WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 49/2015 - page 3

BUNDESPOLITIK
Mietrecht: Pläne des Bundesjustizministeriums setzen erfolgreiche Energie-
wende aufs Spiel
Berlin – „Die Modernisierung des Wohnungsbestandes in Deutschland ist massiv gefährdet und damit auch die komplette
Energiewende, wenn die Mieterhöhungsmöglichkeit nach Modernisierung tatsächlich so übermäßig eingeschränkt wird,
wie aktuell geplant“, erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW und Vorsit-
zender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID), zu den am 18. November 2015 in Medien-
berichten bekannt gewordenen Plänen des Bundesjustizministeriums beim sogenannten zweiten Teil des Mietrechtspakets.
Das Justizministerium schlägt vor,
für Mieterhöhungen nach Moder-
nisierung eine Kappungsgrenze ein-
zuführen. Die Miete soll in einem
Zeitraum von acht Jahren um nicht
mehr als 50 Prozent und maximal
vier Euro pro Quadratmeter steigen
können. Zudem soll der Bezugszeit-
raum der ortsüblichen Vergleichs-
miete von vier auf 10 Jahre ver-
breitert werden. Außerdem soll der
Prozentsatz, mit dem die Moder-
nisierungskosten auf die Mieter
umgelegt werden, von 11 Prozent
auf acht Prozent abgesenkt wer-
den.
„Wird die Mieterhöhungsmöglich-
keit nach Modernisierung so stark
eingeschränkt, wie es die aktuellen
Pläne des Bundesjustizministeriums
laut Medienberichten vorsehen,
werden notwendige Investitionen in die
Modernisierung in vielen Fällen komplett
unwirtschaftlich“, erklärte Gedaschko.
Allein eine Absenkung der modernisie-
rungsbedingten Mieterhöhung auf 10 Pro-
zent hätte bereits ein Investitions- bezie-
hungsweise Modernisierungshindernis
dargestellt, wie ein Gutachten des For-
schungsinstituts InWIS nachweist. Dort
heißt es: „Schon eine Verringerung der
Mieterhöhungsmöglichkeit von 11 auf
10 Prozent macht viele Modernisierungen
nicht mehr attraktiv. Sie sind nicht mehr
wirtschaftlich darstellbar. Die nun geplante,
deutlich stärkere Absenkung auf acht Pro-
zent hätte noch viel schlimmere Folgen.
Das wäre das Ende der klimapolitisch not-
wendigen energetischen Sanierungen – die
Politik würde damit selbst für ein Scheitern
der Energiewende sorgen.
Ein „Einfrieren“ der Miete nach Moderni-
sierung für ganze acht Jahre würde zusätz-
lich dafür sorgen, dass auch Investitionen
in die Qualität und den Erhalt der Gebäude
eingefroren werden.
Die BID spricht sich gegen die Ausweitung
des Betrachtungszeitraums bei der ortsüb-
lichen Vergleichsmiete auf 10 Jahre aus.
Dadurch würde die ortsübliche Vergleichs-
miete erheblich sinken und auf niedrigem
Niveau eingefroren. Neue, effektive Maß-
nahmen der energetischen Modernisie-
rung werden dadurch viel später Bestand-
teil der ortsüblichen Vergleichsmiete – und
diese selbst damit letztlich ein Hemmnis
für Investitionen in die energetische Sanie-
rung. „Mietspiegel dürfen kein Instrument
zur Mietdämpfung sein, sondern müssen
die Marktmieten objektiv abbilden“, so
Gedaschko.
Die Politik widerspricht sich mit den geplan-
ten Regulierungen selbst: Der „Nationale
Aktionsplan Energieeffizienz“ legt fest,
dass bei Umsetzung der im Koalitions-
vertrag vorgesehenen Anpassungen der
Modernisierungsmieterhöhung darauf zu
achten ist, dass die Anreize im Mietrecht
für energetische Modernisierungen nicht
verringert werden.
Kostenproblem juristisch nicht lösbar
„Vermieter und Mieter stehen beim Thema
Modernisierung vor einem Kostenprob-
lem, das sich absolut nicht juristisch durch
Eingriffe in das Mietrecht lösen lässt“, so
der GdW-Chef. „Man muss das Problem
an der Wurzel packen. Statt juristisch her-
umzudoktern, müssen die Ergebnisse aus
dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und
Bauen, insbesondere die baukostensenken-
den Maßnahmen, schnellstmöglich umge-
setzt werden.“
Eine stringente und verantwortungsvolle
politische Strategie für die Modernisierung
des Wohnungsbestands würde so ausse-
hen: Die Bundesregierung muss für eine
grundlegende Anpassung der För-
derpolitik für Gebäude-Moderni-
sierungen durch die KfW Banken-
gruppe sorgen: Nicht die teuersten
Modernisierungsmaßnahmen dür-
fen am stärksten gefördert wer-
den, sondern diejenigen, die den
besten Kosten-Nutzen-Effekt auch
für den Mieter und Nutzer bringen.
Steigende Wohnkosten bei Mieter-
höhungen durch Modernisierung
müssen auch durch eine Klima-
komponente beim Wohngeld und
entsprechende Regelungen bei den
Kosten der Unterkunft aufgefangen
werden. Hier existiert bislang nur ein
Prüfauftrag.
Schwarzen Schafen, die über
Modernisierungen Mieter aus
ihren Wohnungen drängen wol-
len, muss das Handwerk gelegt werden.
Dazu brauchen wir eine intelligente, ziel-
genaue Härtefallregelung, die diese Ein-
zelfälle von übermäßigen Mieterhöhun-
gen infolge von Modernisierung regelt.
Die aktuell geplanten Regelungen würden
nach dem „Schrotflinten-Prinzip“ alle tref-
fen, die Wohnungen vermieten – auch die
sozial verantwortlichen Vermieter.
„Verantwortungsvolle Vermieter, die sich
um die Zukunft ihrer Wohnungsbestände
kümmern, werden durch diese Pläne ‚drei-
fach geknebelt‘. Modernisierungsmaßnah-
men werden dadurch schlicht unwirtschaft-
lich. So können wir die Klimaschutzziele im
Gebäudebereich nicht erreichen und unsere
Wohnungen auch nicht an den demogra-
fischen Wandel anpassen. Das Bundesjus-
tizministerium konterkariert damit die Ziele
der eigenen Regierung“, so Gedaschko.
„Wenn Vermieter durch die geplante wei-
tere Verschärfung des Mietrechts künf-
tig daran gehindert werden, sich für die
Modernisierung des Wohnungsbestandes
zu engagieren, dann wird sich das auch
deutlich negativ auf die Mieter auswirken:
Die Qualität des Wohnens in Deutschland
wird sinken.“
(schi)
Das InWIS-Gutachten
„Wirkungsanalyse der Mietrechtsänderungen“
finden Sie unter diesem Kurz-Link:
goo.gl/YtfWdX, den Nationalen Aktionsplan
Energieeffizienz unter goo.gl/JEFy4W.
Die Vorschläge des Justizministeriums würden die Gebäude-
modernisierung kranken lassen – denn eine Verringerung der
Mieterhöhungsmöglichkeit von 11 auf 10 Prozent macht viele
Sanierungen unattraktiv.
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