Personalmagazin 6/2017 - page 67

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Arbeitnehmer „schriftlich eingewilligt“
hat. Oder: Nach dem Teilzeit- und Befris-
tungsgesetz muss der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer, der einen Teilzeitwunsch
äußert, spätestens einen Monat vor dem
gewünschten Beginn der Verringerung
eine Entscheidung „schriftlich mitteilen“.
Der Unterschied zu den unbedingten
Formvorschriften aus der ersten Katego-
rie besteht darin, dass ein Unterlassen
der Schriftform der zweiten Kategorie
nicht zur Nichtigkeit führt. Gleichwohl:
Werden die Formvorgaben missachtet,
hat dies in der Praxis oft eine ebenso ver-
heerende Wirkung, wie es auch bei Kün-
digungen oder Aufhebungsverträgen der
Fall sein kann – zumindest, wenn sich
die angeordnete Schriftform als unver-
zichtbare Voraussetzung darstellt, also
als sogenanntes unabdingbares Recht.
In diesen Fällen kann es sich der Ar-
beitnehmer gewissermaßen aussuchen,
ob er einen Fehler bei der Schriftform
bewirkt. Die Unterschriften unter einem
Aufhebungsvertrag müssen auf dersel-
ben Urkunde erscheinen. Diese Anforde-
rung ist jedoch auch gewahrt, wenn der
Aufhebungsvertrag in mehreren „gleich-
lautenden Exemplaren ausgefertigt wird
und jede Partei die für die andere Partei
bestimmte Urkunde unterzeichnet“.
Vorschriften über die zwingende
Verwendung von Papier und Tinte sind
jedoch in Zeiten des Internets nicht
mehr ganz zeitgemäß. Daher hat der Ge-
setzgeber schon seit geraumer Zeit die
grundsätzliche Möglichkeit geschaffen,
die Schriftform papierlos und durch eine
elektronische Signatur zu ersetzen. Dies
wird derzeit sogar für Gerichtsverfahren
eingeführt, bei denen mittlerweile pa-
pierlos rechtsverbindliche Erklärungen
abgegeben werden können.
Für Kündigungen und Aufhebungs-
verträge ist eine solche Digitalisierung
jedoch ausdrücklich ausgeschlossen.
Seit 2000 müssen Kündigungen schriftlich erfolgen, was die Beweisführung erleichtert und damit Arbeitsge-
richtsverfahren erleichtert hat. Alle Zweifelsfragen zur Kündigung sind jedoch längst nicht geklärt.
„Ich habe die Schnauze voll und gehe heim. Mach in
Zukunft Dein Zeug allein.” Wenn ein Streitgespräch
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit einem
solchen Satz endete, wurde darüber vor dem Jahr 2000
möglicherweise noch lange vor Gericht gestritten. Dies
deswegen, weil erst noch geklärt werden musste, ob
diese Bemerkung noch als allgemeiner Wutausbruch
oder schon als Kündigungserklärung des Arbeitnehmers
zu werten war. Nach heutigen Maßstäben wäre ein
Gerichtstermin nach einer Minute beendet gewesen, da
es ja an einer schriftlichen Kündigung fehlt. Wenn aber
– wie es bis zum Jahr 2000 der Fall war – auch mündli-
che Kündigungen möglich sind, kann man sich lebhaft
vorstellen, dass sich die Beteiligten – möglicherweise
sogar über mehrere Instanzen – allein darüber gestritten
hatten, ob der Wutausbruch rechtlich als „Abgabe einer
Willenserklärung mit dem Inhalt, das Arbeitsverhältnis
einseitig zu beenden“, zu verstehen war.
Häufiger stritt man sich über die Frage, ob die Par-
teien nicht beide einvernehmlich erklärt haben, das
Arbeitsverhältnis aufzuheben. Auch hier bestand in
den Neunzigern noch keine Pflicht zur Schriftform einer
Aufhebungsvereinbarung und so konnte ein Wortgefecht
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Annahme
eines Aufhebungsvertrags führen. Zumindest war es
ebenfalls der Auftakt zu zahlreichen langwierigen Strei-
tigkeiten, bei denen dann – oft unter Hinzuziehung von
zahlreichen Zeugen – der rechtliche Inhalt von Rede und
Gegenrede auf den Prüfstand gestellt wurde.
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die Ein-
führung der gesetzlichen Schriftform für Kündigung und
Aufhebungsverträge unter der gesetzlichen Überschrift
„Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz“ firmierte.
Allerdings gilt auch: Ganz sind die Streitigkeiten über
die Frage, was die Parteien meinen, nicht vermieden
worden. Geregelt ist nämlich nur die Schriftform, das
Wort „Kündigung“ oder „Aufhebungsvertrag“ braucht
nicht wörtlich verwendet werden. So gesehen könnte
der eingangs erwähnte Satz auch heute noch als Kün-
digungserklärung aufgefasst werden. Er müsste jedoch
möglichst leserlich und mit einer Unterschrift versehen
dem Arbeitgeber überreicht werden.
Worüber früher noch trefflich gestritten wurde
HISTORIE
Insbesondere im Hinblick auf fristwah-
rende Kündigungserklärungen, deren
Zugang nur in der „körperlichen“ Origi-
nalfassung und weder als Fax noch als
Scan wirken kann, ist dies eine penibel
zu beachtende Einschränkung. Außer bei
Kündigungen und Aufhebungsverträgen
kann dagegen die elektronische Fassung
wirksam sein. So beispielsweise bei der
Befristungsabrede, die zwar schriftlich
abgeschlossen werden muss, bei der
aber ein Ausschluss einer elektronischen
Signatur im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Form-Kategorie 2:
Unabdingbare Formvorschriften
Es gibt eine Vielzahl von arbeitsrecht-
lichen Vorschriften, in denen auf unter-
schiedliche Weise von „schriftlich“ die
Rede ist. So kann beispielsweise nach
dem Arbeitszeitgesetz unter bestimm-
ten Voraussetzungen auch auf Dauer
Mehrarbeit vereinbart werden, wenn der
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