WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 49/2015 - page 5

Die Kinder von Huzurikanda
haben Durst. Nach Wissen.
Sie brauchen eine
SCHULE
und einen Lehrer.
Die
DESWOS
hilft ihnen!
Deutsche Entwicklungshilfe
für soziales Wohnungs- und
Siedlungswesen e.V.
deswos.de
DESWOS-Spendenkonto
IBAN:
DE87 3705 0198 0006 6022 21
bangladesch
Lernen
AUS DEN VERBÄNDEN
Flüchtlingsunterbringung in Thüringen:
Sofortmaßnahmen nur erster Schritt – Strategie fehlt
Erfurt – „Wer die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen will, muss etwas dafür tun. Die neue Verordnung der Lan-
desregierung, für die dezentrale Unterbringung 1.000 Euro pro neugeschaffenen Platz zur Verfügung zu stellen, begrü-
ßen wir deshalb als einen ersten folgerichtigen Schritt. Wie er sich in der Praxis entwickelt, bleibt abzuwarten“, beton-
te Constanze Victor, Direktorin des Verbandes der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw.). Der Verband
warnte am 19. November 2015 davor, bei der Unterbringung von Flüchtlingen die Wohnungswirtschaft bei der Einfüh-
rung neuer Verordnungen und Gesetze außen vor zu lassen.
„Bei unseren Mitgliedern verfestigt sich der
Eindruck, dass die politisch Verantwortli-
chen trotz des ungebremsten Flüchtlings-
zuwachses und absehbarer Unterkunfts-
und Integrationsprobleme keine klare
Strategie haben. Viele Unternehmen wol-
len sich einbringen, werden aber nicht oder
nur wenig gehört“, beschreibt Constanze
Victor die Lage.
Währenddessen verschärft sich die Situ-
ation: 2015 werden es voraussichtlich
30.000 Menschen sein, die im Freistaat
eine Unterkunft benötigen – und in 2016
voraussichtlich ebenso viele.
Der vtw. fordert deshalb zur Versorgung
der Flüchtlinge effizientere Strukturen:
– Die bereitgestellten Bundes- und Lan-
desmittel für den Bau von Sozial- und
Flüchtlingswohnungen müssen schnell
und unbürokratisch an die Kommunen
durchgereicht werden. Um benötigten
Wohnraum insbesondere in den engen
Märkten neu zu schaffen, sind Zuschuss-
förderungen für wirtschaftlich vertret-
bare Sozialmieten unausweichlich! Nur
so können in diesen Märkten neue
Wohnungen zu Sozialmieten geschaf-
fen werden.
– Zur schnellen Unterbringung von Flücht-
lingen müssen Politik und Verwaltung
eng und auf Augenhöhe mit der Woh-
nungswirtschaft kooperieren.
– Flüchtlingsunterbringung bringt unwei-
gerlich höhere Kosten mit sich – der
Mietpreis muss deshalb den größeren
Instandhaltungsbedarf decken. Diese
höheren Kosten dürfen nicht zu Lasten
der bestehenden Mietverhältnisse gehen.
Die Pauschalsumme von 1.000 Euro pro
Platz ist deshalb aus Sicht der Wohnungs-
wirtschaft ein wichtiger Schritt.
– Wohnungsunternehmen müssen die
Belegung selbstbestimmt regeln kön-
nen. Sie kennen ihre Mieterstrukturen
und können so dazu beitragen, Kon-
flikte zu vermeiden.
– Nach wie vor stellt die dezentrale Unter-
bringung der anerkannten Flüchtlinge
mit Bleiberecht den besten Weg dar, um
Integration zu erleichtern und Konflik-
ten vorzubeugen.
– Essenziell ist eine adäquate soziale
Betreuung. Die Fürsorge für zum Teil
traumatisierte Kriegsflüchtlinge kann
nicht in der Hand der Wohnungswirt-
schaft liegen. Die Kapazitäten sind drin-
gend aufzustocken, einen Sozialarbei-
ter für 60 Flüchtlinge empfiehlt auch
der Spitzenverband der Wohnungswirt-
schaft GdW. Hier bedarf es der reellen
Einschätzung der Leistbarkeit der sozia-
len Betreuung, der Integrierbarkeit und
erforderliche Reaktionen hierauf. Die
Akteure arbeiten bereits heute in den
Ballungszentren an den Grenzen ihrer
Belastbarkeit.
– Die pauschal geforderte Belegung leer-
stehender Wohnungen ist nicht realis-
tisch. Von den zurzeit 22.000 leer ste-
henden Wohnungen der vtw.-Mitglieder
in Thüringen kommen nur knapp die
Hälfte für die Unterbringung in Frage
– dies mit teilweise immensen Kosten.
Hier ist unter Berücksichtigung des mit-
telfristig bis langfristig zu erwartenden
Bedarfs in der jeweiligen Kommune und
Region, eine für die Unternehmen ren-
tierliche Investition zu sichern.
– Für Kommunen, die aufgrund langfris-
tiger Stadtentwicklungskonzepte den
Abriss von Wohnungsbeständen geplant
haben, muss die Förderung weiterhin
erhalten bleiben. Dies betrifft sowohl
die Bewilligung der Abrissförderung für
aktuell erforderliche Abrisse als auch die
Zusage der Bestandskraft bereits bewil-
ligter Förderzusagen im Falle der wegen
der Flüchtlingsproblematik temporär
ausgesetzter Abrisspläne.
– Speziell bei Wohnungsgenossenschaften
stellen auch die rechtlichen Rahmenbe-
dingungen, bestehend aus Genossen-
schaftsgesetz und Satzung, eine weitere
Hürde für die Belegung dar.
– Völlig abwegig sind Überlegungen zur
Beschlagnahmung von Wohnraum:
„Das ist der falsche Weg, um das Pro-
blem zu lösen. Der Konsens sollte das
angestrebte Mittel der Wahl sein“,
betonte Constanze Victor.
Fazit: Thüringens Wohnungswirtschaft ist
bereit, aktiv bei der Unterbringung und
Integration von Flüchtlingen mitzuwirken.
Das gelingt jedoch nur, wenn die Politik auf
Landes- wie auf Bundesebene endlich eine
reelle Einschätzung der Situation, der Leist-
barkeit vornimmt und somit notwendige
Schlussfolgerungen hieraus zieht. Als Folge
muss die Landesregierung die Neuordnung
der Wohnungsbauförderung in Thüringen,
insbesondere auch unter dem Eindruck der
aktuellen Flüchtlingssituation, aktiv und
strukturiert im Rahmen eines kurz-, mittel-
und langfristigen Aktionsplanes neu gestal-
ten.
(tei/schi)
Anzeige
49/2015 5
1,2,3,4 6,7,8
Powered by FlippingBook