WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 40/2016 - page 5

Das Bundesbauministerium war mit dem
„Bündnis für bezahlbares Wohnen und
Bauen“ in diesem Jahr erneut am Stand
der BID bei der Expo Real vertreten. Der
wi hat die Ministerin drei Fragen beant-
wortet.
wi: In vielen deutschen Großstädten
fehlen weiterhin Wohnungen. Das
politische Rezept gegen die ange-
spannten Wohnungsmärkte haben
wir mit dem Bündnis-Endbericht seit
einigen Monaten vorliegen. Wie
geht es damit jetzt weiter?
Hendricks:
Viele Maßnahmen aus der
Wohnungsbauoffensive sind bereits
umgesetzt, weitere werden folgen. Wir
haben die Mittel für den sozialen Woh-
nungsbau insgesamt verdreifacht, ab
kommendem Jahr auf 1,5 Milliarden
Euro. Der Bund hat den Kommunen
Bauland und Liegenschaften mit bis zu
80 Prozent Nachlass übertragen. Für
das Entstehen variabler, altersgerechter
Kleinwohnungen haben wir ein eigenes
Förderprogramm mit 120 Millionen Euro
aufgelegt. Unsere „AG serielles Bauen“,
wird Wege aufzeigen, wie durch modu-
lare, serielle Fertigung neue Wohnungen
mit baukulturellem Anspruch preiswert
entstehen können. Dazu bereiten wir
mit der Bau- und Wohnungswirtschaft
gerade einen Architektur- und Ideen-
wettbewerb vor. Auf der Bauminister-
konferenz im Oktober legen wir eine
neue Musterbauordnung vor, die ich
allen Ländern zur Übernahme empfehle.
Derzeit überprüfen wir auch die Notwen-
digkeit tausender Normen, um den Pla-
nungs- und Bauprozess zu vereinfachen.
Mit dem Urbanen Gebiet schaffen wir
zudem eine neue Baugebiets-Katego-
rie, die Verdichtung und Durchmischung
von Wohnen und Gewerbe in attrakti-
ven Stadtvierteln ermöglicht. Wir sind
also auf einem guten Weg; die Rahmen-
bedingungen stimmen auch, das zeigen
die aktuellen Zahlen der Baugenehmi-
gungen, die höchsten seit 15 Jahren. Wir
brauchen aber noch mehr bezahlbaren
Wohnraum in den Städten. Das kann der
Bund nicht alleine schaffen. Alle Beteilig-
ten müssen sich engagieren, Bund, Län-
der, Kommunen, Bauwirtschaft und pri-
vate Investoren.
Die Wohnungswirtschaft ist seit
Jahren Vorreiter bei der energeti-
schen Sanierung ihrer Bestände. Die
enormen Verschärfungen der Anfor-
derungen in diesem Bereich behin-
dern sie aber immer stärker bei
ihrem Ziel, bezahlbaren Wohnraum
anzubieten. Wäre angesichts des
hohen Bedarfs an günstigen Woh-
nungen ein Verschärfungs-Stopp
denkbar?
Hendricks:
Nicht erst seit der Klimakon-
ferenz in Paris gilt: Wir müssen heute
Wohnungen bauen, die das Klima scho-
nen, neue technologische Entwick-
lungen umsetzen und auch in Zukunft
noch marktgerecht sein werden. Ziel ist
und bleibt ein nahezu klimaneutraler
Gebäudebestand bis 2050. Mir ist dabei
bewusst, dass wir dort, wo notwendige
Klimaschutzmaßnahmen aus heutiger
Sicht noch nicht wirtschaftlich sind, mit
Förderung aushelfen müssen. Das wird
Teil unseres Klimaschutzplans 2050.
Und die „Verschärfung“ der energe-
tischen Anforderungen gegen günsti-
gen Wohnraum ins Feld zu führen, ist
verkehrt. Zum Einen fassen wir gerade
die Energieeinsparverordnung und das
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz
zusammen. Diese Vereinfachung spart
Kosten im Bau- und Planungsprozess.
