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TITEL
_MODELLE FÜR ÄLTERE
personalmagazin 05/15
D
ie moderne Arbeitswelt, in
der Veränderung zunehmend
zum Normalzustand wird,
fordert Mitarbeitern jeder-
zeit kognitive Beschäftigungsfähigkeit,
mentale Fitness und physische Belast-
barkeit ab. In einem solchen Arbeitsum-
feld muss das Lernen nach altem Muster
scheitern: Die Personalentwicklung
kann dort nicht länger als Dienstleister
fungieren, der umfassende Weiterbil-
dungsmaßnahmen abfragt und bereit-
stellt, die für das ganze Jahr im Voraus
geplant werden und eine längere Frei-
stellung von Mitarbeitern erfordern.
Um zu gewährleisten, dass gerade
ältere Mitarbeiter langfristig beschäfti-
gungsfähig bleiben, braucht es vielmehr
ein völlig verändertes Selbstverständnis:
eine Personalentwicklung, die die Ver-
antwortung für die Beschäftigungsfä-
higkeit dort belässt, wo sie unmittelbar
beeinflussbar ist – bei den Führungs-
kräften und den Mitarbeitern selbst.
Hier sind Ansätze gefragt, die geeig-
net sind, die Mitarbeiter – vor allem die
älteren – im kontinuierlichen Lernen zu
unterstützen und sie darüber hinaus zur
eigenständigen Gestaltung des anhal-
tenden Wandels zu befähigen. Daher gilt
es, den Mitarbeitern Kompetenzen zu
vermitteln, die sie in die Lage versetzen,
die Bedeutung der Veränderungen lau-
fend für sich selbst neu einzuschätzen,
Strategien und Ziele für ihre persönliche
Entwicklung daraus abzuleiten und ge-
eignete Lernmaßnahmen anzugehen. Die
dazu erforderliche Coaching-Struktur bil-
Von
Josephine Hofmann
und
Gabriele Korge
den die Führungskräfte, die erster An-
sprechpartner, Orientierungsgeber und
Coach für die Mitarbeiter werden.
Dies können die Führungskräfte je-
doch nicht ohne Unterstützung von HR
leisten. Mit welchen Maßnahmen die Per-
sonalentwicklung die Veränderung an-
stoßen kann, haben wir beim Fraunhofer
Institut für Arbeitswirtschaft und Organi-
sation IAO in mehreren Forschungspro-
jekten entwickelt und erprobt. Besonders
zwei Konzepte, die über Führungskräf-
tetrainings umgesetzt werden, erschei-
nen uns geeignet, die Vorgesetzten auf
ihre neue Verantwortung vorzubereiten
und ihnen Instrumente an die Hand zu
geben, mit denen sie direkt das konti-
nuierliche Lernen und die zielgerichtete
Entwicklung der Mitarbeiter fördern und
begleiten können: die „Führungskraft
als Lerncoach“ und die „Entwicklungs-
begleitung“, die wir beide im Folgenden
näher beschreiben wollen. Wesentliche
Erkenntnisse zu diesen Konzepten kom-
men aus zwei Projekten, die beide mit
demWeiterbildungsinnovationspreis des
Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB)
ausgezeichnet wurden.
Den „Lerncoach“-Ansatz haben wir
als Teil des Projekts „länger leben, län-
ger arbeiten, länger lernen“ im Auftrag
des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall
in der Praxis erprobt. Gemeinsam mit
dem Transferzentrum für Neurowissen-
schaften und Lernen ZNL Ulm als For-
schungspartner wurde das Konzept in
mehreren Unternehmen aus der produ-
zierenden Industrie umgesetzt.
Der zweite Ansatz, die „Entwicklungs-
begleitung“, wurde mit dem vom BMBF
geförderten Projekt „ENWIBE – ereignis
orientierte Entwicklungsbegleitung für
Mitarbeitende in Produktion und Hand-
werk“ erprobt. Mit unseren Forschungs-
partnern, dem Elektro Technologie
Zentrum Stuttgart und dem ZNL Ulm,
konnten wir mehrere Umsetzungspart-
ner aus der produzierenden Industrie
und dem Handwerk gewinnen.
Ansatz 1: Führungskraft als Lerncoach
Eine Führungskraft, die sich als Lern-
coach für ihre Mitarbeiter versteht,
reflektiert im Arbeitsalltag stetig, wo
Lernbedarf besteht – beispielsweise
damit die Mitarbeiter lernen, stressfrei
ihre Arbeitsziele zu verfolgen, oder um
einen Mitarbeiter mit Leistungsein-
schränkungen künftig durch einen an-
deren Aufgabenzuschnitt zu entlasten.
Daraufhin initiiert und begleitet sie, so-
weit möglich, einen arbeitsintegrierten
Lernprozess und gestaltet eine lernför-
derliche Arbeitsumgebung (siehe Kas-
ten „So lernen Ältere am besten“).
Um die Führungskräfte auf diese
neue Aufgabe vorzubereiten, durchlau-
fen sie ein dreistufiges Training (siehe
Abbildung): Auf eine Einheit zur gemein-
samen Erarbeitung von Grundlagen-,
Verfahrens- oder Methodenwissen folgt
eine Einheit zur individuellen Reflexion
und Transfer in den Führungsalltag und
schließlich eine Einheit zur kollegialen
Beratung über gemachte Erfahrungen.
Das Training startet damit, dass jede
Führungskraft für sich festlegt, mit wel-
chem Schwerpunkt sie die arbeitsinte-
grierte Lernförderung ihrer Mitarbeiter
konkret angehen will. Ein Beispiel wäre,
Ältere Lerner, neue Konzepte
FORSCHUNG.
Wer Ältere länger beschäftigen will, braucht innovative Personalentwick
lungskonzepte. Das Fraunhofer IAO forscht dazu und stellt zwei Ansätze vor.