IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 67

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(Uncertainty), Komplexität (Complexity)
und Ambivalenz/Mehrdeutigkeit (Ambi-
guity). Dies gilt insbesondere für große
Unternehmen, die amWeltmarkt agieren,
oder für die vielen Start-up-Unternehmen.
In diesemUmfeld reicht das klassische
jährliche Mitarbeitergespräch in der Tat
nicht mehr aus. Der Buchautor Trost
fordert daher zu Recht andere, agilere
Ansätze für den Dialog Führungskraft/
Mitarbeiter, wie zum Beispiel
über Ziele, Erwartungen und Leistungen
offen zu sprechen und zwar immer dann,
wenn die Dinge anstehen („No surprise
in the annual review“).
Beurteilung, Feedback und Anerken-
nung müssen in kürzeren Zyklen und
möglichst konkret erfolgen und nicht
nur von Führungskräften, sondern auch
von Kollegen und Kunden.
In agilen Arbeitswelten ist Selbststeu-
erung gefragt und so wandelt sich die
Rolle der Führungskraft in Richtung
Partner, Coach oder Vermittler.
Zusätzlich zur jeweiligen Führungskraft
sollten sich Mitarbeiter gegenseitig
Feedback geben (Instant Feedback und
Gamification über Intranet).
Diesen Forderungen ist für Unterneh-
men aus der „Vuca“-Welt absolut zuzu-
stimmen. Allerdings hängt die Entschei-
dung pro/contra Mitarbeitergespräch
ganz wesentlich vom Reifegrad und der
Situation des jeweiligen Unternehmens
ab. Wenn Firmen gut ausgebildete Füh-
rungskräfte mit einer langen Erfahrung
in der Feedback-Kultur und im Mit­
arbeitergespräch haben und in der Un-
ternehmenssituation mit Veränderungen
und Komplexität umgehen müssen, dann
machen die genannten agilen Formen der
Feedback- und Dialogkultur Sinn.
NEUE ANSÄTZE EIGNEN SICH NICHT FÜR ALLE
In Betrieben, in denen in der Vergangen-
heit häufig die beste Fachkraft Führungs-
kraft wurde und Führungskräfte nicht
systematisch auf ihre Rolle hin geschult
wurden, können agile Formen der Mit-
arbeiterführung jedoch schnell zu einer
Überforderung der Führungskräfte und
Mitarbeiter führen. Zu diesem letztge-
nannten Unternehmenskreis zählen nach
unseren Erfahrungen auch viele Unter-
nehmen derWohnungs- und Immobilien-
wirtschaft. Die Bedeutung von Führungs-
kräfte- und Personalentwicklung war an-
gesichts der niedrigen Mitarbeiterzahlen
und fehlender personeller Ressourcen im
PE-Bereich bei vielen dieserUnternehmen
eher gering ausgeprägt – imGegensatz zur
Situation in den großen Wohnungs- und
Immobilienunternehmen.
Unternehmen ohne Erfahrung mit
klassischenFührungsinstrumenten sollten
deshalb behutsamer vorgehen: zunächst
die Führungskräfte gut ausbilden und
ihnen mit Jahresgesprächen sowie ergän-
zenden PE-Instrumenten wie zum Bei-
spiel Personalklausuren klare Standards
und Routinen als Basis geben. Wenn hier
erste Erfahrungen gesammelt wurden,
können und sollten agilere Konzepte und
Strukturen ergänzt werden. Wie so oft im
Leben gibt es auch beimThema Mitarbei-
tergespräche keine absolutenWahrheiten,
sondern vielmehr ein Sowohl-als-auch –
eben in Abhängigkeit von der konkreten
Unternehmenssituation.
SUMMARY
»
Vor dem Hintergrund einer zunehmend dynamischen und komplexen Arbeitswelt werden jährliche
Mitarbeitergespräche
mittlerweile als statisch und damit obsolet angesehen
.
»
Gefordert werden andere,
agilere Ansätze für den Dialog Führungskraft/
Mitarbeiter
.
»
Allerdings hängt die
Entscheidung pro/contra Mitarbeitergespräch
ganz wesentlich vom Reifegrad und der Situation des
jeweiligen Unternehmens ab.
»
Agile Formen der Mitarbeiterführung können in manchen Betrieben schnell zur Überforderung der Führungskräfte
und Mitarbeiter führen. Dazu gehören auch viele Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.
Das jährliche Mitar-
beitergespräch ist in
vielen Unternehmen
der Immobilienbranche
fest im Terminkalender
verankert.
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Rüdiger Grebe, Elke Nippold-Rothes, Bochum
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