CONTROLLER Magazin 4/2015 - page 50

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schluss wird die Gestaltung von Strategy Maps
zur Operationalisierung der Unternehmensstra-
tegie beschrieben. Zur Umsetzung in operati-
ven Tätigkeiten wird zudem der Aufbau einer
Balanced Scorecard erläutert.
Das Fallstudienunternehmen:
Saisonale kundenindividuelle
Produktion von Genussmitteln
Bei dem betrachteten Fallstudienunternehmen
handelt es sich um einen mittelständischen Her-
steller kundenindividueller Genussmittel in Form
von Schokolade und Pralinen. Dieses Unterneh-
men wird von saisonalen Schwankungen der
Nachfrage beeinflusst. Saisonalitäten bzw. sai-
sonale Schwankungen sind sich wiederholende,
systematische, nicht zwingend gleichmäßige,
unterjährige Schwankungen von Angebot oder
Nachfrage auf Grund äußerer Einflüsse (Sembrit-
zki und Ullrich 2013, S. 3; Hylleberg 1992, S. 4).
Die Produkte werden zu einem wesentlichen
Teil als Geschenke nachgefragt, sodass sich
die Nachfrage zu den Schenkfesten Valentins-
tag, Ostern, Muttertag und Weihnachten kon-
zentriert. Nach den Schenkfesten nimmt die
Nachfrage abrupt ab und bleibt auf einem nied-
rigen Niveau bis vor dem nächsten Schenkfest.
Entsprechend der Schwankungen wird
zwischen saisonalen Hochs und Tiefs un-
terschieden.
Als saisonale Hochs werden Zeit-
räume bezeichnet, in denen Angebot bzw.
Nachfrage regelmäßig überdurchschnittlich
hoch sind. Zwischen zwei Hochs liegt ein Tief,
in dem Angebot bzw. Nachfrage niedrig sind
(Sembritzki und Ullrich 2013, S. 6ff.).
Von den Kunden wird eine kurze Lieferzeit von
wenigen Tagen erwartet. Die Auslieferung zum
Kunden muss spätestens zum Schenkfest er-
folgen, da die Produkte für den Kunden sonst
drastisch an Wert verlieren. Die Hochs sind auf
bestimmte Wochen vor den Schenkfesten kon-
zentriert. Der Umsatz während dieser Zeiträume
ist entscheidend für den Unternehmenserfolg.
Besonderheiten in der Produktion
Die Produktion des Fallstudienunternehmens
ist
sehr personalintensiv
und erfolgt
an
mehreren Arbeitsstationen
. Der Produkti-
onsprozess besteht aus einer Abfolge von Ar-
beitsschritten, deren minimale Bearbeitungs-
zeiten die Mindest-Produktionsdauer ergeben.
Die Produktionsdauer ist wesentlicher Be-
standteil der Lieferzeit. In die Lieferzeit fließt
außerdem die Dauer der Auftragsweitergabe
von Auftragseingang bis zum Start der Pro-
duktion ein. Darüber hinaus beeinflussen die
Zustelldauer der Logistikdienstleister die Lie-
ferzeiten. Verzögerungen der Lieferzeiten kön-
nen durch Probleme in der Auftragsweiterga-
be, in der Produktion sowie in der Abholung
und in der Auslieferung durch den Logistik-
dienstleister begründet sein.
Wesentliches Merkmal der Produkte sind
die kundenindividuelle Zusammenstellung
und die begrenzte Haltbarkeit.
Eine Vorpro-
duktion der Produkte ist für Standardprodukte
bzw. einzelne Komponenten begrenzt möglich.
Die Vorproduktion kann nur für den sicheren
Teil der Nachfrage erfolgen, da Restbestände
der begrenzt haltbaren Fertigprodukte nach
Ende des Hochs nicht abgesetzt werden kön-
nen. Die Produktion muss zum überwiegenden
Teil zum Zeitpunkt der Nachfrage stattfinden
und kurzfristig und flexibel auf Nachfragewün-
sche reagieren.
