personalmagazin praxisratgeber unique 1/2017 - page 16

personalmagazin 01/17
16
PRAXISRATGEBER
_WERKVERTRAG
D
ie infolge der AÜG-Reform zu-
nehmende Komplexität der Ar-
beitnehmerüberlassung wird
Kundenunternehmen der Per-
sonaldienstleister häufiger über Alterna-
tiven nachdenken lassen. Zuvorderst wird
hierbei immer der Werkvertrag genannt.
Dadurch sollen Teilfunktionen oder ein-
zelne Produktionsschritte auf einen
Dritten – den Auftragnehmer – verlagert
werden. Der Auftragnehmer erbringt die-
se auf ihn übertragene Teilfunktion („In-
house Outsourcing“) sodann zumeist in
den Räumlichkeiten des Unternehmens.
Werkverträge: Reform bringt Risiko
Ursprünglich hatte der Gesetzgeber gera-
de solche Formen als Umgehung des Ar-
beitnehmerüberlassungsgesetzes iden-
tifiziert und wollte daher – so die klare
Zielsetzung noch im Koalitionsvertrag
der amtierenden Bundesregierung – die
Wesensmerkmale eines rechtssicheren
Werkvertrags restriktiv und im Detail ge-
setzlich regeln. Von diesem gesetzgeberi-
schen Willen ist in dem AÜG-Reformpa-
ket nahezu nichts übrig geblieben.
Eine gesetzliche Änderung führt indes
dazu, dass die scheinbare Alternative
„Werkvertrag“ ab dem 1. April 2017 für
Unternehmen als vermeintliche Auftrag-
geber deutlich risikobehafteter ist, als bis-
lang. So führt zukünftig die Identifikation
eines Scheinwerkvertrags in jedem Fall
dazu, dass zwischen dem Unternehmen
und dem bei diesem eingesetzten Mit-
arbeiter ein Arbeitsverhältnis entsteht.
Der Mitarbeiter geht also – rückwirkend
Von
Oliver Bertram
Mehr Komplexität, mehr Risiko
TREND.
Anlässlich der AÜG-Reform könnte bei Unternehmen der Reflex wiederkehren,
vermehrt Werkverträge zu nutzen. Deren Anwendung ist jedoch riskant und komplex.
auf den Zeitpunkt der erstmaligen Um-
setzung des Scheinwerkvertrags - auf das
beauftragende Unternehmen über.
In der Folge realisiert sich sodann eine
ganze Reihe von Risiken, insbesondere
für das Unternehmen. Dieses steht nicht
nur in einem ungewollten Arbeitsverhält-
nis mit dem Mitarbeiter. Zugleich stehen
demMitarbeiter auf Equal-Pay-Basis gege-
benenfalls Nachvergütungsansprüche ge-
gen das Unternehmen zu. Bereits mit der
Entstehung dieser Nachzahlungsansprü-
che verbunden ist auch die Verpflichtung
zur Abführung von Sozialversicherungs-
beiträgen für diesen Mitarbeiter. Wenn
das Unternehmen aber die Art und Weise
des Tätigwerdens der im Rahmen eines
Scheinwerkvertrags eingesetzten Mitar-
beiter kannte – wenn es also die Umstän-
de kannte, die letztendlich dazu geführt
haben, dass der Einsatz des Fremdperso-
nals als eine Arbeitnehmerüberlassung
zu qualifizieren ist –, handelte es im Hin-
blick auf die Fehlqualifizierung der Ein-
satzform vorsätzlich. Dies setzt sodann
den Kunden nach § 266a StGB dem Risiko
einer Strafverfolgung aus.
Was einen Werkvertrag ausmacht
Ein nicht rechtssicher aufgesetzter und
vor allem durchgeführter Werkvertrag
trägt demnach nicht nur ein monetäres
Nachzahlungsrisiko in sich. Das wesent-
liche Risiko einer fehlerhaften Vertrags-
gestaltung liegt in der Strafbarkeit der
handelnden Personen sowie der gesell-
schaftsrechtlichen Organe des Unter-
nehmens, also der Geschäftsführer oder
Vorstände. Dies ist Grund genug, sich
mit den Kriterien eines rechtssicher
gegenüber einer verdeckten Arbeitneh-
merüberlassung abgegrenzten Werkver-
trags auseinander zu setzen.
Merkmal 1: Eigenständig leisten
Wesentlichstes Merkmal des rechtssi-
cheren Werkvertrags ist, dass der Auf-
tragnehmer weisungsfrei auf Grundlage
einer abgegrenzten, eigenständigen Leis-
tungsbeschreibung tätig wird und nicht
in die Arbeitsorganisation des Unter-
nehmens integriert ist. Ob die jeweilige
Tätigkeit diese Voraussetzungen erfüllt,
lässt sich nicht schematisch festlegen,
sondern ist anhand einer Gesamtschau
verschiedener Kriterien zu bestimmen,
die jeweils bezogen auf die einzelne Tä-
tigkeit geprüft werden müssen. Die Ab-
grenzung zwischen einem Werkvertrag
und einer Arbeitnehmerüberlassung ist
daher sehr komplex und niemals schema-
tisch durchzuführen.
Voraussetzung 1: Die präzise Leistung
Die vom Auftragnehmer zu erbringende
Leistung, so wie diese in dem Werkver-
trag definiert wurde, ist für alle Beteilig-
ten, insbesondere auch für die Mitarbei-
ter des Unternehmens, verbindlich. Es
können demnach gerade nicht flexibel
verschiedene Tätigkeiten auf den Auf-
tragnehmer übertragen werden, sondern
nur die verbindlich von Beginn an ver-
einbarten Aufgaben. Eine weitergehende
Konkretisierung der zu erbringenden
Leistung durch den Kunden ist zwar
durchaus zulässig, aber nur soweit die je-
weiligen Leistungsinhalte bereits in abs­
trakter Form in dem Projektvertrag oder
der schriftlichen Leistungsbeschreibung
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20
Powered by FlippingBook