personalmagazin 5/2016 - page 56

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ORGANISATION
_ARBEITSWELTEN
personalmagazin 05/16
D
er allgegenwärtige Bewe-
gungsmangel gilt inzwischen
als Hauptursache für fast al-
le Zivilisationskrankheiten.
Nachdem die Ergonomie von Gebäuden,
Prozessen und Einrichtungen vor allem
auf physiologische Entlastung ausgelegt
und Flächenreduktion zum Maß aller
Dinge wurden, ist jetzt ein Umdenken
gefordert: Statt mehr Entlastung und
kurzer Wege muss bei der Planung, Ein-
richtung und Organisation von Büros
und Arbeitsplätzen auf mehr Möglich-
keiten zur Bewegung geachtet werden.
Obwohl wir biologisch Hocker, Steher,
Läufer und Lieger sind, ist uns das Sit-
zen zur „zweiten Natur“ geworden. Selbst
die Mobilität findet weitestgehend im Sit-
zen statt. Mit gravierenden Schäden für
Volkswirtschaft und Unternehmen: Bis
2004 nahmen die krankheitsbedingten
Fehltage ab, seitdem steigen sie wieder
deutlich an mit Schwerpunkt auf Rü-
ckenbeschwerden und depressiven Er-
krankungen. Die BKK hat 2014 bei ihren
Versicherten im Schnitt 17,6 Krankheits-
tage, die Technikerkrankenkasse für
Deutschland 40 Millionen Fehltage allein
durch Rückenbeschwerden errechnet.
Und nicht nur „Rücken“, sondern auch
viele weitere Störungen des Stoffwech-
selsystems werden mit besondes bewe-
gungsarmen Arbeitsstilen in Verbindung
gebracht. Die Weltgesundheitsorganisa-
tion WHO schätzt daher andauerndes
Sitzen mittlerweile als eigenständigen
Risikofaktor ein.
Woher kommt diese Entwicklung? Dem
Von
Burkhard Remmers
geläufigen Ergonomieverständnis folgend
wurden seit Jahrzehnten die Gebäudekon-
zepte und die Büroprozesse optimiert, um
die körperlichen Belastungen zu reduzie-
ren. Mit Erfolg: Kurze Wege, Aufzüge und
Rolltreppen kennzeichnen die Bewegun-
gen durch die Gebäude, „Cockpitorganisa-
tion“, korsettähnliche Bürostühle und ein
zweidimensionaler Desktop, durch den
man per Mouse-Click navigiert, bestim-
men den Arbeitsplatz. Statt Akten wälzen,
Ordner schleppen, Post- und Botengängen
ist nur noch die Bewegung der Finger
gefordert, um die Büroarbeit zu bewälti-
gen. Die einseitige Entlastungsstrategie
hat in den Büros ganz offensichtlich zu
einer deutlichen, körperlichen Unterfor-
derung geführt. Jetzt, wo angesichts von
Fachkräftemangel und demografischem
Wandel die Mitarbeitergesundheit immer
mehr zum Flaschenhals der Unterneh-
mensentwicklung wird, ist es höchste
Zeit, die bisherigen Grundlagen der Ar-
beitsweltplanung und -gestaltung neu an
der Realität auszurichten.
Fatale Symbiose aus Bequemlichkeit,
Technologie und Effizienzverständnis
Die neuen Erkenntnisse aus der Gesund-
heitsforschung unterstreichen die vitale
Das Büro als Bewegungsraum
STARTSCHUSS.
Neue Erkenntnisse zu Ergonomie und Gesundheitsmanagement erfordern
einen Paradigmenwechsel: Mehr Bewegung lautet das Gebot heutiger Arbeitswelten.
Selbstorganisierte Seminar- und Konferenzeinrichtungen mit mobilen, faltbaren Tischen
verbessern nicht nur die physische Aktivität, sondern auch die mentale Beteiligung.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
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