wirtschaft und weiterbildung 05/2015 - page 23

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wirtschaft + weiterbildung
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auch die Forscher Morgan McCall, Bob
Eichinger und Michael Lombardo vom
Center for Creative Leadership, die die 70-
20-10-Regel formuliert haben, sind sich
sehr wohl bewusst, dass nicht jeder Mit-
arbeiter gleichermaßen aus Erfahrungen
lernt. Es braucht demnach eine „Learning
Agility“. Lernagile Führungskräfte su-
chen aktiv nach persönlichen Wachstum-
schancen. Lernen hört für sie nicht auf.
Sie stellen sich selbst infrage, reflektieren
Schwächen, sind offen für neue Wege
und trennen sich von überholten Sicht-
weisen und Fertigkeiten, wenn es die Si-
tuation erfordert.
Learning Agility besteht aus fünf Facet-
ten, die laut Mitchinson/Morris mit dem
„Learning Agility Assesment Inventory“
erfasst werden können. Förderliche ist es,
wenn man folgende Faktoren hat: Inno-
vating, Performing, Reflecting, Risking.
Nachteilig ist der Aspekt „Defending“.
Lernagilen Führungskräften gelingt es,
aus herausfordernden Situationen wich-
tige Lerneinsichten zu destillieren und
diese künftig gewinnbringend anzuwen-
den. Schlussendlich ist es aber nicht die
Erfahrung, die zum Lernen führt, son-
dern die Tatsache, dass darüber reflek-
tiert wurde. Es kommt immer darauf an,
dass Schlüsse für künftiges Handeln ge-
zogen werden. Erst durch die bewusste
Auswertung von Erfahrungen wird Er-
fahrungslernen wirksam. Informal Lear-
ning besteht demnach aus vier Stufen:
1. der Erfahrung, 2. dem Feedback, 3.
der Reflexion und 4. der Absicht, etwas
zu lernen. Wie Vera Hagemann in ihrer
Dissertation „Trainingsentwicklung für
High Responsibilty Teams“ ausführt, lässt
sich diese Form des Erfahrungslernens
bewusst in den Arbeitsalltag als „After
Action Review“ (AAR) integrieren. Laut
Studien von Michael Lombardo sind in
der Belegschaft größerer Firmen nur etwa
10 Prozent lernagile Menschen vertreten.
60 Prozent sind lerntechnisch eher pas-
siv. Die restlichen 30 Prozent haben mit
Lernen gar nichts am Hut.
Forschung zum Lerntransfer
Auch die Lerntransfer-Forschung leistet
einen Beitrag zum Thema. Bereits Timo-
thy Baldwin und Kevin Ford machten in
ihrem Lerntransfer-Modell von 1988 deut-
lich, dass bestimmte Charakteristika von
Personen, den Lerntransfererfolg deutlich
beeinflussen. Rebecca Grossmann und
Eduardo Salas haben in ihrem 2011 ver-
öffentlichten Artikel „The transfer of trai-
ning: what really matters“ im Internatio-
nal Journal of Training an Development
den Stand der Forschung zusammenge-
fasst. Insgesamt zeigen sich die stärksten
Zusammenhänge bei den folgenden vier
Faktoren:
1.
Kognitive Fähigkeiten
Das sind alle geistigen Prozesse, die man
braucht, um sich Wissen und Fertigkeiten
anzueignen, zu merken und anzuwen-
den, aber auch, um aus Erfahrungen zu
lernen. Ein Maßstab dafür ist die Intelli-
genz.
2.
Selbstwirksamkeit
Damit ist das Vertrauen in die eigenen
Einflussmöglichkeiten gemeint, das sich
darin ausdrückt, dass man sich von Hin-
dernissen nicht abhalten lässt, Aufgaben
zu bewältigen und Ziele zu erreichen.
Das ist für Trainingsprogramme beson-
ders bedeutsam, weil es Anstrengung
und Ausdauer braucht, neues und unge-
wohntes Verhalten in der Praxis umzuset-
zen und nicht bei den ersten Rückschlä-
gen und Anfangsschwierigkeiten aufzu-
hören. Hohe Selbstwirksamkeit wirkt sich
letztendlich auch positiv auf die eigene
Motivation aus.
3.
Transfermotivation
Die Motivation bestimmt, wie intensiv,
zielorientiert und konsequent eine Person
versucht, Ziele zu erreichen. Und dazu ist
erforderlich, dass die Trainingsteilnehmer
sich als lernfähig erleben und der Mei-
nung sind, dass ihre Lernanstrengungen
am Ende zu besseren Leistungen im Job
führen, die den Aufwand lohnen.
4.
Wahrgenommener Nutzen
Eng mit der Motivation verbunden ist der
wahrgenommene Wert beziehungsweise
der Nutzen, den die Umsetzung von Trai-
ningsinhalten mit sich bringt. Teilnehmer
müssen den Eindruck haben, dass der
Erwerb von neuen Fertigkeiten hilft, im
Job erfolgreicher zu sein. Dazu müssen
sie aber zunächst auch einen Handlungs-
bedarf sehen. Genauso wichtig ist, dass
gelernte Inhalte praktisch anwendbar er-
scheinen.
Zur neuesten Forschung gehört in diesem
Zusammenhang das „Transferstärke-Mo-
R
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