Für die Erfüllung aller Nachfragewünsche muss
laufend eine Vielzahl von Rohstoffen und Mate-
rialien vorgehalten werden. Dabei müssen die
Lieferfristen, die für einzelne Rohstoffe oder
Materialien mehrere Tage oder Wochen betra-
gen, berücksichtigt werden. Dies gilt besonders
für Hochs, da in diesen Zeiträumen auch die
Zulieferer von starker Nachfrage betroffen sein
können. Rechtzeitige Lieferungen sind in die-
sen Zeiträumen nur begrenzt oder gar nicht
möglich.
Die Produktionskapazitäten werden durch die
Anzahl der Mitarbeiter festgelegt. Zur Sicher-
stellung der Qualität und Einhaltung der zeitlich
aufeinander abgestimmten Produktionsabläu-
fe sind laufend ausreichend qualifizierte Fach-
kräfte notwendig. Zur Verlagerung von Kapazi-
täten zwischen einzelnen Aufgaben innerhalb
der Produktions- und Versandprozesse können
Mitarbeiter in wenigen Tagen in neue Bereiche
eingearbeitet werden. In Hochs stellt die Ein-
haltung der kurzen Lieferfristen trotz starker
Kapazitätsauslastung die zentrale Herausforde-
rung dar.
Während der saisonalen Tiefs
stellt die ausreichende Auslastung der vor-
handenen Kapazitäten die wesentliche He-
rausforderung dar.
Je niedriger die Auslas-
tung, desto höher die Kosten im Vergleich zu
den Umsätzen. Bei zu geringer Auslastung
kann der Kostenblock während der Tiefs dazu
führen, dass das Jahresergebnis trotz hoher
Umsätze und Gewinne während der Hochs ne-
gativ ausfällt.
Strategy Map zur Operationali-
sierung der Strategie
Für die Darstellung und Operationalisierung der
Strategie des Genussmittelherstellers wird das
Konzept der Strategy Map herangezogen. Da-
bei werden die saisonalen Rahmenbedingun-
gen berücksichtigt. Eine Strategy Map stellt die
zentralen Ziele im Rahmen der Unternehmens-
strategie in mehreren Perspektiven dar. Das
betrachtete Unternehmen verfolgt die Strate-
gie, mit einem starken Kundenfokus alle indivi-
duellen Kundenwünsche mit kurzen Lieferzei-
ten und hoher Produktqualität zu befriedigen.
Dies soll die langfristige Marktführerposition
sichern und den Zugang zu neuen Märkten er-
möglichen.
Zum Aufbau einer Strategy Map sind zunächst
die Perspektiven unter Berücksichtigung der
Rahmenbedingungen auszuwählen (Kaplan und
Norton 2004; Horváth 2011). Die Auswahl der
Perspektiven erfolgt unternehmensindividuell
entsprechend der zentralen Herausforderungen
und Ziele des Unternehmens (Horváth 2011, S.
232ff.). Für den Genussmittelhersteller sind
dies die Perspektiven Mitarbeiter, Prozesse,
Produktion, Kunden und Finanzen. Mitarbeiter
stellen das Fundament der Unternehmensaktivi-
täten dar, die das Funktionieren der Prozesse
und der Produktion sicherstellen. Die Prozesse
schließen besonders
die Abstimmung zwi-
schen den internen sowie mit externen
Stellen, z. B. Kunden und Lieferanten, ein.
Im Mittelpunkt der Unternehmensaktivitäten
stehen die Anforderungen der Kunden, die in
der Produktion abgebildet werden müssen. Da-
bei werden die Unternehmensaktivitäten so
ausgerichtet, dass die übergeordneten finan-
ziellen Unternehmensziele erreicht werden.
Performance Measurement für saisonale Unternehmen
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