WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 7/2017 - page 6

AUS DEN VERBÄNDEN
Mitteldeutscher Immobilienkongress:
„Die Menschen werden das auf Dauer nicht hinnehmen“
Leipzig – Die Lage an Mitteldeutschlands Wohnungsmärkten verschärft sich. Die Rahmenbedingungen für eine sinnvol-
le Wohnraumversorgung in Mitteldeutschland verschlechtern sich. Zum 15. Mitteldeutschen Immobilienkongress (MIK)
haben deshalb fünf Immobilienverbände am 1. Februar 2017 einen Aufruf an die Politik veröffentlicht: „Regulierungswut
und die Konzentration der Politik auf eine fragwürdige soziale Wohnraumförderung nehmen faktisch breiten Bevölke-
rungsgruppen die Chance auf bezahlbaren Wohnraum. Die Menschen werden das auf Dauer nicht verstehen und mit Po-
litikverdruss reagieren – eine Gefahr für die Demokratie“, warnten die Verbände.
Ein Hauptkritikpunkt stellt für
sie die zunehmende und kost-
entreibende Regulierung – von
Brandschutzthemen bis zu ener-
getischen Maßnahmen – dar.
Hinzu kommt die völlige Über-
forderung der Verwaltungen
in den Wachstumsstädten. Im
Ergebnis steigen die Kosten des
Wohnens und damit die Mieten.
Gleichzeitig werden Lippenbe-
kenntnisse für preiswertes Woh-
nen abgegeben und die Immo-
bilienbranche der Preistreiberei
beschuldigt. Nur: Am Ende fehlt
Wohnraum, um die Nachfrage
zu befriedigen.
Symbolpolitik werde ebenso
mit der Förderung des sozia-
len Wohnungsneubaus betrieben. Was
gut klingt, stelle sich bei genauem Hinse-
hen als nicht bedarfsgerecht heraus. Die
tatsächliche Notwendigkeit könne nicht
stichhaltig unterlegt werden. Förderkon-
ditionen – hauptsächlich mangelnde Wirt-
schaftlichkeit nach Auslauf der Belegungs-
bindung, bürokratischer Aufwand und die
Bedingungen für die Förderung – schreck-
ten selbst die wenigen Interessenten ab.
Die Bevorzugung der Städte ließe das Land
weiter ausbluten.
Politik der Vorwende-Zeit
„Die Endstation politischen Wirkens ist
immer die Wohnung. Dieser Zusam-
menhang scheint der Politik abhanden
gekommen. Es wird mehr und preiswer-
ter Wohnraum gefordert. Aber ob Wär-
medämmung, Brandschutzauflagen oder
Baugenehmigungen – Wohnen wird ver-
teuert, Neubau verzögert oder Investieren
unrentabel gemacht. Es entsteht der Ein-
druck, dass Politik Wege einschlägt, die sie
vor der Wende schon einmal ging – nicht
bewusst, sondern weil den politisch Ver-
antwortlichen die entsprechenden Erfah-
rungen fehlen. Davor warnen wir: ‚Ruinen
schaffen ohne Waffen‘ auch in Bezug auf
die neue Wohnungsgemeinnützigkeit –
das gab es bereits einmal“, resümierte Dr.
Axel Viehweger
, Vorstand des Verbandes
Sächsischer Wohnungsgenossenschaften
(VSWG). „Viele unserer Mitglieder kön-
nen soziale Wohnungsbauförderung nicht
nutzen, da sie mit einer zu langen Miet-
preisbindung verbunden ist und sich aus-
schließlich auf den Neubau beschränkt.
Selbst nach Ablauf von 10 bis 15 Jahren
brauchen unsere Unternehmen nach gel-
tendem Mietrecht noch einmal so lange,
bis sie mit ihren Wohnungen auf das regi-
onale Durchschnittsmietniveau kommen
können. Dieses Risiko kann kein langfristig
agierendes Unternehmen eingehen“, prä-
zisierte
Rainer Seifert
, Direktor des Ver-
bandes der Wohnungs- und Immobilien-
wirtschaft Sachsen (vdw).
Selbst wenn Unternehmen sich für die
Zuschüsse entscheiden, stehen sie vor dem
Problem, dass Förderanträge nicht oder zu
spät bewilligt werden.
Frank Müller
, Vor-
standsvorsitzender des BFWMitteldeutsch-
land, fragte dazu: „Warum werden Förder-
mittelanträge in Leipzig und Dresden über
die Kommunen und nicht direkt über die
Sächsische Aufbaubank vergeben? Besteht
da nicht ein viel zu hohes Risiko, dass die
Kommunen ihre eigenen Unternehmen
begünstigen?“
Ein weiterer Kritikpunkt gilt der Tatsache,
dass soziale Wohnraumförderung den Sog
in die Städte befördere. Gerade für Thürin-
gen mit seinen zahlreichen kleineren und
mittleren Kommunen werde es perspek-
tivisch problematisch werden, wenn der
Zustrom nach Erfurt und Jena durch Förde-
rung noch weiter forciert wird. Gebraucht
werde eine Förderung der ländlichen Regi-
onen, der Klein- und Mittelstädte flankiert
von einer gut funktionierenden
Infrastruktur. Aber auch in säch-
sischen Kommunen zeigt sich
Ähnliches: „In Dresden bauen
wir Mietwohnungen mit För-
dermitteln, im Umland reißen
wir sie ab – meist ebenfalls
mit Fördermitteln“, bemän-
gelte vdw-Direktor Rainer Sei-
fert. „Notwendig ist daher ein
paralleles Förderprogramm für
die Sanierung von Bestands-
bauten in Regionen außerhalb
der Metropolen.“ Und: Warum
kommt beispielsweise der Breit-
bandausbau als entscheidender
Punkt für den Verbleib in der
Heimat hier nicht voran? Axel
Viehweger vom VSWG ergänzte
dazu: „In Sachsen liegen bei-
spielsweise 20 Millionen Euro für den
Breitbandausbau in ländlichen Regionen
bereit und werden nicht abgerufen. Wir
haben angeboten, dass wir Kommunen
bei der Antragstellung helfen. Dies wurde
abgelehnt. Allmählich glauben wir, dass
die Ausdünnung des ländlichen Raumes
gewollt ist.“
Die Folge dieses politischen Handelns zeige
sich schon jetzt: Es fehlten zunehmend
Angebote für die Mittelschicht. Geför-
dert werde verstärkt Wohnungsbau für
Menschen mit Berechtigungsschein oder
Hartz-IV-Bezug. „Für mich ist sozial, wenn
Politik und Gesellschaft breite Schichten
plus Arbeitslose im Fokus haben. Wenn
die breite Masse weiterhin von der Woh-
nungspolitik ausgeschlossen wird, führt
das zu Politik- und damit Demokratiever-
drossenheit – eine gefährliche Mischung“,
bemängelte
Karl-Heinz Weiss
, Regional-
vorsitzender IVD Mitte-Ost.
Regulierungswut stoppen
Frank Müller, Vorstandsvorsitzender des
BFW Mitteldeutschland, betonte: „Wir
müssen zwingend die Regulierungswut in
Deutschland stoppen. Je mehr wir regulie-
ren, umso mehr werden die Menschen ent-
mündigt. Eigeninitiative wird zunehmend
unattraktiv. Das wirkt sich negativ auf den
Wohnungsbau aus“.
(tei/schi)
Weitere Infos finden Sie unter
Knapp 300 Teilnehmer diskutierten anderthalb Tage in Leipzig zu den
wichtigsten immobilienpolitischen Themen des Jahres 2017.
Foto: Thilo Kühne
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