personalmagazin 9/2016 - page 72

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RECHT
_SCHADENERSATZ
personalmagazin 09/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
A
uf leisen Sohlen wurde zum
1. Juli 2016 eine kleine, aber
feine Regelung wirksam: Sie
sieht unscheinbar aus, kann
aber im Einzelfall große Wirkung ha-
ben. Es wird – möglicherweise – teuer,
wenn etwa die Entgeltabrechnung ver-
zögert beim Mitarbeiter auf dem Konto
eintrifft. Millionen an Abrechnungen
laufen pünktlich und präzise – aber es
kann mal was daneben gehen. Es kommt
in den besten Häusern vor, dass die Zah-
lungsläufe des Unternehmens oder die
Zahlungs- und Verteilkreise der Banken
irgendeine Unwucht haben und daher das
Entgelt zum Beispiel einen Tag verspätet
auf dem Konto des Mitarbeiters gutge-
schrieben wird. Dabei schreibt etwa der
Manteltarifvertrag der Metallindustrie
Baden-Württemberg vor: „Den Beschäf-
tigtenmuss das Monatsentgelt spätestens
am letzten Arbeitstag des Kalendermo-
Von
Rupert Felder
nats zur Verfügung stehen.“ Erst die
Arbeit, dann das Geld. Synallagma,
Austauschverhältnis, nennen das Ju-
risten.
Wenn jedoch der Arbeitgeber diese fäl-
lige Forderung nicht oder nicht vollstän-
dig – also nicht pünktlich – erfüllt, dann
gerät er in aller Regel in den Schuldner-
verzug. Das regelt § 288 Abs. 5 BGB, der
seit Juli auch für Schuldverhältnisse,
also auch für Arbeitsverträge, gilt, die
vor dem 28. Juli 2014 begründet wurden.
Pauschaler Schadenersatz bei Verzug
Dieser neu geregelte Schuldnerverzug
führt zu einem pauschalen Schadener-
satz von 40 Euro. Bislang schon konnten
durch solche Sachverhalte entstandene
Schäden (etwa Rücklastgebühr oder
Verzugszinsen bei Darlehen) geltend
gemacht werden. Das war mühsam und
eher abschreckend. Jetzt steht Arbeit-
nehmern die Pauschale zu. Das kann
sich in größeren Betrieben summieren.
Dazu sind jedoch einige Vorausset-
zungen notwendig: Es muss sich um eine
Entgeltforderung handeln, also nicht um
Reisekosten oder andere Zahlungen. Und
es muss ein Verzug des Arbeitgebers als
Schuldner vorliegen. Das ist bei kalen-
dermäßig bestimmten Forderungen ein-
fach. Ansonsten gilt § 614 Satz 2 BGB. Es
bedarf bei kalendermäßig bestimmten
Fälligkeiten keiner Mahnung, der Ver-
zug tritt die logische Sekunde später ein.
Diese Forderung kann auch nicht durch
Vereinbarung ausgeschlossen werden.
Aber: Sie muss geltend gemacht werden,
ist also nicht automatisch zu zahlen. Ge-
werkschaften und Betriebsräte werden
jedoch – wenn nötig – Wege finden, um
„Massenforderungen“ zu mobilisieren.
Der Verzug tritt nicht ein, wenn ihn
der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat.
Zahlungsschwierigkeiten reichen nicht
aus, Fehler in den Abläufen riechen nach
Organisationsverschulden. Verpflichtet
bleibt der Arbeitgeber auch, wenn er
sich Banken bedient und deren Geldflüs-
se und Datenströme nicht beeinflussen
kann. Hier hilft es nur, das Entstehen der
40-Euro-Forderung in die Verträge mit
den Dienstleistern einfließen zu lassen.
Ob das Ganze eine Flut an Forderungen
auslöst? Betriebsrat oder Gewerkschaf-
ten informieren jedenfalls über den An-
spruch; es dürfte Konflikte geben. Zumal
nach (bisheriger Einzel-)Meinung des
Arbeitsgerichts Düsseldorf § 288 Absatz
5 BGB im Arbeitsverhältnis nicht an-
zuwenden ist. Zumindest schließe § 12
Arbeitsgerichtsgesetz einen Schadenser-
satz aus. Letztlich hat der Gesetzgeber die
Pauschale eingeführt, weil die Zahlungs-
moral unter Vertragspartnern nicht die
beste ist. Das ist im arbeitsvertraglichen
Austauschverhältnis aber ganz anders.
Wird’s jetzt teurer?
GESETZ.
Gehen Entgeltzahlungen zu spät auf dem Konto
des Mitarbeiters ein, steht ihm Schadenersatz zu. Eine
Pauschale erleichtert nun dessen Geltendmachung.
RUPERT FELDER
ist Senior
Vice President Global HR bei
der Heidelberger Druckma-
schinen AG und Vizepräsident
des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in
Unternehmen (BVAU).
Frist verpasst? Bei verspäteter Entgelt­
zahlung droht pauschaler Schadenersatz.
© SINISA BOTAS / SHUTTERSTOCK.COM
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