Personalmagazin 6/2017 - page 68

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RECHT
_FORMVORSCHRIFTEN
personalmagazin 06/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
akzeptiert oder ob er sich an eine Verein-
barung auch ohne Schriftform hält. Das
gilt selbst dann, wenn sich die Parteien
einig waren, dass man „auf den Schrift-
kram“ verzichten kann.
Das Problem: Es ist nicht immer auf
den ersten Blick zu erkennen, ob eine
solche unabdingbare Schriftform im Ein-
zelfall vorliegt. Manchmal kann daher
erst eine arbeitsgerichtliche Auslegung
nach dem Sinn und Zweck der Formvor-
schrift Aufschluss über die Konsequenz
eines Schriftformfehlers ergeben.
Form-Kategorie 3:
Schriftform als Beweislastregel
Es gibt auch Fälle, in denen im Gesetz
angeordnet wird, etwas schriftlich zu
tun – ohne dass jedoch ein Verstoß da-
gegen direkte Auswirkungen auf die
Wirksamkeit der zugrunde liegenden
Vereinbarung hat. Paradebeispiel ist die
Pflicht nach dem Nachweisgesetz, die
wesentlichen Vertragsbedingungen des
Arbeitsverhältnisses „schriftlich nieder-
zulegen“. Über die Konsequenzen bei
Nichteinhaltung dieser Formvorschrift
schweigt sich das Gesetz aus. Die Ar-
beitsrechtler sind sich aber einig: Diese
Schriftform hat keine vertragsrechtlich
durchgreifende Bedeutung. Denn der
Arbeitsvertrag kann – im Gegensatz
zum Aufhebungsvertrag – grundsätzlich
formlos, also auch mündlich, geschlos-
sen werden.
Dennoch: Eine Nichtbeachtung ist des-
halb nicht ohne Konsequenzen. Einholen
kann den Arbeitgeber sein Schriftform-
fehler nämlich dann, wenn ein Streit
über das mündlich Vereinbarte aufkom-
men sollte. Hier kann der Arbeitgeber in
Beweisnot geraten. Ist zum Beispiel der
Stundenlohn strittig, muss nach den Be-
weislastregeln nicht der Arbeitnehmer
seinen Anspruch beweisen, sondern es
wird der Arbeitgeber in die Pflicht ge-
nommen. Zumindest muss er den Nach-
weis erbringen, einen Lohn unterhalb
des „Üblichen“ vereinbart zu haben.
Gerade in den Fällen, in denen die
Form nur deklaratorischen oder bloßen
Beweischarakter haben soll, verzichtet
das Gesetz jedoch auch auf die strenge
Forderung von Papier und Tinte und lässt
die sogenannte Textform zu. Diese muss
jedoch ausdrücklich im Gesetz genannt
sein. Die Textform führt zu einer enor-
men Erleichterung, da dadurch nicht nur
eine Speicherung in der elektronischen
Personalakte möglich wird. Auch jede an-
dere digitale Form – sei es die Whatsapp-
Nachricht oder eine andere Mitteilung in
sozialen Medien – ist denkbar, denn nach
§ 126b BGB reicht eine „lesbare Erklä-
rung, in der die Person des Erklärenden
genannt ist“ und die „auf einem dauerhaf-
ten Datenträger abgegeben“ wird.
Form-Kategorie 4:
Die gewillkürte Schriftform
Beim Abschluss von Arbeitsverträgen
sollte nicht nur das, was der Gesetzgeber
als formbedürftig anordnet, eine Rolle
spielen. Grundlage eines Arbeitsvertrags
kann daher auch die Bestimmung sein,
dass jeglicher Inhalt des Arbeitsvertrags
oder einzelner Klauseln nur durch eine
schriftliche Vereinbarung wieder abge-
ändert werden können. Ob diese soge-
nannte gewillkürte Schriftform sinnvoll
ist, hängt vom Einzelfall ab. Einerseits
schafft sie klare Verhältnisse, anderer-
seits schränkt dies aber die Möglichkei-
ten ein, den Vertrag durch mündliche
Absprachen flexibel zu halten.
Für die vertragliche Ausschlussfrist ist
jedoch der generelle Rat zu einer Form-
verpflichtung angebracht. Eine solche
Klausel stellt sicher, dass über Ansprüche
aus dem Arbeitsverhältnis nur dann ge-
stritten werden kann, wenn sie in der im
Vertrag bezeichneten Form innerhalb der
genannten Frist geltend gemacht werden.
Allerdings ist Vorsicht geboten: Wer
nämlich bisher derartige Ausschluss-
klauseln mit der Anforderung „Schrift-
form“ versehen hat, muss sich eventuell
dennoch mit lang zurückliegenden An-
sprüchen herumschlagen. Denn nach
den für Arbeitsverträge einschlägigen
Vorschriften für Allgemeine Geschäfts-
bedingungen kann die Schriftform seit
Oktober 2016 nicht mehr als zwingende
Voraussetzung vereinbart werden. Dem
Arbeitnehmer muss die Möglichkeit ver-
bleiben, seine Ansprüche auch in bloßer
Textform fristgerecht zu wahren.
Wird die Echtheit einer Unterschrift in Zweifel gezogen, so muss diese bewiesen wer-
den. Liegt eine Fälschung vor, drohen nicht nur arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Auch das kommt immer wieder in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten vor: Es wird die
Echtheit einer Unterschrift angezweifelt, beispielsweise behauptet, die „Krakelei“ auf
einem Kündigungsschreiben stamme nicht vom Kündigungserklärer, sondern wurde – um
eine Frist zu wahren – von einem Dritten nachgezeichnet. Die Beweislast für die Echtheit
einer Unterschrift hat die Partei zu tragen, die sich auf die Urkunde beruft. Sie muss die
Echtheit der Urkunde beweisen und sie trägt die Folgen, sollte dies misslingen.
Eine Klärung kann hier von den Arbeitsgerichten auf unterschiedliche Weise erfolgen.
Diese können zunächst in eigener Zuständigkeit zum Beispiel durch Vergleich mit
der Unterschrift auf dem Personalausweis die Echtheit beurteilen. Werden die Fälle
schwieriger, so wird mitunter ein Sachverständiger beauftragt, der per Gutachten nach
„Auf- und Abschwung“ und sonstigen Fachkriterien die Echtheit bestätigt oder ablehnt.
Verdichten sich die Anzeichen für eine Fälschung und liegen Verdachtsmomente für eine
vorsätzliche Falschbeurkundung vor, wird das Arbeitsgericht den Vorfall an die Staatsan-
waltschaft abgeben und die arbeitsgerichtliche Streitigkeit zunächst aussetzen.
Wer hat’s unterschrieben?
NACHWEIS
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
1...,58,59,60,61,62,63,64,65,66,67 69,70,71,72,73,74,75,76,77,78,...84
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