WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 6/2017 - page 3

editorial
wirtschaft + weiterbildung
06_2017
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Mitte Mai gab es in Berlin einen Kongress (ab Seite 16), der den
amerikanischen Management-Vordenker James G. March (89) ehrte.
Er war der Erste, der daran zweifelte, dass Unternehmen von der Spitze
her „zweckrational“ durchorganisiert werden könnten. Die anwesenden
Experten betonten, weite Teile der Organisationstheorie Niklas
Luhmanns gehe auf March zurück. Gleichzeitig fragten sich diese
Fachleute, wie es kommen könne, dass March so unbekannt sei, obwohl
er dem berühmten Peter Drucker („Führen durch Zielvereinbarung“,
„Wissensarbeiter“, „Kernkompetenz“) ebenbürtig sei.
Der Grund ist meiner Meinung nach offensichtlich: Drucker war durch
und durch Praktiker, der sich in einer klaren Sprache verständlich
machen konnte. March dagegen ist ein sehr kluger Theoretiker, der sich
an der Schönheit und Vollkommenheit von Theoriegebäuden erfreut. In
seinen Büchern, die bahnbrechend innovative Denkanstöße enthalten,
aber schwer verständlich sind, benutzt March zu allem Überfluss auch
noch Begriffe, die auf Manager nur abschreckend wirken können. Wer
will schon hören, dass Businessprobleme und deren Lösungen in einem
„Mülleimer“ zueinander fänden („Garbage Can Model“) oder dass in
Unternehmen „organisierte Anarchie“ herrsche, sobald alles etwas
komplexer werde.
March, der auch als Nobelpreis-Anwärter gehandelt wurde, ist mit
seinem Leben wahrscheinlich sehr zufrieden. Für andere, die kluge Ideen
populär machen wollen, gilt: Nur wenn die Botschaft eines Buchs
praxisnah und so verständlich einfach wie gerade noch vertretbar ist,
kann sie bei den Lesern jene Energien freisetzen, die dazu führen, dass
nach der Lektüre auch etwas verändert wird. Die Ideen von March
hätten – knackig aufbereitet – durchaus dieses mobilisierende Potenzial.
Wenn Führungskräfte ahnten, welchen Wettbewerbsvorteil schnelles
Lernen (aus Fehlern) hat, würden sie sich freiwillig zu Arbeitsgruppen
verabreden und sich frei nach March zum Beispiel diese Frage stellen:
„Lernt unser Unternehmen eigentlich aus Erfahrungen?“.
Als Theoretiker Nutzen bieten
Viele Inspirationen mit
unserem neuen Heft
wünscht
Martin Pichler, Chefredakteur
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