personalmagazin 1/2016 - page 77

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01/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Zuständigkeiten der Arbeitsgerichte und
die verschiedene Bewertung von Streiks
sogar innerhalb desselben Arbeitsge-
richts sind eine hohe Hürde für eine ef-
fektive Streikabwehr der Konzerne.
Solche Hürden der Streikabwehr
spiegeln sich nicht zuletzt im starken
Selbstbewusstsein der streikenden Ge-
werkschaften. Trotz der Niederlage vor
dem Arbeitsgericht Düsseldorf setzte
zum Beispiel Ufo die Streiks an den
weiteren Tagen erfolgreich und ohne
zu zögern fort. Bundesweit agierende
Konzerne sind daher kaum in der Lage,
räumlich und zeitlich gut vorbereitete
Wellenwarnstreiks zu verhindern, so lan-
ge sich die „Fehler“ der Gewerkschaften
auf schnell behebbare formelle Aspekte
wie etwa ein zu unspezifisch formuliertes
Streikziel beziehen und zudem mehrere
Standorte in Deutschland betroffen sind.
Nebeneffekte des Eilverfahrens
Die Unterlassungsverfügung hat den-
noch sehr wertvolle Effekte. Zunächst
verdeutlicht das Unternehmen damit,
auch kampfbereit zu sein und zwingt
die Gewerkschaften zumindest dazu, die
Streikbeschlüsse formell einzuhalten
und auf die Rechtmäßigkeit von Streiks
zu achten. Besteht diese Abschreckung
nicht, muss man befürchten, dass Streik-
maßnahmen trotz entgegenstehender
Friedenspflichten oder unter Außeracht-
lassen von gewerkschaftsinternen Ab-
stimmungsvorgängen oder Satzungsvor-
gaben durchgeführt werden.
Daneben besteht zumindest die
Möglichkeit, die Tarifvertragspartner
an einen Tisch zu zwingen, wenn in
Streiksituationen die Fronten verhärtet
sind und Termine für Verhandlungen
abgesagt werden. Im einstweiligen
Unterlassungsverfahren besteht eine
Teilnahmepflicht, wonach sich Unter-
nehmen und Gewerkschaften in der Re-
gel nicht nur durch Anwälte vertreten
lassen können, sondern selbst präsent
sein müssen. Dabei öffnet sich auch die
Option, neben der konkreten Streikfrage
weitere Punkte der Tarifauseinanderset-
BERND PIRPAMER
ist
Rechtsanwalt und Head of
Industrial Relations bei
Eversheds in München.
zung zu beleuchten und gegebenenfalls
wieder einen Weg zurück an den Ver-
handlungstisch zu finden.
Schließlich werden in den Unterlas-
sungsverfügungsverfahren wichtige
rechtliche Vorfragen für nachfolgende
Gerichtsverfahren geklärt. Das Unterlas-
sungsverfügungsverfahren ist zwar ein
Eilverfahren und es erfolgt eine ober-
flächlichere Betrachtung der Sach- und
Rechtsfragen. Dennoch: Am Ende stehen
richterliche Einschätzungen zu wichtigen
Fragen – etwa ob die Gewerkschaft oder
die Vertreter schuldhaft gehandelt haben.
Alternativen zum Gerichtssaal
Anstelle des gerichtlichen Verfahrens
können sonstige Maßnahmen oder
Konzepte bei der Streikabwehr helfen.
Deren Tauglichkeit ist jedoch nicht für
jedes Unternehmen und jeden Verband
einheitlich zu beurteilen. Ein wichtiger
Aspekt ist die organisatorische Aufstel-
lung im Unternehmen. Unternehmen,
die von Streikmaßnahmen betroffen
sind, bilden sehr häufig eine Art „Streik-
abwehrteam“ oder „Tarifteam“, das sich
aus Entscheidern und externen sowie
internen Fachleuten zusammensetzt.
Empfehlenswert ist, diese Teams als
dauerhafte Institution einzurichten. Der
Vorteil: Diese Teams bauen über die Zeit
unternehmensbezogenes Spezialwissen
auf, sodass man bei kurzfristig anbe-
raumten Warnstreikaktionen schnell
und effektiv arbeiten kann.
Daneben kann auch mit weiteren Ge-
richtsverfahren gearbeitet werden. In
einem Hauptsacheverfahren können die
Rechtmäßigkeit des Streiks geklärt und
gegebenenfalls auch Schadensersatzan-
sprüche gegen die Gewerkschaften und
deren Vertreter verfolgt werden. Dies be-
einflusst durchaus das Verhandlungsver-
halten der Tarifvertragsparteien.
Häufig unterschätzt wird die vorhe-
rige Verhandlung und Vereinbarung
von Notdiensten. Hierbei vereinbaren
Gewerkschaften und Unternehmen, dass
gewisse Tätigkeiten trotz des Streiks fort-
geführt werden, um unverhältnismäßige
Streikschäden zu verhindern. In diesem
Zusammenhang ist auch eine frühzeitige
Einbindung von Kunden sinnvoll, um
auf deren Seite mögliche Schäden, Re-
gressforderungen oder Vertragsstrafen
zu verhindern und damit letztlich auch
die „Erpressbarkeit“ des Unternehmens
durch immer neue Streiks zu mildern.
Eine der effektivsten Streikabwehr-
maßnahmen ist der Einsatz von ei-
genen arbeitswilligen Mitarbeitern,
Zeitarbeitnehmern, der Fremdvergabe
von Tätigkeiten oder eine geschickte
Standortpolitik, um den Streik im Ergeb-
nis ins Leere laufen zu lassen. Daneben
können Anwesenheitsprämien, Betriebs-
stilllegungen und Aussperrungen im
Einzelfall überlegt werden, die je nach
Eskalationsstufen rechtmäßig durchge-
führt werden können. Wichtig ist dabei
eine strategische Unternehmenskom-
munikation – Pressearbeit während des
Streikgeschehens ist eine der Schlüssel-
funktionen, die rechtlich einwandfrei
abgeklärt sein muss.
Zum Abschluss sei auf den goldenen
Schlüssel der dauerhaften Streikabwehr
hingewiesen: das Verhandeln und der
Abschluss des Tarifvertrags während der
Friedenspflicht oder streikfreien Zeit.
Diesgelingt häufig durch Schlichtungsab-
kommen und eine geschickte frühzeitige
Verhandlungsweise. Sobald erste Anzei-
chen einer bevorstehenden Tarifrunde
und gegebenenfalls auch einer Eskalation
absehbar sind, müssen die Tarifvertrags-
parteien an den Tisch und einen ge-
meinsamen Fahrplan für Gespräche und
Verhandlungen abstimmen.
Mustertext
Abmahnung wegen Teilnahme
an einem rechtswidrigen Streik (HI737951)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
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