Ernst/Gleißner, WPg, 2012, S. 1252-1264 und Gleißner,
in: Peemöller, V. H. (Hrsg.): Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 2015, S. 855-895.
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