Wirtschaft und Weiterbildung 09/2016 - page 3

editorial
wirtschaft + weiterbildung
09_2016
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„Focus“ und „Xing“ haben Deutschlands Personaler und Coachs gefragt,
welche Coachs sie empfehlen könnten. Daraus entstand eine Liste mit
500 Top-Coachs (Bericht ab Seite 16). Natürlich will der „Focus“ mit
dieser Aktion Geld verdienen: Wer auf der Liste steht und 5.000 Euro
im Jahr bezahlt, darf das Siegel „Top-Coach 2016 – Deutschlands beste
Coachs im Vergleich“ zu Werbezwecken nutzen.
Haarsträubend an diesem „Geschäftsmodell“ ist die Idee, eine
Empfehlung sei ein Kriterium für eine besondere Kompetenz.
Eine Empfehlung kann auf vielfältigen Gründen beruhen.
Die Vermutung liegt nahe, dass viele Coachs nur empfohlen wurden,
weil sie (zum Beispiel aufgrund einer von ihnen angebotenen
Coachingausbildung) bekannt sind.
Wie sollte die Weiterbildungsbranche nun auf diese unsachgemäße
Auswahl von Top-Coachs reagieren?
1.
Wer es nötig hat, 5.000 Euro für dieses „Siegel“ zu bezahlen, um sich
als kompetent in Szene zu setzen, sollte ausgelacht werden, wie der
Kaiser im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Auch mit Siegel ist
man nackt und jeder, der genau hinschaut, kann es sehen.
2.
Schwache Personaler, die keinen eigenen Coaching-Pool haben oder
kein Netzwerk fragen können, sondern ein „Siegel“ brauchen, um sich
beim Einkauf von Coachs abzusichern, sollten bei der nächsten
Kündigungswelle nicht mehr länger übersehen werden.
3.
Die Verbände müssen verbindlich für ein professionelles Berufsbild
sorgen, sodass der einzelne Coach davon befreit wird, ständig
nachweisen zu müssen, dass er „es drauf hat“.
Ansonsten gilt, was der Soziologe Stefan Kühl schon vor über zehn
Jahren über die Beraterszene sagte: „Zur glaubwürdigen Darstellung von
Kompetenz eignet sich nichts, was man kaufen kann.“
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unser neues Heft
wünscht
Martin Pichler, Chefredakteur
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