Zum Anderen sinken Dank energeti-
scher Maßnahmen die Energiekosten
als wesentlicher Bestandteil der Brutto-
warmmieten und machen sie unabhängi-
ger von Energiepreisschwankungen.
Soziales Wohnen hat in Deutsch-
land angesichts der engen Märkte
in den Ballungsregionen und der
steigenden Zuwanderung wieder an
Bedeutung gewonnen. Wie bringen
wir den sozialen Zusammenhalt in
den Quartieren und die Integration
von Zuwanderern unter einen Hut?
Hendricks:
Dazu haben wir den Investi-
tionspakt für sozialen Zusammenhalt mit
einem Volumen von 200 Millionen Euro
beschlossen. Wichtig dabei ist, dass der
Investitionspakt allen Menschen zugute-
kommt, Neuankömmlingen und Einhei-
mischen. Mit diesen Investitionen kön-
nen wir heute die sozialen Ghettos von
morgen verhindern. Denn wir brauchen
nicht nur genügend bezahlbaren Wohn-
raum, wir brauchen auch eine funktionie-
rende soziale Infrastruktur als Grundlage
für den sozialen Zusammenhalt in Städ-
ten und Gemeinden. Eine ganz wichtige
Rolle dabei spielen zum Beispiel Begeg-
nungs- und Stadtteilzentren. Die Kitas
und Schulen wollen wir zu Herzkammern
der Integration und des gesellschaftli-
chen Zusammenhalts ausbauen und ihre
Verankerung im Stadtteil stärken. In den
Quartieren werden Integrationsmanager
eingesetzt werden, die vor Ort Ansprech-
partner sind für Vereine und Initiativen,
aber auch für Neubürger und Einheimi-
sche. Außerdem erhöhen wir die Mittel
für das bewährte Integrationsprogramm
Soziale Stadt auf fast 200 Millionen
Euro. Mit einer zusätzlichen ressortüber-
greifenden Strategie Soziale Stadt, die
das Kabinett Ende August beschlossen
hat, werden wir zukünftig noch besser
zusammenarbeiten: in der Gesundheits-
förderung, in der Arbeitsmarktpolitik, in
der Armutsprävention und beim Verbrau-
cherschutz. Alle Bausteine sind wichtig,
um benachteiligte Quartiere langfristig
zu stabilisieren.
Foto: BMUB / Harald Franzen
Dr. Barbara Hendricks
(SPD)
Bundesministerin für
Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
DREI FRAGEN AN…
tung allein entsteht noch keine Urbani-
tät. „Hinzukommen muss eine kleinteilige
Nutzungsvielfalt. Eine stärkere Verdich-
tung eröffnet eine Chance, die Verkehrs-
probleme in den Griff zu bekommen. Eine
Nachverdichtung in bestehenden Quartie-
ren ist für alle billiger. Es entstehen keine
Kosten für den Grund und Boden und für
die Verkehrsinfrastruktur. Wir müssen ver-
hindern, dass mit neuen Großsiedlungen
soziale Brennpunkte entstehen. Die frü-
here Hinterhofwerkstatt muss in zeitge-
mäßer Form auch in den neuen Wohn-
quartieren wieder ihren Platz finden. Wir
brauchen auch in Neubauvierteln Woh-
nungen mit unterschiedlicher Qualität
und Miethöhe. Die Gestaltung der Neu-
bauten muss sich an den Wünschen und
Bedürfnissen der Nutzer ausrichten und
nicht ausschließlich an denen von Archi-
tekten und Projektentwicklern.“
Henrik
Thomsen
, Geschäftsführer bei der Groth
Gruppe, machte deutlich, dass wer an
den Nutzern vorbei baut, am Markt vorbei
baut. „Städte wachsen, weil immer mehr
Menschen dort leben wollen“, so Thom-
sen, „Stadtrandsiedlungen sind eine Ant-
wort. Gefragt sind aber auch Lösungen,
bei denen man unter Verdichtung auch
Hochhäuser verstehen kann. Dies verlangt
von allen Beteiligten Verantwortung.
(ebe/sche/schi)
EXPO REAL 2016 – SONDERAUSGABE
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