DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2018 - page 72

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4|2018
RECHT
BGB § 563 Abs. 4
Eintrittsrecht bei Tod des Mieters und
Kündigungsrecht des Vermieters
Eine auf eine nur drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Ein-
tretenden gestützte Kündigung muss auf konkreten Anhaltspunkten
und objektiven Umständen beruhen. Solche Anhaltspunkte fehlen,
wenn Geldquellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzah-
lungen sicherstellen, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen, sonstigen
Einkünften oder vorhandenem Vermögen der Fall ist.
BGH, Urteil vom 31.1.2018, VIII ZR 105/17
Bedeutung für die Praxis
Gemäß § 563 Abs. 4 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis innerhalb
eines Monats kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger
Grund gegeben ist. Dieser Grund muss so beschaffen sein, dass er dem
Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund von Umständen
unzumutbar macht, die in der Person des Mieters liegen. Eine zum Zeit-
punkt des Zugangs der Kündigungserklärung lediglich drohende finanzielle
Leistungsunfähigkeit beziehungsweise eine „gefährdet erscheinende“
finanzielle Leistungsfähigkeit des Mieters kann nur in besonderen Ausnah-
mefällen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für
den Vermieter begründen. Denn hierbei ist eine Prognose anzustellen, die
naturgemäß mit Unwägbarkeiten behaftet ist. Der in das Mietverhältnis
eingetretene (neue) Mieter würde daher bei Fehleinschätzungen Gefahr
laufen, sein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Besitzrecht selbst dann zu
verlieren, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Bedenken
gegen seine Zahlungsfähigkeit unberechtigt gewesen sind. Die Prognose
muss daher den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen
alsbald ausbleiben werden. Solche Anhaltspunkte fehlen dann, wenn Geld-
quellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstel-
len, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen, sonstigen Einkünften (z.B. Unter-
mietzahlungen, Unterstützung Verwandter, Nebentätigkeitsvergütungen)
oder vorhandenem Vermögen der Fall ist. Bei der anzustellenden Prognose
kommt es wiederum auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. Dabei
wird u.a. darauf abzustellen sein, ob aller Voraussicht nach ein Anspruch
auf staatliche Transferleistungen – etwa in Form des Mindestsatzes bei der
Grundsicherung – besteht oder ob solche Leistungen völlig ungewiss sind.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
ZPO § 511 Abs. 2 Satz 1
Zustimmung zur Tierhaltung
Der Wert des Beschwerdegegenstands lässt sich nur im Einzelfall
bestimmen. Es verbietet sich jede schematische Lösung.
BGH, Beschluss vom 30.1.2018, VIII ZB 57/16
Bedeutung für die Praxis
Es ist umstritten, nach welchen Kriterien der Wert des Beschwerdege-
genstandes einer Berufung zu bemessen ist. Die Bemessung richtet sich
grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg
seines Rechtsmittels. Die Beschwerde der in der ersten Instanz unter-
legenen Partei am Erfolg ihres Rechtsmittels hängt dabei maßgebend
von ihrem wirtschaftlichen Interesse ab. Ein wirtschaftliches Interesse
des Mieters besteht auch an der Nutzung der ihm gegen Zahlung der
vereinbarten Miete überlassenen Wohnung nach Maßgabe seiner im
Rahmen des vertragsgemäßen Mietgebrauchs bestehenden Nutzungs-
wünsche. Das schließt subjektive Gesichtspunkte ein, weil die Wohnung
für jeden Mittelpunkt seiner privaten Existenz ist und dem Einzelnen
damit eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglicht. Somit bietet
ein Regelwert, sei es unterhalb oder oberhalb der Wertgrenze des § 511
Abs. 2 Nr. 1 ZPO, keine geeignete Orientierungshilfe, um den Wert des
Beschwerdegegenstands in Streitigkeiten um die Vertragsmäßigkeit der
Tierhaltung in Mietwohnungen zu bestimmen. Die Beantwortung der Fra-
ge, ob der Wert des Beschwerdegegenstands einer Berufung des Mieters
bei Streit um die Berechtigung zur Tierhaltung in der Wohnung 600 €
übersteigt, erfordert vielmehr eine umfassende Betrachtung des auf die
Tierhaltung gerichteten Interesses des Mieters. Die Beurteilung des Werts
des Beschwerdegegenstandes lässt sich nur im Einzelfall vornehmen, weil
die dabei zu berücksichtigenden Umstände individuell und vielgestaltig
sind, sodass sich jede schematische Lösung verbietet. Daher sind bei der
Bestimmung des Werts des geltend gemachten Beschwerdegegenstandes
einer Berufung außer der Art und Anzahl der Tiere namentlich die persön-
lichen Verhältnisse des Mieters zu betrachten, wie etwa sein Alter sowie
das Gewicht seiner Bedürfnisse und Beweggründe, die etwa kommunika-
tiver, therapeutischer oder pädagogischer Art sein und von Freude an der
Tierhaltung und der Gesellschaft des Tieres bis zum Angewiesensein auf
das Tier reichen können.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
dem Schuldner grundsätzlich zunächst eine weitere Gelegenheit zur
Erfüllung seiner Leistungspflicht geben, bevor er Schadensersatz verlangen
kann. Als eine derartige Leistungspflicht hat der BGH etwa die vom Mieter
wirksam aus dem Pflichtenkreis des Vermieters übernommene Pflicht
zur Vornahme von Schönheitsreparaturen angesehen. Im Gegensatz dazu
handelt es sich bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen
Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechenden
Zustand zu halten und insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitz-
übertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln,
um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Deren
Verletzung begründet einen Anspruch des Geschädigten auf Schadensersatz
(neben der Leistung) bereits bei Vorliegen der in § 280 Abs. 1 BGB genann-
ten Voraussetzungen. Daher kann ein Vermieter bei Beschädigungen der
Mietsache vom Mieter gemäß § 249 BGB nach seiner Wahl statt einer Scha-
densbeseitigung auch sofort Geldersatz verlangen, ohne diesem zuvor eine
Frist zur Schadensbehebung gesetzt zu haben. Dies gilt – entgegen einer im
mietrechtlichen Schrifttum teilweise vorgenommenen Unterscheidung –
unabhängig davon, ob ein Vermieter einen entsprechenden Schadensersatz
bereits vor oder erst nach der in § 546 Abs. 1 BGB geregelten Rückgabe der
Mietsache geltend macht. Denn § 546 Abs. 1 BGB trifft weder eine Rege-
lung darüber, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben ist, noch
dazu, unter welchen Voraussetzungen Schadensersatz zu leisten ist.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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