DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 5/2017 - page 76

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RECHT
Krankheitscharakter. Soweit z. B. bei Beeinträchtigungen durch Umwelt-
gifte gesicherte Erfahrungswerte vorliegen, kann hierauf zurückgegriffen
werden, die Einhaltung von Grenz- oder Vorsorgewerten schließt eine
erhebliche Gesundheitsgefährdung aber nicht von vornherein aus. Unbe-
achtlich ist es, ob der unveränderte Zustand der Mietsache in früherer Zeit
als unbedenklich eingestuft worden ist. Weist ein Teil der Mietsache einen
gesundheitsgefährdenden Zustand auf, besteht das Recht zur Kündigung,
wenn die Benutzung der Mietsache im Ganzen erheblich beeinträchtigt
ist, wobei vom Mieter nicht verlangt werden kann, den Gebrauch der Räu-
me in erheblichem Umfang einzuschränken. Das Kündigungsrecht kommt
– abgesehen vom Fall der schuldhaften Herbeiführung der Gefährdung
durch den Mieter selbst – nur dann nicht in Betracht, wenn dem Mieter
Rechtsmissbrauch zur Last fällt.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 558, 558a, 558c, 558d, ZPO § 286
Zuschlag wegen ungewöhnlicher Steige­
rungen der ortsüblichen Vergleichsmiete
Bei Beurteilung eines Mieterhöhungsverlangens ist der Tatrichter
befugt, einen Stichtagszuschlag vorzunehmen, wenn ihm dies zur
Bildung einer sachgerechten Einzelvergleichsmiete angemessen
erscheint.
BGH, Urteil vom 15.3.2017, VIII ZR 295/15
Bedeutung für die Praxis
Bei der Prüfung, ob die konkret vom Vermieter verlangte Mieterhöhung
nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist, darf die ortsübliche Ver-
gleichsmiete zwar nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt
werden, welche die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für
vergleichbare Wohnungen in hinreichender Weise ermittelt haben. Der
Tatrichter ist dabei im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung aber
nicht auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begrün-
dungsmittel im Sinne des § 558a Abs. 2 BGB beschränkt. Im Falle eines
einfachen Mietspiegels stellt sich bei der richterlichen Überzeugungsbil-
dung die Frage, ob diesem eine mögliche Indizwirkung hinsichtlich der
richtigen Wiedergabe der ortsüblichen Vergleichsmiete durch die dort
angegebenen Entgelte Bedeutung zukommt. Darüber hinausgehende Bin-
dungen an die Methodik und die Ergebnisse eines Mietspiegels oder sonst
die Wahl der heranzuziehenden Erkenntnisquellen bestehen nicht. Insbe-
sondere binden die Aktualisierungszyklen gemäß § 558c Abs. 1, § 558d
Abs. 2 BGB den Tatrichter nicht dahin, dass er in Fällen, in denen er seine
Erkenntnisse (auch) auf einen Mietspiegel stützt, stets gehindert wäre,
für ein innerhalb eines laufenden Zweijahreszeitraums gestelltes Mieter-
höhungsbegehren jegliche Aktualisierungsmöglichkeit außer Betracht zu
lassen. Ein Mietspiegel soll in erster Linie die Feststellung der ortsübli-
chen Vergleichsmiete vereinfachen, aber er zielt nicht noch zusätzlich
darauf ab, diese Miete über eine Beschränkung der sonst nach § 286 ZPO
zugelassenen Beweismittel und Erkenntnisquellen ein für alle Mal auf den
jeweils letzten Aktualisierungszeitpunkt „einzufrieren“. Auch kann die
gewählte Schätzungsmethode, den für erforderlich gehaltenen Stich-
tagszuschlag durch lineare Interpolation zwischen den für die Wohnung
bekannten Werten des Mietspiegels 2013 und des Mietspiegels 2015 zu
ermitteln, nicht als willkürlich eingestuft werden. Diese Methode hat im
Streitfall vielmehr schon deshalb nahegelegen, weil bei Bestimmung der
maßgeblichen Einzelvergleichsmiete regelmäßig die Möglichkeit fehlt,
ihre Höhe mit mathematischer Genauigkeit gleichsam punktgenau zu er-
mitteln. Erzielbar sind nur empirische, aus einer Beobachtung des Marktes
und seiner Entwicklungen abzuleitende Annäherungswerte, für die sich
eine Interpolationsmethode anbietet.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 536 Abs. 4, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
Unwirksame Schönheitsreparaturen­
klausel
Eine vom Vermieter gestellte Formularklausel, in der die Pflicht
zur Durchführung von Schönheitsreparaturen uneingeschränkt
auf den Wohnraummieter abgewälzt wird, ist auch dann un­
wirksam, wenn die Mietsache dem Mieter zu Vertragsbeginn
renoviert überlassen wurde.
LG Berlin, Urteil vom 09.3.2017, 67 S 7/17
Bedeutung für die Praxis
Gemäß § 536 Abs. 4 BGB ist bei einem Mietverhältnis über Wohn-
raum eine zum Nachteil des Mieters von den § 536 Abs. 1 bis 3 BGB
abweichende Vereinbarung unwirksam. Diese Voraussetzungen sind
bei (Formular-)Vereinbarungen, mit denen der Wohnraummieter ein-
schränkungslos zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet
wird, nach Auffassung der erkennenden Kammer des LG Berlin erfüllt.
Zwar regeln vom Vermieter gestellte Vornahmeklauseln nach ihrem
Wortlaut lediglich die Verpflichtung des Mieters, im Einzelnen näher
bestimmte Maßnahmen zur Erhaltung der Mietsache auf eigene
Kosten auszuführen, deren Durchführung – wie bei Schönheitsrepara-
turen – von Gesetzes wegen dem Vermieter obliegt. Bei der gebote-
nen „kundenfeindlichsten” Auslegung sind vom Vermieter gestellte
Vornahmeklauseln indes dahingehend auszulegen, dass dem Mieter
Gewährleistungsrechte nicht zustehen, sofern und solange er den
ihm übertragenen Instandsetzungs- und Instandhaltungspflichten
nicht nachkommt. Das gilt nicht nur für die Abwälzung von Kleinre-
paraturen, sondern erst recht für die Auferlegung der – regelmäßig
mit einem vergleichsweise deutlich höheren (Kosten-)Aufwand
verbundenen – Schönheitsreparaturen auf den Mieter. Dieser Ausle-
gungsmaßstab entspricht der im Gewerberaummietrecht geltenden
Auslegung formularvertraglicher Minderungsausschlüsse, die bei
„kundenfeindlichster” Auslegung nicht nur den auf § 536 Abs. 1 BGB
gestützten Einbehalt der laufenden Miete, sondern über den Wortlaut
der Vereinbarung hinaus auch Kondiktionsansprüche des Mieters
ausschließen, die auf einer Minderung des Mietzinses beruhen. Zur
Klarstellung: Das Urteil entspricht nicht der herrschenden Meinung in
der Rechtsprechung und auch nicht der Rechtsprechung des BGH!
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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