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PRAXISRATGEBER
_MARKTBETRACHTUNG
U
m die Zeit des Jahreswech-
sels haben sich schon häufi-
ger die Rahmenbedingungen
in der Zeitarbeit teils erheb-
lich verändert: Ein größerer Wandel fand
beispielsweise mit den Hartz-Gesetzen
zum Januar 2003 statt. Zum Dezember
2011 hat der Gesetzgeber die europä-
ische Zeitarbeitsrichtlinie umgesetzt.
Ein Schwerpunkt damals: der Zugang zu
Gemeinschaftseinrichtungen im Einsatz-
unternehmen sowie Informationspflich-
ten gegenüber dem Zeitarbeitnehmer.
Im Januar 2012 folgte erstmals auf Basis
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
(AÜG) eine Lohnuntergrenze, die für
allgemeinverbindlich erklärt wurde. Die
Tarifvertragspartner – Arbeitgeberver-
bände und Gewerkschaften – legen dabei
fest, wie hoch der Branchen-Mindestlohn
Von
Michael Miller
(Red.)
Branche bleibt flexibel
TREND.
Immer wieder rückt die Zeitarbeit in den Fokus politischen Handelns. Durch
die AÜG-Reform wird die Branche ihre Anpassungsfähigkeit erneut beweisen müssen.
sein soll. Im November 2012 dann ein
großer Einschnitt: die Einführung der
Branchenzuschläge (siehe Kasten). Und
nicht zuletzt: Seit Januar 2014 – also ein
Jahr vor dem allgemeinen gesetzlichen
Mindestlohn – steigt die Lohnuntergren-
ze der Branche auf 8,50 Euro in West-
deutschland. Zugegeben: Eine wichtige
gesetzliche Vorgabe, die sogenannte „Lex
Schlecker“, will nicht recht ins Bild des
Jahreswechsels passen. Das Gesetz war
ab April 2011 wirksam und sollte vermei-
den, dass Unternehmen eine sogenannte
„Drehtür-Klausel“ einsetzen.
Neben all diesen Entwicklungen ge-
noss und genießt die Zeitarbeitsbranche
immer wieder hohe Aufmerksamkeit in
Berlin. Kaum eine andere Branche wird
derart sorgfältig und regelmäßig von
der Politik beobachtet und kommentiert.
Und: Nicht selten stellen einige Akteure
die Branche in einem zweifelhaften Licht
dar. Die Schwierigkeit dabei: Diese Art
der Diskussion überlagert oft jegliche
sachliche Auseinandersetzung und sorgt
für ein einseitiges Bild. Zumal die über-
proportional hohe Aufmerksamkeit auch
verwundert, beträgt der Anteil von Zeit-
arbeitnehmern im Vergleich zu allen Be-
schäftigten lediglich 2,6 Prozent (2015).
In absoluten Zahlen also: 951.000 Zeitar-
beitnehmer gegenüber 36,15 Millionen
Beschäftigten insgesamt, wie die Bundes-
agentur für Arbeit (BA) in deren Bericht
zum Arbeitsmarkt feststellt.
Und es gibt auch eine andere Seite.
Kürzlich hatte das Institut für Arbeits-
markt- und Berufsforschung (IAB) bei-
spielsweise einen der positiven Effekte
der Branche herausgearbeitet: Zeitar-
beit kann ein Sprungbrett in reguläre
Beschäftigung sein, stellten die IAB-
Forscher fest. Ein weiterer positiver
Aspekt: Zeitarbeit ist als Flexibilisie-
rungsinstrument der Unternehmen ge-
fragt wie selten zuvor. „Die Anzahl der
Leiharbeitnehmer ist im langfristigen
Vergleich in der Tendenz mit hoher Dy-
namik gewachsen“, stellte die BA in dem
aktuellen Bericht für das Jahr 2015 über
die Zeitarbeitsbranche fest.
Dennoch griff die Regierung erneut
ein und pochte auf die Reform des AÜG.
Der Inhalt: Themen, wie Überlassungs-
höchstdauer, Equal Pay oder Werkverträ-
ge restriktiver regulieren.
Branchenzuschläge als Paradebeispiel
Dabei sind gerade die Ende 2012 ein-
geführten Branchenzuschläge ein an-
schauliches Beispiel dafür, dass sich
die Branche auch selbstständig an neue
In immer mehr Branchen gelten besondere Zuschläge für Zeitarbeitnehmer. Durch
dieses Instrument steigt dessen Gehalt mit zunehmender Einsatzdauer.
Im System der Tarifverträge über Branchenzuschläge gilt zunächst der allgemeine
tarifliche Grundlohn. Dieser wird bei ununterbrochener Beschäftigung im Einsatzunter-
nehmen meist in fünf Stufen aufgestockt. Je länger der Einsatz dauert, desto höher der
Zuschlag. In der Metall- und Elektroindustrie beispielsweise – der ersten Branche, in der
die Tarifpartner im November 2012 Branchenzuschläge vereinbarten – steigen die Löhne
der Zeitarbeiter erstmals nach sechs Wochen Einsatz um 15 Prozent. In der letzten Stufe
(nach neun Monaten) verdienen Zeitarbeiter 50 Prozent mehr. Die Möglichkeit, Zuschlä-
ge zu deckeln, verhindert höhere Einkommen als bei Stammmitarbeitern.
Was Branchenzuschläge bedeuten
GRUNDLAGE
Verbot der Arbeitnehmerüber-
lassung im Bauhauptgewerbe
1982
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...20
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