CONTROLLER Magazin 1/2019 - page 102

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Bundesverband der Ratinganalysten e.V.
Die Stimmung auf dem Kreditmarkt ist für Un-
ternehmen ungebrochen gut. Nach einer aktu-
ellen Umfrage des Bundesverbandes der deut-
schen Industrie e.V. (BDI) ist der Anteil der Un-
ternehmen, welche den Kreditzugang als
schwierig einstufen, zuletzt weiter gesunken
und liegt aktuell bei 12,5%. Über die Hälfte der
Unternehmen bezeichnet den derzeitigen Kre-
ditzugang sogar als leicht. Trotz steigender Be-
deutung von Kapitalmarkt(-nahen) Produkten,
wie z. B. Corporate Bonds und Schuldschein-
darlehen und einem zunehmenden Angebot
digitaler Alternativen wie Finanzierungs-,
Crowdlending sowie Verbriefungsplattformen,
stellen Bankkredite neben der Innenfinanzie-
rung in Deutschland und Europa nach wie vor
die dominanten Finanzierungsquellen dar.
Finanzierungsumfeld der Unter-
nehmen in strukturellem Wandel
Kern einer jeden Kreditentscheidung und Kon-
ditionengestaltung bildet dabei seit Umsetzung
von Basel II das bankinterne Rating eines Un-
ternehmens. Die Ratingsysteme basieren in der
Regel auf vergangenheitsbezogenen Daten-
strukturen sowie statistischen Rechenverfah-
ren, die aus der Portfoliohistorie der jeweiligen
Bank validiert werden. Entsprechend ist es we-
nig verwunderlich, dass sich aktuell aufgrund
der langjährig guten konjunkturellen Lage die
bankinternen Ratingnoten über alle Wirt-
schaftszweige hinweg verbessert haben. Le-
diglich rund 9% der Unternehmen in Deutsch-
land verzeichneten gemäß der Umfrage des BDI
eine Ratingverschlechterung. Dieser kumulative
Effekt der Entwicklung von Konjunktur- und Ra-
tingnoten unterstützt bei der Erklärung des
nachhaltig positiven Finanzierungsklimas der
Banken. Jedoch ist der „Klimawandel“ im Fir-
menkundengeschäft der Banken absehbar. Die
Zweifel daran, dass bei einer Konjunktureintrü-
bung die im als overbanked geltenden Deutsch-
land historisch niedrigen Kreditmargen die tat-
sächlichen Risikokosten decken, mehren sich.
Darüber hinaus sind die steigende Regulierung,
der anhaltende Niedrigzins sowie die Digitali-
sierung nachhaltige Veränderungstreiber des
strukturellen Wandels.
Transformation des Bankensektors
erfordert Umdenken in der
Unternehmensfinanzierung
Die Veränderungen im Bankensektor sind be-
reits seit Längerem zu beobachten. Notwendig
wird dieser Anpassungsprozess der Banken
u. a. durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld,
welches das klassische Geschäftsmodell (Fris-
tenstransformation) unter Druck gebracht hat
und zudem die erhöhten Anforderungen aus
Basel III, welche die Kreditvergabe perspekti-
visch limitieren und verteuern.
Nach der Umsetzung von Basel III und im Rah-
men der Eigenkapitalrichtlinie CRD IV (Capital
Requirements Directive) sowie CRR (Capital
Requirements Regulation) ist durch die im No-
vember 2016 veröffentlichten Gesetzesentwür-
fe zu CRD V und CRR II (Basel IV) eine weitere
Kreditverknappung insbesondere für mittlere
Bonitäten zu erwarten. Dies sowohl durch wei-
ter steigende Anforderungen an Volumen und
Qualität des durch die Banken für ihre Risiko­
positionen zu hinterlegenden Eigenkapitals, als
auch durch die Einführung einer Obergrenze für
die langfristige Verschuldungsquote NSFR (Net
Stable Funding Ratio), die von den Banken eine
stärkere Fristenkongruenz bei der Refinanzie-
rung einfordert.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Verbrie-
fungsmarkt, der mit der Wirtschaftskrise 2008
weitgehend zum Erliegen kam, als Ventil zur
Senkung der RWA’s (Risk Weighted Assets) in
den Bankbilanzen nicht mehr im notwendigen
Maß zur Verfügung steht. Zwar versucht die
EU-Kommission, mit dem Aktionsplan zur
Schaffung der Kapitalmarktunion einen neuen
Qualitätsstandard für einfache, transparente
und standardisierte Portfolio-Verbriefungen
(Simple, Transparent and Standardized (STS)
Securitisation) zu etablieren, ob bzw. wie
schnell das Vertrauen der Investoren in den
Verbriefungsmarkt jedoch zurückgewonnen
werden kann, bleibt abzuwarten.
Durch die sich abzeichnende restriktivere Kre-
ditvergabe erodiert perspektivisch das Haus-
bankenprinzip und alternative Finanzierungs-
quellen müssen von Unternehmen erschlossen
werden.
Digitale Angebote und institutio-
nelle Investoren bieten attraktive
Finanzierungsalternativen
Mit der zunehmenden Digitalisierung des Fi-
nanzwesens durch Vernetzung über API’s (Ap-
plication Programming Interface) treten mit Fi-
nanzierungsplattformen Fremdkapitalanbieter
auf den Markt, die entweder in Partnerschaft
mit einer Bank oder mit eigener Bafin-Lizenz ei-
nerseits die Auswahl von potentiellen Finanzie-
Unternehmensfinanzierung
Zunehmende Bankenregulierung und digitale Transformation erfordern
aktive Finanzkommunikation
Andreas Beitzen, Head of Business Development SME & MidCaps Region DACH,
Euler Hermes Rating GmbH, Hamburg
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