Personalmagazin 7-2018 - page 102

Das Projekt zur Einführung eines neuen CRM-Systems lief gut und
das „Go Live“ stand bevor. Die Abstimmung mit dem Betriebsrat
schien nur noch eine Formalie – doch dann kam alles ganz anders.
Als Kathrin vor gut 18 Monaten beauftragt wurde, ein mo-
dernes, cloudbasiertes CRM-System für die Vertriebsmitarbeiter
im Unternehmen einzuführen, schien sich ein langersehnter
Wunsch des Vertriebsbereichs zu erfüllen. Kurzerhand gründete
Kathrin eine kleine Projektgruppe, in der sie gemeinsam mit
Kollegen die Anforderungen an das neue CRM-System sammelte.
Danach konnte die Suche nach einem Anbieter starten.
Dennoch wandelte sich die erste Euphorie in ein unerwar-
tetes Geduldsspiel: Das für das Projekt
freigegebene Budget war knapp kal-
kuliert, Business-Cases mussten hoch
und runter gerechnet werden und auch
die technische Einbindung der Schnitt-
stellen zum ERP-System gestaltete sich
schwierig. Nicht zuletzt wurde das neue
CRM-System unternehmensintern be-
reits als die Lösung schlechthin platziert,
um die Vertriebsziele im kommenden
Jahr zu erreichen. Der Druck auf Kath-
rin und ihre Kollegen nahm zu, auch
weil ihr Bereichsleiter bereits ein Datum
für den „Go Live“ gesetzt hat, um den
Fachbereich politisch ins rechte Licht
zu rücken.
Nachdem der Business-Case vom Fi-
nance-Bereich endlich abgesegnet war
und der Einkauf seine obligatorische
fünf Prozent Preisreduktion verhandelt hatte, konnte der Ver-
trag unterzeichnet werden. Darauf folgten erste Prozess-De-
sign-Workshops mit dem Softwareanbieter. Die Zeit drängte.
Nur noch drei Monate bis zum im Management-Board kommu-
nizierten Starttermin. Aufgrund des Zeitdrucks entschied man
sich, einige Prozesse erst nach dem „Go Live“ zu definieren und
zunächst von einer Beta-Phase zu sprechen. Das Projektteam
konfigurierte das System, versendete erste Trainingstermine für
die Vertriebskollegen und auch die Marketingmaschinerie zur
unternehmensweiten Kommunikation der Jahresauftaktveran-
staltung – hier sollte mit einem „Big Bang“ das neue CRM allen
Kollegen vorgestellt werden – wurde angeleiert. Tatsächlich
sollte der
Big Bang
auch erfolgen, jedoch anders als erwartet...
Getrieben vom Projekterfolg und der Euphorie hatte Kathrin
nämlich den Betriebsrat vergessen. Dunkel erinnert sie sich, dass
der Softwareanbieter im ersten Pitch noch den Hinweis gab, das
CRM-System bei Gelegenheit dem Betriebsrat vorzustellen. Bis
dato war dies jedoch nicht erfolgt. Kathrin und der Betriebs-
ratsvorsitzende unterhielten sich im Anschluss an die Jahres-
auftaktveranstaltung. Sie hatte gehofft, dass sich das Gremium
nach ausführlicher Information von den Vorteilen des neuen
Systems überzeugen lässt. Der Betriebsratsvorsitzende formu-
lierte jedoch schroff: „Wir winken das nicht durch, hier sind
einschlägige Mitbestimmungsrechte tangiert.“ Kathrin erkannte,
dass es ein Fehler war, den Betriebsrat nicht einzubeziehen. Ein
Kommunikationsfehler, der zu einem Vertrauensverlust führte
und nun mit viel Aufwand korrigiert werden musste.
Tatsächlich waren die Schwierigkeiten jedoch größer. Denn als
sich der Betriebsrat mit dem Projekt beschäftigte, stellte er un-
angenehme Fragen und wies auf offene
Punkte hin. „Wie soll das funktionieren,
sind unsere Vertriebskollegen doch nicht
durchgängig mit Tablets ausgestattet?“,
bekam Kathrin zu hören. Oder: „Das
neue CRM-System hat Auswirkungen
auf das Provisionssystem der Vertriebs-
mitarbeiter. Ist das mit dem Fachbereich
abgestimmt?“ Ein Punkt, an den Kathrin
bisher nicht gedacht hatte. Spätestens in
diesem Moment war klar: Es war mehr
als ein Kommunikationsfehler, den Be-
triebsrat nicht einzubeziehen. Es stellten
sich neue Fragen, die nicht innerhalb
von ein paar Tagen zu lösen waren. Kath-
rin wurde klar: Der „Big Bang“ war nicht
das „Go Live“, sondern der Projektstopp.
Wie aber sollte die Projektleiterin mit
der neuen Situation umgehen? Dem Be-
triebsrat den Schwarzen Peter zuschieben, weil er die Einführung
von neuen Technologien blockiert? Damit würde sie zwar von
eigenen Fehlern ablenken, ihr wurde jedoch schnell klar: Tat-
sächlich hatte der Betriebsrat nicht blockiert, sondern echte
Schwachpunkte im Projekt erkannt. Und: Für die weitere Um-
setzung des Projekts war Kathrin auf die Kooperation mit dem
Betriebsrat angewiesen.
Stopp statt Start:
Blockadehaltung des Betriebsrats
oder doch Managementfehler?
MARCO HOLZAPFEL schreibt in der
Kolumne über die Zusammenarbeit von
Betriebsrat und Arbeitgeber. Der ehemali-
ge Personalmanager und Gründer der Be-
ratung Betriebsdialog ist überzeugt, dass
fast alle Konflikte durch gute Kommunika-
tion und Beteiligung zu lösen sind.
Illustration Lea Dohle
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personalmagazin 07.18
HR-Management / Klassenkampf
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