wirtschaft und weiterbildung 4/2017 - page 43

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wirtschaft + weiterbildung
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eine schnelle pragmatische Lösung, wie
in der US-Niederlassung Chicago, ist in
Tokio nicht drin. Auch das Mitarbeiter-
Chef-Verhältnis ist irgendwie steif und
seltsam: Wenn ich als Vorgesetzter einen
Witz mache oder das Team um Rat frage,
reagieren einige japanische Kollegen ver-
klemmt und ratlos. Aber ich will nicht
ungerecht sein: Alle sind ungeheuer flei-
ßig und diszipliniert. Die Jungs bleiben
oft lange über die offizielle Arbeitszeit
hinaus und ruhen nicht, bis die Aufgabe
erledigt ist. Trotzdem: Insgesamt dauert
alles lange und ist ungemein anstren-
gend. Mache ich etwas falsch?“
Nun wird das Testergebnis des CWQ
hinzugezogen, denn Peter will besser
verstehen, ob ein Teil seiner eigenen Per-
sönlichkeit, vielleicht auch seine deut-
sche Prägung, etwas damit zu tun haben,
wenn die Zusammenarbeit in einem Land
klappt und in einem anderen holpert. Der
siebenseitige Ergebnisbericht von Peters
CWQ war online bereits wenige Minuten
nach dem Ausfüllen abrufbar. Der Bericht
enthält für jede der fünf Kulturdimensio-
nen, die sich im Alltag nachweislich auf
die internationale Zusammenarbeit aus-
wirken, Peters individuellen Mittelwert.
Damit werden seine persönlichen, hand-
lungsleitenden Werte und Einstellungen
sichtbar und können in Bezug zu fünf
Referenzländern gesetzt werden.
Peter hat sich bei der Auswahl der Länder,
mit denen sein individuelles Testergebnis
verglichen wird, an den Standorten der
wichtigsten Niederlassungen seines Un-
ternehmens orientiert. Diese sind Japan,
Frankreich, USA und Mexiko. Außerdem
will er wissen, wie er selbst tickt und in-
wieweit sein persönliches Profil von den
Mittelwerten seiner Heimat Deutschland
abweicht.
Peters persönliche kulturelle Präferen-
zen sind hinsichtlich der fünf Kulturdi-
mensionen, die mit dem CWQ erfasst
werden, nur bei drei Dimensionen „ty-
pisch deutsch“: So bevorzugt er, wie die
Mehrzahl der Deutschen, einen partner-
schaftlichen Führungsstil und hat Pro­
bleme mit autoritären Chefs (Dimension
Machtdistanz ist niedrig ausgeprägt. Er
hat eine partizipative Orientierung). Er ist
leistungs- und wettbewerbsorientiert (Di-
mension Leistungsorientierung ist eher
hoch) und er kann für ehrgeizige Ziele,
die in der Zukunft liegen, eigene Bedürf-
nisse eine ganze Weile zurückstecken
(Dimension Langzeitorientierung). Ab-
weichend vom deutschen Mittelwert (und
damit am äußeren Rand der deutschen
Gaußkurve) liegt Peters außergewöhnli-
che Kreativität und Lust an unkonventio-
nellen Lösungen.
Im Gegensatz zu der Mehrzahl der Deut-
schen, die ein großes Sicherheitsbedürf-
nis an den Tag legen, ist seine Fähigkeit,
Unsicherheit auszuhalten und sich auf
unerprobtes Terrain zu begeben, sehr
hoch (Dimension Sicherheit ist niedrig
ausgeprägt. Es gibt eine Toleranz gegen-
über Uneindeutigkeit). Kein Wunder also,
dass es ihn immer schon ins Ausland
gezogen hat. Peter erkennt durch seine
eigenen Abweichungen vom deutschen
Mittelwert etwas sehr Wichtiges: Dass es
nämlich „den typischen Deutschen“ nicht
gibt. Er wird sich also hüten, die im CWQ
angegebenen Durchschnittswerte der an-
deren Länder als sichere Prognose dafür
misszuverstehen, wie jeder Amerikaner
oder jeder Japaner denkt und fühlt. Die
Ländermittelwerte, die im CWQ ange-
geben sind, dienen lediglich als „grober
Kompass“. Die Länderwerte geben erste
Hinweise auf unterschiedliche kulturelle
Prägungen und Verhaltenserwartungen,
die in einem Land insgesamt vorwie-
gend herrschen. Wer sie berücksichtigt
und kennt, vermeidet die schlimmsten
Fettnäpfe besser. Die Länderwerte pro
Dimension sind oft bereits „Augenöffner“
für typische Reibungspunkte im täglichen
Umgang mit Kollegen aus anderen Kultu-
ren. So auch in Peters Fall:
Starke Abweichungen von den
japanischen Kollegen
Im folgenden Teil von Peters Testbericht
ist für jede Dimension in einem Balken-
diagramm dargestellt, wie Peters persönli-
che CWQ-Werte im Vergleich zum Mittel-
wert der ausgewählten fünf Länder ausse-
hen. Besonders interessant sind in Peters
Foto: Mike Focus / shutterstock.com
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