wirtschaft und weiterbildung 4/2017 - page 45

wirtschaft + weiterbildung
04_2017
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Augenhöhe. Als Vorgesetzter hat er ledig-
lich aus organisatorisch-pragmatischen
Gründen das letzte Wort. Die japanische
Stichprobe bevorzugt einen eher hierar-
chischen Führungsstil, bei dem Mitarbei-
ter und Chef menschlich und von den Be-
fugnissen her eine große Distanz trennt.
Hier wird erwartet, dass der Chef klare
Ansagen macht und weiß, wo es lang-
geht.
Als Peter dies sieht, wird ihm schlagartig
klar, woher das seltsam verhaltene Ge-
baren seiner Mitarbeiter in Japan rührt,
wenn er sie um Rat fragt oder einen kum-
pelhaften Witz macht.
Auch hier verursacht sein Verhalten also
eine Verunsicherung: Ist Peter überhaupt
ein richtiger Chef, wenn er nicht klar sagt,
wo es langgeht, komische Sachen aus-
probieren will und dann auch noch um
Rat fragt? An diesem Punkt stellt sich im
Coaching bei Peter – wie auch regelmä-
ßig bei anderen Coachees oder Teams im
interkulturellen Training – eine spontane
Erleichterung ein: Die Reibung auf beiden
Seiten rührt nicht von menschlichem Ver-
sagen her. Hier spielen zwei Parteien ein-
fach mit unterschiedlichen Spielregeln.
Neue Strategien, um Zusam-
menarbeit zu optimieren
Nach diesen Erkenntnissen erarbeitet
Peter mit dem Coach einige konkrete
Maßnahmen, um die Zusammenarbeit zu
verbessern. Für ihn ist klar, dass es nicht
infrage kommt, auf kreative und pragma-
tische Lösungen in den IT-Projekten zu
verzichten. Er wird aber in Zukunft kla-
rer die Verantwortung dafür übernehmen
und als Chef sicherer und etwas distan-
zierter auftreten. Jetzt kommen auch die
Stärken der Zusammenarbeit ins Spiel,
die im CWQ deutlich geworden sind:
Die Dimensionen Leistungsorientierung,
Langzeitorientierung und eine Neigung
zu eher Gruppen- statt individueller Ori-
entierung sind bei den Japanern offenbar
im Mittel stärker ausgeprägt als bei Peter,
gehen aber insgesamt in dieselbe Rich-
tung.
Der enorme Fleiß, die Hilfsbereitschaft
und der lange Atem seiner japanischen
Kollegen erklären sich hierdurch. Sie
Fünf Dimensionen in Kürze
Peters CWQ-Ergebnisse.
Peters persönliche kulturelle
Präferenzen machen ihn zu einem „typisch untypischen
Deutschen“. Nur bei den Dimensionen 2, 4 und 5 liegt er im
„deutschen Mittelwert“ (Interpretation im Artikel).
Quelle: Twist Consulting Group, München
70
60
50
40
30
20
1) Individuelle
Orientierung
2) Hierarchische
Orientierung
3) Sicherheits-
bedürfnis
4)Leistungs-
orientierung
5) Langzeit-
orientierung
Gruppen-
orientierung
Partizipative
Orientierung
Toleranz gegenüber
Uneindeutigkeit
Orientierung
Lebensqualität
Kurzzeit-
orientierung
60
63
50
28
22
Punktwert
Dimension Unsicherheit
Sicherheitsbedürfnis.
Es ist in Japan hoch, bei Peter gering,
da er hohe Toleranz gegenüber Uneindeutigkeiten zeigt.
Quelle: Twist Consulting Group, München
100
90
80
70
60
50
40
30
20
Sicherheitsbedürfnis
Toleranz gegenüber Uneindeutigkeit
Deutschland
Mexiko
Frankreich
Japan
USA
Peter
86
92
22
46
65
82
Punktwert
Sonja Nitsch
ist
seit
2010
Geschäftsführerin
der Münchner Twist
Consulting Group.
Sie ist Ansprechpartnerin für nationale
und internationale Neukunden und hat
selbst im Ausland (Russland und Spa-
nien) für längere Zeit gelebt und gear-
beitet.
Twist Consulting Group
Inhaberin Dr. Claudia Harss
Siegfriedstraße 8, 80803 München
Tel. 089 8905194-0
Marion Zikeli
ist Diplom-Psycho-
login und systemi-
scher Coach. Sie
arbeitet seit 2015
als freiberufliche Unternehmensberate-
rin bei der Twist Consulting Group. Ihre
Arbeitssprachen sind Rumänisch, Eng-
lisch, Französisch, Italienisch und natür-
lich Deutsch.
Twist Consulting Group
Inhaberin Dr. Claudia Harss
Siegfriedstraße 8, 80803 München
Tel. 089 8905194-0
AUTORINNEN
decken sich mit Peters innerer Wertehal-
tung, übertreffen aber seine Erwartun-
gen und das, was er selbst zu leisten in
der Lage wäre. Hier nimmt er sich vor,
künftig mit besonderer Wertschätzung
und ehrlichem Lob zu reagieren. Mittel-
fristig möchte Peter seine Aha-Erlebnisse
gerne mit dem japanischen Team teilen.
Er plant daher im Folgequartal einen ein-
tägigen interkulturellen Team-Workshop,
bei dem auf Basis der CWQ-Ergebnisse
des gesamten Teams verschiedene Irri-
tationen, aber auch positive Erlebnisse
am Arbeitsplatz analysiert und „neue ge-
meinsame Spielregeln der Zusammenar-
beit“ entwickelt werden.
Sonja Nitsch/Marion Zikeli
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