Wirtschaft und Weiterbildung 5/2019 - page 62

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wirtschaft + weiterbildung
05_2019
Stefanie Hornung
hot from the US
Müssen Innovationstreiber immer aus Start-ups
kommen? Nein, sagen die beiden US-amerika-
nischen Unternehmensberater Todd Hewlin und
Scott Snyder in ihrem neuen Buch „Goliath‘s
Revenge“. Die Botschaft: Die Zeit ist reif, die Start-
up-Szene mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Größe, Reichweite, Daten und Fachwissen – Kon-
zerne haben dafür beste Ausgangsbedingungen.
Goliath‘s Revenge liefert einen sehr praktischen
Leitfaden, wie Führungskräfte etablierter Unterneh-
men das „Silicon Valley Playbook“ neu schreiben
können. Beispiel Automobilindustrie: Die digitale
Zukunft liegt im Elektroauto, im autonomen Fahren
und im Sharing. General Motors ist den Autoren
zufolge das gelungen, was sie eine „Big I“-Wette
nennen: Mit dem Zukauf von Cruise Automation, der
gescheiterten Carsharing-Firma Sidecar und Mit-
fahrgelegenheiten-Anbieter Lyft ging der Automobil-
gigant von der Verteidigung in die Angriffshaltung
über.
Goliath‘s Revenge liefert einen Insiderblick darauf,
wie Branchenführer – darunter auch die Nasa, The
Weather Channel, Hitachi, Mastercard, Proctor &
Gamble, Penn Medicine, Discovery und Cisco –
Innovationen beschleunigen, Digitalkompetenzen
aufbauen und sich selbst für das postdigitale
Zeitalter in Position bringen. In den elf Kapiteln
des Buchs präsentieren die Autoren ihre Methodik
bestehend aus „sechs Regeln“, die Topführungs-
kräfte in die richtige Spur bringen sollen:
1.
Märkte gestalten durch Kundenerlebnisse
2.
Balance zwischen Top-down- und Bottom-up-
Innovation
3.
den Wert bestehender Datenstände entfesseln
4.
Innovationen durch externe Netzwerke gezielt
beschleunigen
5.
Talente höher schätzen als Technologie
6.
den „Sinn“ betonen.
Bemerkenswert ist die große Ansammlung
konkreter Praxisbeispiele, kombiniert mit
einem Self-Assessment nach jedem Kapi-
tel. Dieses Assessment hält Fragen zur Einsatz- und
Leistungsbereitschaft bereit, die Leser auf Unter-
nehmensebene oder für sich persönlich bearbeiten
können. Die eigene Karrieresicht bekommt sogar
ein Extrakapitel mit dem Titel „Disrupt yourself“.
Fraglich ist jedoch, ob sich diese Strategie in der
Praxis so reibungsfrei fügt. Für Konzerne gilt es
vielfach noch zu beweisen, dass sie bereit sind,
verkrustete Strukturen zu hinterfragen.
Talente, die Innovation suchen, entscheiden sich
letztlich vielleicht doch für den Job bei einem wilden
Start-up. Die Netzwerke, ein starker Purpose und
echte Innovationskultur aufseiten der Konzerne
– das reicht vermutlich nicht, wenn nicht auch die
Führungsstruktur und die Entscheidungsprozesse
auf dem Prüfstand stehen. Hier wäre ein weiteres
Kapitel zielführend gewesen. Der Weckruf an die
„Riesen“ ist dennoch geglückt: Besser heute als
morgen mit dem neuen Fahrplan beginnen – die
Disruptionsuhr tickt.
Disruption
Die Start-up-Szene schlagen
Die freie Journalistin/Reporterin Stefanie Hornung hat sich auf die Themen New Work, Personalmanagement und Diversity spezialisiert. Sie gehörte viele Jahre
als Pressesprecherin zum Team der größten deutschen Personalfachmessen „Zukunft Personal“, „Personal Nord“ und „Personal Süd“. Außerdem war sie Chef­
redakteurin des Onlineportals „HRM.de“. Mail:
Foto: Ines Meier
Jean Todd Hewlin,
Scott A. Snyder:
Goliath‘s Revenge: How Esta-
blished Companies Turn the
Tables on Digital Disruptors,
John Wiley & Sons, New York
2019, 288 Seiten, 24 Euro
Nasa, Hitachi, Mastercard, Cisco,
Proctor & Gamble wehren sich.
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