Personalmagazin 7-2018 - page 56

Veränderungen möglichst rechtzeitig zu antizipieren, selbst
innovativ und veränderungsbereit zu sein, ständig als Organisa-
tion zu lernen und dieses Wissen allen relevanten Personen zur
Verfügung zu stellen. Die dominante Geschäftsstruktur solcher
Organisationen ist dabei nicht mehr die arbeitsteilige Struktu-
rierung von funktionalen Spezialisten, sondern das Netzwerk,
in dem bereichsübergreifend Kollaborationszirkel zusammen-
arbeiten. Ein Netzwerk ist dabei eine abgegrenzte Menge von
Akteuren und die Beziehung zwischen ihnen. Es lässt sich formal
durch Knoten und die dazwischen verlaufenden Kanten (Edge)
charakterisieren. Knoten können Individuen, Gruppen oder
auch ganze Organisationen sein. Kanten sind Beziehungen und
Verbindungen zwischen den Knoten. Einzelne Akteure können
die Knoten in Netzwerken miteinander in Beziehung setzen
und dadurch eine Broker-Funktion wahrnehmen. Eine solche
Broker-Funktion könnte HR im Netzwerk zukommen, in dem
HR selbst starke Beziehungen entwickelt und im Sinne starker
Kanten diese bei anderen Netzwerkpartnern fördert. Wenn also
in agilen Organisationen das Netzwerk dominiert, muss HR Teil
dieses Netzwerks werden und sich entsprechend strukturieren.
Vermutlich wird es aber kein eigenständiges HR-Netzwerk ge-
ben, sondern (zumindest) in Teilen wird HR im agilen Netzwerk
der Gesamtorganisation aufgehen.
Welche Konsequenzen hat die VUCA-
Welt für Strategie, Strukturen, Prozesse,
Führungssysteme und die Kultur von HR?
Agilität ist dabei nicht in allen Bereichen der Organisation gleich
stark ausgeprägt. Vielmehr wird es innerhalb einer Organisation
unterschiedliche Reifegrade an Agilität geben. Diese Reifegrade
finden sich auch nicht nur in der Struk-
tur. Es ist vielmehr erforderlich, Organi-
sationen ganzheitlicher zu denken und
dabei unterschiedliche Dimensionen zu
unterscheiden.
Das von uns entwickelte sogenannte
Trafo-Modell unterscheidet sechs Dimen-
sionen einer agilen Organisation (bezie-
hungsweise sechs Dimensionen entlang
derer sich die agile Transformation ei-
ner Organisation vollziehen muss). Diese
sechs Dimensionen sind: Struktur, Pro-
zesse, Strategie, Kultur, Führung und HR.
Wenn die HR-Funktion also der Logik der
Organisation folgt, dann eben nicht nur
seiner strukturellen Vorgabe. Vielmehr
ist eine Anpassung der HR-Organisation
an den agilen Reifegrad in allen sechs
Dimensionen erforderlich.
Die sechs Dimensionen des
Agile-HR-Edgellence-Modells
Die Frage, die die Grundlage für ein neu-
es, zeitgemäßes HR-Organisationsmodell
bildet, lautet also: Welche Konsequenzen
hat die VUCA-Welt für die Strategie, die
Strukturen, die Prozesse in der Zusammenarbeit, die Führungs-
systeme, die Tools sowie die Kultur von HR?
An dieser Stelle lohnt es sich, die sechs Dimensionen des Tra-
fo-Modells genauer anzuschauen, aus denen schließlich unser
„Agile HR Edgellence“-Modell entstanden ist.
1. Kundenzentrierte HR-Strategien
Bezüglich der eigenen Strategie ist HR häufig dabei, die Unter-
nehmensstrategien zu kaskadieren, um ihre internen Kunden
(Führungskräfte und Mitarbeiter) zu bedienen. Das wird nicht
mehr ausreichen, um in den komplexen Umwelten der agilen
Organisationen einen ausreichenden Mehrwert zu erzielen. Zwei
zentrale Zielfelder sind zukünftig für die HR-Strategie relevant:
die Kundenzentrierung und die Mitarbeiterzentrierung.
Kommen wir zuerst zur Kundenzentrierung: HR wird in der
VUCA-Welt sein Kundenverständnis von einer Inside-out-Denk-
weise zu einer Outside-in-Denkweise ändern müssen. Im Mit-
telpunkt des Denkens und Handelns von HR stehen nicht mehr
länger Führungskräfte und Mitarbeiter als vermeintliche „Kun-
den“, sondern der Endkunde. HR wird sich die Frage stellen
müssen, was der Endkunde davon hat, dass es HR gibt. Das gilt
nicht nur für HR als Funktion, sondern auch für jedes Tool (zum
Beispiel Mitarbeitergespräch, Vergütungsmodelle et cetera), das
HR entwickelt. HR wird so die Zukunftsfähigkeit der Organisa-
tion mit Endkundenausrichtung mitgestalten müssen. Damit
erhöht HR den Beitrag zum Kundennutzen und wird weniger
als Element der Trägheit der Organisation wahrgenommen.
Parallel dazu wird sich die Rolle von HR noch mitarbeiter-
zentrierter ausrichten müssen. Mitarbeiterzentrierung meint
dabei, Lösungen zu finden, damit Teams selbstverantwort-
lich und selbstorganisiert Kundennutzen schaffen können.
HR-Business-Partner-Modell vs. Agile-HR-Edgellence-Modell
HR-Business-Partner-Modell
Agile-HR-Edgellence-Modell
Strategie
Konzentration auf Top­
management, Führungskräfte
und Mitarbeiter
Konzentration auf den Endkunden
des Unternehmens
Struktur
zentrale HR-Einheit mit funktio-
nalen Silos
dezentrale HR-Organisation mit
crossfunktionalen Teams als Teil
des Netzwerks
Prozesse
wasserfallartig und Multitasking
(vieles gleichzeitig anfangen und
wenig Ergebnisfokus)
iterative, inkrementelle
und fokussierte Ergebnisse
HR-Tools
one size fits all
nutzerbezogen und individuell
Führung
zentral und kompetitiv
kollaborativ und verteilt
mit hohem Grad an Empowerment
Kultur
Kontrolle
Befähigung
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Strategie & Führung
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