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PRAXISRATGEBER
_AÜG-REFORM
Herausforderung für Kunden wie Per-
sonaldienstleister darin liegen, das Ver-
gleichsentgelt zu ermitteln.
Sanktion:
Ein Verstoß gegen die Equal-
Pay-Vorgaben spüren vor allem die
Personaldienstleister. Es drohen Nachzah-
lungsansprüche des Zeitarbeitnehmers,
eine Geldbuße bis zu 500.000 Euro und
der Widerruf der Überlassungserlaubnis.
Kennzeichnungspflicht:
Risiko der verdeckten Überlassung
Eine andere Regelung mag wie eine einfa-
che Formalie wirken, birgt jedoch mäch-
tig Zündstoff. Verkürzt kann man sagen:
„Wo Arbeitnehmerüberlassung drin ist,
muss künftig auch Arbeitnehmerüber-
lassung draufstehen.“ Der Gesetzgeber
verwendet dafür folgende Formulierung:
Nach § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG haben Per-
sonaldienstleister und Einsatzunterneh-
men ihren „Vertrag ausdrücklich als Ar-
beitnehmerüberlassung zu bezeichnen,
bevor sie den Leiharbeitnehmer überlas-
sen oder tätig werden lassen.“
Auswirkungen hat dies insbesondere
auf diebislangnochmögliche sogenannte
Vorratserlaubnis oder Fallschirmlösung.
Dabei handelt es sich um Sachverhalte,
bei denen Unternehmen einen Dienst-
leister via Werk- oder Dienstvertrag ein-
binden. Da die rechtliche Abgrenzung
zur Arbeitnehmerüberlassung im Ein-
zelfall komplex und auch von Juristen
nicht immer eindeutig zu beantworten
ist, haben Dienstleister bislang häufig
eine Arbeitnehmerüberlassungserlaub-
nis als Sicherheitsfallschirm beantragt.
Denn: Entpuppte sich die Zusammenar-
beit nicht als Werkvertrag, sondern als
Arbeitnehmerüberlassung, war diese
sogenannte „verdeckte Arbeitnehmer­
überlassung“ dank der Erlaubnis als
klassische Zeitarbeit wirksam.
Diese Sicherheitsvariante fällt nun
weg, da der Gesetzgeber die verdeckte
Arbeitnehmerüberlassung sanktionieren
möchte. Unternehmen und Dienstleister
müssen es nun von Beginn an kenn-
zeichnen, wenn sie die Variante „Arbeit-
nehmerüberlassung“ wählen. Das macht
Werkverträge, die in der Praxis – bewusst
oder unbewusst – als Arbeitnehmerüber-
lassung gelebt werden, riskanter als bis-
lang. Aber auch ohne den Umweg über
den Werkvertrag gilt: Arbeitnehmerüber-
lassung muss künftig immer als solche
gekennzeichnet werden.
Sanktion:
Ohne eine Kennzeichnung ist
– neben einem Bußgeld – der Arbeitsver-
trag zwischen Personaldienstleister und
Zeitarbeitnehmer unwirksam und es
wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Ein-
satzunternehmen und Zeitarbeitnehmer
fingiert. Letzterer kann dieser Sanktion
unter bestimmten Voraussetzungen und
innerhalb bestimmter Fristen widerspre-
chen (siehe Festhaltenserklärung).
Kettenüberlassung:
Verbot wird gesetzlich fixiert
Auch wenn es bislang bereits gängige
Praxis der Bundesagentur für Arbeit war,
den sogenannten Kettenverleih zu un-
tersagen, hat es der Gesetzgeber nun im
AÜG klargestellt: „Die Überlassung und
das Tätigwerdenlassen von Arbeitneh-
mern als Leiharbeitnehmer ist nur zuläs-
sig, soweit zwischen dem Verleiher und
dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsver-
hältnis besteht“, § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG.
Die Zwischen- oder Weiterverleihung ist
künftig also gesetzlich untersagt.
Sanktion:
Beim Verstoß gegen diese Vor-
gabe droht – wie so häufig – ein Bußgeld
bis zu 30.000 Euro.
Arbeitskampf:
Zeitarbeitnehmer keine Streikbrecher
Nach dem neuen § 11 Abs. 5 AÜG darf
der Zeitarbeitnehmer nicht tätig werden,
wenn der Einsatzbetrieb „unmittelbar
durch einen Arbeitskampf betroffen ist“.
Dies gilt unabhängig von einer mögli-
chen Einwilligung. Ausnahme: Wenn
keine Tätigkeiten übernommen werden,
die bisher Arbeitnehmer erledigt haben,
die sich im Arbeitskampf befinden. Aller-
dings ist der Zeitarbeitnehmer nicht zum
Einsatz beim bestreikten Unternehmen
verpflichtet und kann die Arbeitsleistung
verweigern. Darauf muss der Personal-
dienstleister auch hinweisen.
Sanktion:
Bei einem Einsatz trotz Streik
droht dem Einsatzunternehmen ein Buß-
geld – bis zu 500.000 Euro.
Betriebsrat:
Informationspflichten klarer gefasst
Auch außerhalb des AÜG hat der Gesetz-
geber Änderungen im Zusammenhang
mit der Arbeitnehmerüberlassung vorge-
nommen. Sie betreffen vor allem Unter-
Zeitarbeitnehmer sind künftig bei der Berechnung von Schwellenwerten mitzuzählen.
Dies kann für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und damit für die Organisation
und Steuerung einer Gesellschaft natürlich Auswirkungen haben.
Der Gesetzgeber schreibt bei den Schwellenwerten eine bestehende Tendenz – in
diesem Fall vorgegeben durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – fest:
Künftig sind nach § 14 AÜG Zeitarbeitnehmer für die Berechnung der Schwellenwerte
des BetrVG und bei der Unternehmensmitbestimmung – hier aber erst ab einer Einsatz-
dauer von sechs Monaten – zu berücksichtigen. Künftig haben Arbeitnehmer also bereits
dann ein Mitbestimmungsrecht nach dem Drittelbeteiligungsgesetz, wenn eigene und
Zeitarbeitnehmer zusammen die 500-Mitarbeiter-Schwelle überschreiten. Gleiches
gilt für das Mitbestimmungsgesetz: Der Aufsichtsrat ist paritätisch zu bilden, sollte das
Unternehmen mehr als 2.000 Mitarbeiter, eigene und Zeitarbeitnehmer, beschäftigen.
Zeitarbeitnehmer zählen künftig mit
SCHWELLENWERTE
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