personalmagazin 5/2016 - page 30

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TITEL
_MOBILES ARBEITEN
personalmagazin 05/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
sprächs oder einer Gehaltsverhandlung
vorhersagen lassen. In einer Studie mit
IT-Spezialisten konnten sie nachweisen,
dass Teams mit persönlichen Kontak-
ten bessere Leistungen zeigen, weil sie
mehr Zusammengehörigkeitsgefühl ha-
ben. Es entsteht mehr Vertrauen in der
Gruppe, was es auch einfacher für die
Teammitglieder macht, andere zu fra-
gen und um Hilfe zu bitten. Das führt
besonders bei komplexen Problemen zu
einer höheren Produktivität.
personalmagazin:
Was bedeutet das für den
Arbeitsplatz?
Pinker:
Unternehmen sollten dafür sorgen,
dass die Mitarbeiter eine Möglichkeit ha-
ben, sich in persönlichen Begegnungen
auszutauschen. Dabei kommt es nicht
darauf an, über was sie reden. Selbst
der größte Tratsch ist keine verschwen-
dete Zeit. Das zeigt eine MIT-Studie in
zehn Call-Centern einer amerikanischen
Bank. Dort hatte bisher jeder Mitarbeiter
zu einer anderen Zeit Pause. Ein persön-
licher Austausch war daher nicht mög-
lich. Dann führte man eine 15-minütige
gemeinsame Kaffeepause ein und die
Leistungen der Mitarbeiter stiegen um
durchschnittlich acht Prozent. Bei leis-
tungsschwachen Teams waren es sogar
mehr als 20 Prozent. Und die Mitarbei-
terzufriedenheit nahm auch um zehn
Prozent zu. Und das alles nur, weil sie 15
Minuten miteinander sprechen konnten.
personalmagazin:
Ein Argument gegen das
Homeoffice?
Pinker:
Wenn Unternehmen glauben, sie
können Kosten sparen, wenn jeder nur
„Glücklicher und produktiver“
INTERVIEW.
Persönliche Kontakte sind elementar wichtig, betont Susan Pinker. Sie
machen die Menschen nicht nur gesünder und zufriedener, sondern auch produktiver.
personalmagazin:
In ihrem Buch „The
Village Effect“ beschreiben Sie anhand
neuer Forschungsergebnisse, wie wichtig
persönliche Begegnungen sind. Warum
lassen sich diese nicht durch virtuelle
Kontakte ersetzen?
Susan Pinker:
Wenn wir persönlich kom-
munizieren, löst das eine Kaskade von
Neurotransmittern und Hormonen aus,
die Stress reduzieren, unsere Immunität
erhöhen und ein Gefühl des Wohlbefin-
dens erzeugen. Das ist ein Grund dafür,
warum Menschen mit wenigen echten
Kontakten laut einer neueren Studie
ein 30 Prozent höheres Sterberisiko
haben. Das lässt sich heute sogar neu-
rophysiologisch erklären. Ein simpler
Händedruck oder ein Schulterklopfen
erhöhen die Ausschüttung des Hormons
Oxytocin und das wiederum reduziert
Stress und erhöht das Vertrauen. Men-
schen, die sich wohlfühlen, sind nicht
nur gesünder und widerstandsfähiger,
sondern auch leistungsfähiger.
personalmagazin:
Aber hat eine aufmun-
ternde oder lobende E-Mail oder SMS
nicht denselben Effekt?
Pinker:
Nein. So zeigt zum Beispiel eine
Studie, bei der Mädchen einen stressi-
gen Test absolvieren mussten, dass eine
ermutigende Textnachricht der Mutter
nach dem Test im Vergleich zu einem
Telefonat oder dem Treffen mit der Mut-
ter keinen Einfluss auf die Cortisolwerte
im Speichel – einem Maß für Stress –
hatte. Im Klartext: Wenn Sie jemanden
zeigen wollen, dass Sie ihn unterstützen
oder ihn aufmuntern wollen, können sie
sich eine SMS sparen.
personalmagazin:
Wichtig sind also vor
allem die nonverbalen Signale?
Pinker:
Bei der virtuellen Kommunikation
geht oft der reichhaltigste Teil des Aus-
tausches verloren – ein Blick, der Ironie
signalisiert, ein warmer Tonfall, der Ver-
trauen schafft, all die subtilen Signale,
die manchmal sogar entscheidend sind.
Wenn wir mit jemanden einer Meinung
sind, zeigen wir das unbewusst auch in
unserer Körpersprache, indemwir unse-
re Mimik oder Gestik synchronisieren.
Die Forschungen von Sandy Pentland
und ihren Kollegen am MIT haben ge-
zeigt, dass sich durch diese versteckten
sozialen Informationen rund 40 Prozent
der Ergebnisse eines Bewerbungsge-
SUSAN PINKER
ist Psychologin und Auto-
rin. In ihrem Buch „The Village Effect” zeigt
die Kanadierin, wie persönliche Kontakte
Denken und Wohlbefinden beeinflussen.
© SUSIE LOWE
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