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1|2017
WEG §§ 14, 22 Abs. 1; BGB §§ 195 ff., 1004
Verbliebener Bauzaun als bauliche
Veränderung
Regelungen in der Teilungserklärung, die vom Gesetz abweichen, sind
eng auszulegen und müssen inhaltlich ausreichend bestimmt sein.
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Rechte gel-
tend machen darf, der sich selbst rechtstreu verhalten würde (OLG
München ZMR 2007, 884, 885).
Mangels einer Legalisierung der ursprünglichen baulichen Maßnah-
me stellt daher jede Veränderung, die an der baulichen Maßnahme
vorgenommen wird, einen erneuten Eingriff dar, der erneut zu einem
Beseitigungsanspruch des benachteiligten Miteigentümers führt.
AG München, Urteil vom 3.3.2016, 484 C 30422/14
Bedeutung für die Praxis
Auch wenn die Teilungserklärung ein umfassendes und großzügiges
Sondernutzungsrecht den Berechtigten einräumt, bedeutet dies nicht
zugleich, dass die übrigen Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen
an und auf der Sondernutzungsfläche dulden müssen. Insoweit bedarf es
gesonderter Regelungen (Vereinbarungen nach § 10 WEG oder Beschlüsse
nach § 22 Abs.1 WEG).
Wenn eine ursprünglich rechtswidrige bauliche Maßnahme nach Verjäh-
rung – die die Maßnahme nicht rechtmäßig macht – des Beseitigungs-
anspruchs umgestaltet wird, führt dies zu einem neuen Beseitigungs-
anspruch des benachteiligten Miteigentümers.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 28 Abs. 3, HeizkostenV § 7 Abs. 2 S. 1
Jahresabrechnung: Kosten des Betriebs-
stroms für die Heizung
In der Jahresabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft
müssen die Kosten des Betriebsstroms der zentralen Heizungsanlage
nach Maßgabe der Heizkostenverordnung verteilt werden; wird der
Betriebsstrom nicht über einen Zwischenzähler, sondern über den
allgemeinen Stromzähler erfasst, muss geschätzt werden, welcher
Anteil an dem Allgemeinstrom hierauf entfällt.
BGH, Urteil vom 3.6.2016, V ZR 166/15
Bedeutung für die Praxis
Auf den ersten Blick überraschend ist, dass der BGH auch die Gesamtab-
rechnung für ungültig erklärte. Da nicht zwingend aus der Gesamtabrech-
nung die Einzelabrechnungen entwickelt werden können, hätte mög-
licherweise eine Position „Strom“ (Allgemeinstrom und Betriebsstrom
für die Heizanlage) in der Gesamtabrechnung den Zweck (Kontrolle der
Mittelverwendung durch den Verwalter) erfüllt.
Lediglich für die Einzelabrechnungen (Zweck ist die Kostenverteilung
und Berechnung der Abrechnungsspitze) muss zwischen Allgemeinstrom
(meist nach MEA zu verteilen; § 16 Abs. 2 WEG) und Betriebsstrom (nach
HeizkostenVO zu verteilen) differenziert werden.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs.6, 15 Abs.1 und 3, BGB § 1004
Zweckbestimmungswidrige Nutzung des
„Ladens“ als Vereinsheim
Die Nutzung eines Teileigentums „Laden“ als Vereinsheim kann
nach Vergemeinschaftung qua Beschluss durch die Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer als Prozessstandschafterin – unabhängig
von der bisherigen Nutzung – untersagt werden. Nicht erlaubt sind
Nutzungsarten, die typischerweise mehr stören als die erlaubte
Nutzungsart.
einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden Maß-
nahme eine ermächtigungslos vorgenommene rechtsgeschäftliche Handlung
des Verwalters quasi durch nachträglichen Beschluss „geheilt“ werden.
Auch bei eigenmächtigen baulichen Veränderungen durch einen Wohnungs-
eigentümer wird oft eine Heilung über die Nachgenehmigung versucht. War
die Maßnahme rechtswidrig, dann muss der Betroffene zuerst mal den Nach-
genehmigungsbeschluss durch Anfechtungsklage aus der Welt schaffen, be-
vor er die Beseitigung der ihn störenden Maßnahme weiterverfolgen kann.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
Die Bezeichnung „Laden“ in der Teilungserklärung bedeutet nicht
lediglich einen unverbindlichen Nutzungsvorschlag, sondern enthält
eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne von
§§ 10 Abs. 2, 15 Abs. 1 WEG.
AG München, Urteil vom 3.2.2016, 482 C 18351/15
Bedeutung für die Praxis
Bei der zweckbestimmungswidrigen Nutzung kommt es für die Frage, ob
diese Nutzung als solche zu dulden ist, immer auf die Wahl des richtigen
Vergleichsmaßstabs an.
Ein allgemein gehaltener Begriff wie „Laden“ lässt naturgemäß mehr
Nutzungsarten zu, die typischerweise nicht mehr stören als die erlaubte
Nutzungsart. Ein Vereinsheim geht jedoch in jedem Fall über die zulässige
Nutzung weit hinaus.
Außerdem ist zu bedenken, dass der in der Gemeinschaftsordnung
verwendete Begriff einem Wandel unterliegen kann. Beim „Laden“ z. B.
durch Wegfall der Ladenschlussgesetze.
Wegen der vermehrten Geräuschbelastung und Geruchsbelästigung
überschreitet ein sog. Office- und Partyservice, der die regelmäßige
Zubereitung und Verabreichung warmer Mittagsmahlzeiten sowie
warmer Speisen betreibt, die für einen „Laden“ übliche Nutzung, selbst
wenn man den zulässigen Gebrauch der Ladenräume nicht auf die
Nutzung als bloße Verkaufsstätte beschränkt (vgl. OLG Hamburg ZMR
2003, 770).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg