Personalmagazin 7-2018 - page 62

Gehaltspyramide stehen. Was ich nicht
weiß, macht mich nicht heiß – das mag
da das Motto sein. Wer mehr verdient als
die Kollegen, hat Angst vor der Veröffent-
lichung eigener Privilegien. Wer weniger
bekommt, fürchtet das Gefühl, für dumm
verkauft worden zu sein.
Wirtschaftspsychologen wie Florian Be-
cker von der Wirtschaftspsychologischen
Gesellschaft in München warnen: Ge-
danken ans Gehalt vergifteten die Atmo-
sphäre. Wer an Geld denke, sei weniger
hilfsbereit. Die Zusammenarbeit leide.
Dies ist in einem starren Gehaltsgefüge
mit traditionellen Anreizen wohl richtig.
Die einschlägigen Forschungsergebnisse
berücksichtigen aber regelmäßig nicht
Gehaltsexperimente, die in einen New-
Work-Kontext eingebunden sind. So wird
der Glaube zementiert, dass Gehaltstrans-
parenz stets zu Zerwürfnissen führt.
Aspekte von New Pay
Entlang der Grundgedanken von New
Work und basierend auf dem Input aus
unserer Blogparade lassen sich folgende
Aspekte von New Pay festhalten:
1. Partizipation: Mitarbeiter gestalten
das Modell der Gehaltsfindung mit.
2. Neues Leistungsverständnis: Alter-
native Anreize ersetzen starre Boni.
3. Hierarchieunabhängige Gehaltsmo-
delle: Führung wird neu bewertet.
4. Selbstbestimmung: Das eigene Ge-
halt lässt sich mitbestimmen.
5. Gehaltstransparenz: Prozesse und/
oder Gehaltssummen sind offen.
6. Fairness: Mitarbeiter bekommen
gleiches Geld für gleiche Arbeit,
Managergehälter sind gedeckelt.
7. Zeit ist Geld: Freizeit und Flexibilität
gehören zum Entgelt.
8. Scheitern als Option: Das Gehaltsmo-
dell kann sich weiterentwickeln.
Wie bei anderen New-Work-Themen sind
auch bei New Pay sicher nicht alle An-
sätze gleichermaßen umsetzbar. Die Ge-
haltsfindung sollte sich am Nutzen fürs
Unternehmen, Branche und Berufsbild
ausrichten. Sie durchbricht jedoch fast
immer alte Muster und hinterfragt klassi-
sche Entgeltinstrumente. Die Palette der
Ansätze reicht vom Einheitsgehalt über
transparente Gehaltsverhandlungen bis
zumWunschgehalt oder selbstgewählten
Gehalt. Die Übergänge sind fließend.
Alle Ansätze haben auch Nachteile. So
kann etwa das Einheitsgehalt die jeweilige
Mitarbeiterleistung kaum widerspiegeln.
BeimWunschgehalt oder selbstgewählten
Gehalt kommen Budgetrestriktionen in
die Quere. Viele Modelle arbeiten ferner
mit kollektiven Verhandlungsrunden. Da
entsteht sozialer Druck, den es zu kanali-
sieren gilt. Eine klare Definition von New
Pay erscheint somit schwierig. Wie New
Work ist New Pay ein System, das lebt,
atmet und sich nach Bedarf anpasst. Ziel
ist die eigene, individuelle Lösung.
Praxisbeispiel 1:
Einheitsgehalt bei den
CCP-Studios
Die CPP-Studios in Offenbach, eine Mi-
schung aus Kommunikationsagentur, De-
signbüro und Erfinderwerkstatt, zahlen
allen Mitarbeitern unabhängig von Alter
und Funktion das gleiche Gehalt. Nur Ge-
schäftsführer und Inhaber Gernot Pflüger
bekommt etwas mehr, weil er mit seinem
Vermögen haftet. Seit fast 30 Jahren hält
sich die Agentur damit in einem der wett-
bewerbsintensivsten Marktbereiche. Das
Firmenkonto ist für jeden einsehbar und
am Jahresende entscheiden die Mitar-
beiter gemeinsam über die Höhe ihrer
Sonderzahlung. In guten Jahren sind
es bis zu 15 Monatsgehälter, aber auch
Gehaltskürzungen gab es schon. Zwi-
schenzeitlich hatte CPP den Einheitslohn
verwässert, auf Wunsch langjähriger Mit-
arbeiter. Unmut war aufgekommen, da
neue Kollegen vom Start weg das Gleiche
verdienen. Doch schon ein halbes Jahr
später kehrte die Firma einstimmig zum
Einheitsgehalt zurück. Die Änderung hat-
te die Verantwortungsbereitschaft neuer
Kollegen stark beeinträchtigt.
Praxisbeispiel 2:
Selbstgewähltes
Gehalt bei V & S
Die Vollmer & Scheffczyk GmbH (V & S)
ist eine kleine Managementberatung für
den Maschinenbau in Stuttgart. Dort wäh-
len die Mitarbeiter ihr Gehalt selbst. Die
Unternehmensfinanzen und Gehälter der
anderen Mitarbeiter kann jeder Kollege
einsehen. Die Gehaltsliste enthält zudem
SVEN FRANKE ist Gründer und ge-
schäftsführender Gesellschafter der
CO:X UG sowie Sparringspartner, Autor
und Speaker.
STEFANIE HORNUNG ist New-
Management-Expertin und Head of
Communications bei der Publishing
Exhibition GmbH & Co. KG.
NADINE NOBILE ist Gründerin und
Geschäftsführerin der CO:X UG sowie
Speakerin und Gründerin des Netzwerks
New Work Women.
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Strategie & Führung
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