WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 11/2016 - page 5

BUNDESPOLITIK
Das zweite Mietrechtspaket des Bundesjustizministeriums ist ein
Investitionsblocker
Die Wohnungswirtschaft warnt vor dem Ausbremsen der Energiewende, des altersgerechten Umbaus und einer sinken-
den Wohnqualität in Deutschland
Worum geht es?
Das Bundesjustizministerium plant mit
dem zweiten Mietrechtspaket unter
anderem:
• eine Verlängerung des Bezugszeitraums
der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier
auf zehn Jahre,
• eine deutliche Absenkung des Prozentsat-
zes der Modernisierungskosten, die auf
die Miete umgelegt werden können, von
elf Prozent auf acht Prozent,
• eine Begrenzung des Anstiegs der Miete
auf 50 Prozent in einem Zeitraum von
acht Jahren – maximal vier Euro pro Qua-
dratmeter, und
• die Einführung einer persönlichen Här-
tefallregelung bei 40 Prozent des Netto-
einkommens.
Warum ist beim Mietspiegel ein
Berechnungszeitraum von höchstens
vier Jahren so wichtig?
Der Mietspiegel ist kein politisches Steue-
rungsinstrument zur Dämpfung der Mie-
ten, sondern wortwörtlich ein „Spiegel“
zur Abbildung des Mietniveaus in der
Gemeinde. Wird der Berechnungszeit-
raum des Mietspiegels tatsächlich verlän-
gert, dann wird die Miete in der Regel
über einen langen Zeitraum eingefroren.
Das führt zu einer Abwertung der Woh-
nungsbestände. Auch die Beleihungsmög-
lichkeiten für Investitionen unter anderem
in den Neubau würden dadurch negativ
beeinflusst. Die Verlängerung des Bezugs-
zeitraums führt auch dazu, dass neue und
effektive Maßnahmen der energetischen
Modernisierung erst deutlich später oder
zum Teil gar nicht Bestandteil der ortsübli-
chen Vergleichsmiete werden. Das konter-
kariert die Mietrechtsänderung 2013, die
das Ziel hatte, energetische Modernisie-
rungsmaßnahmen zu fördern. Das Gleiche
gilt für den altersgerechten Umbau.
Eklatanter Widerspruch zu Neubau-
zielen der Bundesregierung
Durch eine Verlängerung des Bezugszeit-
raums beim Mietspiegel und den dadurch
bewirkten Investitionsstopp entsteht eine
„Super-Bremse“ für den Neubau. Wir brau-
chen aber in den nächsten Jahren mindes-
tens 400.000 zusätzliche Wohneinheiten
jährlich für alle Bürgerinnen und Bürger,
davon mindestens 80.000 Sozialwohnun-
gen und weitere 60.000 Mietwohnungen
im bezahlbaren Wohnungssegment pro
Jahr zusätzlich zum derzeitigen Bauvolu-
men.
Warum müssen Vermieter weiterhin
elf Prozent der Modernisierungskos-
ten auf die Miete umlegen können?
Das zweite Mietrechtspaket macht Moder-
nisierungen in vielen Fällen unwirtschaft-
lich. Zwar schöpfen gerade die Woh-
nungsunternehmen im GdW den heute
gesetzlich möglichen Mieterhöhungsspiel-
raum nach Modernisierung dann nicht voll-
ständig aus, wenn die neue Nettokaltmiete
zu einer unzumutbaren finanziellen Belas-
tung für den Mieter führen würde. Aber die
Wohnungsunternehmen brauchen den-
noch den heute möglichen Prozentsatz von
elf Prozent, um dort modernisieren zu kön-
nen, wo es geht – und es an anderer Stelle
flexibel im Sinne der Mieter handhaben zu
können. Mit einer Kürzung auf acht Pro-
zent setzen die geplanten Maßnahmen den
Erfolg der Energiewende und den altersge-
rechten Umbau im Gebäudebestand aufs
Spiel – und das vor dem Hintergrund, dass
im Jahr 2030 insgesamt sechs Millionen
Menschen älter als 80 Jahre sein werden
und wir bis 2020 insgesamt drei Millionen
barrierefreie oder -arme Wohnungen brau-
chen. Die Pläne konterkarieren damit die
Ziele der Bundesregierung und die vielver-
sprechenden Ergebnisse des Bündnisses für
bezahlbares Wohnen und Bauen.
Warum ist die vorgeschlagene Härte-
fallregelung falsch?
Sie ist für Vermieter unkalkulierbar, büro-
kratisch und für Mieter unsozial, weil
gerade Mieter mit geringen Einkommen
auf dem freien Wohnungsmarkt weniger
Chancen haben werden, eine Wohnung
zu finden. Unser Rechenbeispiel zeigt, dass
eine Absenkung der Mieterhöhungsmög-
lichkeit nach Modernisierung auf acht Pro-
zent der umlagefähigen Modernisierungs-
kosten bei gleichzeitiger Kappung des
Mietenanstiegs auf 50 Prozent ausgerech-
net die Wohnungsunternehmen besonders
trifft, die sich durch günstige Mieten aus-
zeichnen. Damit sind drei Viertel der ins-
gesamt 3.000 GdW-Unternehmen, deren
Mieten bei unter 5,27 Euro pro Quadrat-
meter (= Durchschnittsmiete der GdW-
Unternehmen) liegen, von der Regelung
betroffen. Zudem könnte ein Wohnungs-
unternehmen, das nicht investiert, nach
acht Jahren sogar eine höhere Nettokalt-
miete verlangen als ein Wohnungsunter-
nehmen, das sich für die Energiewende
und den altersgerechten Umbau enga-
giert, indem es seine Wohnungsbestände
modernisiert.
Fazit:
Das Kostenproblem bei Modernisierungs-
maßnahmen, an dem maßgeblich Baukos-
tenerhöhungen und gestiegene Energie-
Anforderungen schuld sind, kann nicht
im Mietrecht gelöst werden. Die Kumu-
lation der mietrechtlichen Belastungen
würde bei den verantwortungsbewussten
Wohnungsunternehmen zum dauerhaften
Problem bei Instandhaltung und Neubau
werden.
Foto: GdW, Urban Ruths
Axel Gedaschko
Präsident
GdW Bundesverband
deutscher Wohnungs-
und Immobilienunter-
nehmen
ANALYSE
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