PERSONALquarterly 2/2016 - page 29

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02/16 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Wie können Betriebe Erfahrungen aus der Berufsausbildung für die Kom­
petenzanpassung von Quereinsteiger/-innen nutzen?
Methodik:
Fachkräftestudie Landwirtschaft Sachsen-Anhalt 2014; Expertengespräche mit
Betriebsleiter/-innen sowie mit Ausbilder/-innen.
Praktische Implikationen:
Qualifikationen und berufliche Erfahrungen von
Quereinsteiger/-innen sind meist schlecht dokumentiert oder nicht durch Zertifizierungen
erkennbar. Zur Einarbeitung und Integration dieser Beschäftigten bietet sich ein Rückgriff
auf Erfahrungen aus der Berufsausbildung an.
und -sicherung in der Zukunft (siehe dazu Winge, 2015).
Der Anteil der über 54-jährigen ständig Beschäftigten ist in
den vergangenen Jahren stetig gewachsen und lag im Jahr 2010
bei ca. 30 Prozent. Demgegenüber stehen die ständig Beschäf-
tigten unter 35 Jahre mit einem Anteil von knapp 18 Prozent.
Das Verhältnis von jüngeren zu älteren Beschäftigten ist
folglich stark unausgewogen. Dementsprechend erreichen in
Sachsen-Anhalt in den Jahren zwischen 2010 und 2020 etwa
30 Prozent der ständig Beschäftigten das rentenfähige Alter.
Die Fachkräfteanalyse des ZSH aus dem Jahr 2014 projiziert
daraus einen Ersatzbedarf von circa 5.000 Beschäftigten. Die
Land- und Tierwirte sind gut qualifiziert. Mit einem Anteil von
etwa 71 Prozent der Beschäftigten mit Facharbeiterabschluss
und darauf aufbauender Qualifikation spielt Berufsausbildung
bei der Deckung des Fachkräftebedarfs in der Landwirtschaft
Sachsen-Anhalts also eine große Rolle. Aufgrund rückläufiger
Ausbildungszahlen in den letzten Jahren ist mit einer Lücke
von 1.000 Facharbeitern zu rechnen, die nicht mehr durch
Berufsausbildung zu ersetzen sind.
Aufgrund der demografischen Entwicklung und der sich da-
raus ergebenden Fachkräftesituation kommen seit einiger Zeit
neue Personengruppen als Arbeitskräftepotenzial in den Blick
der Betriebe, die sogenannten Quereinsteiger/-innen. Hierun-
ter zählen Menschen mit nichtlandwirtschaftlichen Berufsab-
schlüssen, Menschen ohne Berufsausbildung und zunehmend
auch ausländische Fachkräfte (siehe Grafik 3) mit anderen
Vorqualifikationen als der in Deutschland erworbenen dualen
Berufsausbildung oder dem Studienabschluss deutscher Fach-
und Hochschulen.
Aufgrund der Arbeitsmarktlage entscheiden sich immer mehr
landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen-Anhalt zur Einstellung
von Bewerber/-innen, die neue Herausforderungen bei der Einar-
beitung und Integration im Unternehmen mitbringen. Da beruf-
liche Vorbildungen und Berufserfahrungen der Bewerber/-innen
unbekannt und schwer aus den mitgebrachten Zertifikaten zu
erlesen sind, werden andere Einarbeitungsformen erforderlich.
Erfahrungen aus der Berufsausbildung nutzen
Die Berufsausbildung ist in Deutschland gut organisiert und sys­
tematisiert. Bestehende Ausbildungsstrukturen in den Betrie-
Betriebe häufig vor allem nach technisch-ökonomistischem
Verständnis geführt (Denisow u.a., 1995). Personalentwick-
lung gibt es oft nur in Einzelfällen als Insellösungen.
3. Eine besondere Herausforderung besteht seit einigen Jah-
ren in dem Wandel der Anforderungen an Personalarbeit vom
Personalabbau zum Personalaufbau. Qualifizierung erhält in
Zeiten verknappender Fachkräfteangebote einen besonderen
Stellenwert (Wiekert u.a., 2015).
Die drei Herausforderungen münden in unserem Untersu-
chungsfeld in einen Lernprozess, dessen erste Erkenntnisse und
Erfahrungen wir hier beispielhaft für KMU zusammentragen.
Vom Personalüberschuss zu Personalknappheit: das Beispiel
Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt
ImFolgenden soll exemplarisch amBeispiel der Landwirtschaft
in Sachsen-Anhalt dargestellt werden, wie in KMU durch de-
mografische Veränderungen neue Mitarbeitergruppen in den
Blick kommen, die andere Kompetenzen und einen anderen
kulturellen Hintergrund mitbringen und somit auch anders
im Betrieb eingearbeitet und integriert werden müssen, als das
bisher typischerweise aufgrund der Facharbeiterausbildung
bei Schulabgänger/-innen aus dem deutschen Schulsystem der
Fall war. Dabei ist die Struktur der landwirtschaftlichen Un-
ternehmen kleinbetrieblich geprägt. 58 Prozent der landwirt-
schaftlichen Betriebe in Sachsen-Anhalt arbeiten im Jahr 2013
mit bis zu zwei Arbeitskräften und knapp mehr als 12 Prozent
der Betriebe beschäftigen zehn und mehr Arbeitskräfte (Quel-
le: Statistisches Landesamt 2014, Tabelle 0601 R).
Die Landwirtschaft Sachsen-Anhalts ist von den demogra-
fischen Herausforderungen durch eine hohe Überalterung in den
Betrieben in besonderer Weise betroffen. Diese Entwicklung geht
mit einem bereits spürbaren Nachwuchskräftemangel einher,
der vor allem auf sinkende Schulabgangszahlen zurückzuführen
ist. Probleme hat die Landwirtschaft auch durch die sogenannte
Landflucht, unattraktive Arbeitsbedingungen (wie Schichtar-
beit), teilweise veraltete Vorstellungen über Tätigkeiten und Be-
rufsfelder imAgrarbereich und ungünstige Verdienststrukturen.
Die nachfolgenden Beschreibungen entstammen einer 2014 in
den landwirtschaftlichen Betrieben Sachsen-Anhalts durchge-
führten repräsentativen Befragung zur Fachkräfteentwicklung
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