44
MANAGEMENT
_FÜHREN IN CHINA
personalmagazin 05/16
Czajor:
Ja. Und sie müssen beobachten,
wie sich die Mitarbeiter entwickeln.
Ich hatte eine Mitarbeiterin, die sich im
Alter von 35 Jahren zu einer richtigen
Managerin entwickelt hat. Sie spricht
mit Behörden, vereinbart Ziele mit ih-
ren Mitarbeitern und spricht selbst mit
Vorgesetzten, die drei Hierarchieebenen
über ihr stehen, problemlos. Allerdings
hat sie ein Jahr lang in Deutschland ge-
arbeitet und hatte dort die Gelegenheit,
genau das zu erleben.
personalmagazin:
Wo entstehen Konflikte in
der Führung und wie werden sie gelöst?
Czajor:
Ein Konfliktpotenzial ist zunächst
die Sprache. Vieles funktioniert nicht
mit Übersetzer. Führungskräfte müs-
sen daher relativ schnell schauen, dass
sie einen entsprechenden Unterbau ha-
ben, mit dem sie klarkommen können.
Dabei geht es nicht nur um die direkt
unterstellten Mitarbeiter, sondern über
mehrere Ebenen hinweg. Darüber hin-
aus benötigen die Führungskräfte einen
Mitarbeiter, der für sie sprechen kann.
Ich habe zum Beispiel immer ein soge-
nanntes Morgengespräch mit einigen
Mitarbeitern praktiziert. Wenn diese
mich verstanden haben, dann wusste
ich: Ich muss nicht mehr so detailliert
auf die Ergebnisse schauen. Diese Mit-
arbeiter haben verstanden, wie wir das
bei Daimler machen. Sie wissen, wann
der Chef formal und wann er flexibel ist.
Das kann man nicht ansagen. Eine sol-
che Entwicklung funktioniert nur über
Gespräche in kleiner Runde und über
Erklärungen: Warum habe ich das so
gemacht.
„Möglichst viel Hierarchie“
INTERVIEW.
Personaler, die Führungskräfte nach China entsenden, unterschätzen häufig
die Konfliktpotenziale. Ein HR-Manager mit langjähriger China-Erfahrung berichtet.
personalmagazin:
Welche Unterschiede be-
stehen zwischen China und Deutschland
bei Führung und Kommunikation?
Jürgen Czajor:
Chinesische Mitarbeiter
sind hierarchische Strukturen gewohnt
und akzeptieren diese auch. Wir Deut-
schen sind es gewohnt, dass in Meetings
auch einem Direktor mal ins Wort gefal-
len wird. Das würden die chinesischen
Mitarbeiter eher nicht tun. Sich aktiv
einzubringen, funktioniert in China nur
in kleinen Kreisen und erfordert viel
Vertrauen.
personalmagazin:
Welche klassischen Füh-
rungsstile eignen sich für die Mitarbeiter-
führung in China und welche nicht?
Czajor:
In Deutschland können Führungs-
kräfte bei guten Fachreferenten mit der
Zeit zu einem Laissez-Faire-Führungs-
stil übergehen. Das geht in China nicht.
Die Mitarbeiter hier erwarten, dass ihre
Führungskraft ihnen eine Aufgabe gibt
und dann häufiger bei ihnen vorbei-
schaut. In China ist der patriarchalische
Führungsstil gefragt. Hohe soziale und
interkulturelle Kompetenzen sind für
Führungskräfte sehr wichtig. Der ty-
pische Ingenieur aus Sindelfingen, der
als Expatriate nach China geschickt
wird und sagt: „Jetzt zeige ich euch mal,
wie das funktioniert“, wird es schwer
haben. Die lokalen Mitarbeiter werden
ihm nicht folgen. Auch rein visionäre
Führungskräfte werden von den Ergeb-
nissen enttäuscht sein. Wichtig sind
vielmehr die klassischen Management-
techniken: Klare Ziele vereinbaren und
messen, den Mitarbeiter loben.
personalmagazin:
Wie ist es mit dem Einbin-
den von Mitarbeitern in Entscheidungen?
Czajor:
„Ownership“ für ein Thema zu
übernehmen – das funktioniert nur
bei wenigen Mitarbeitern. Diese haben
oft im Ausland studiert, sprechen gut
Englisch und haben vielleicht auch ein
Elternhaus, in dem man stärker reflek-
tiert. Mit diesen Personen sind Dialoge
möglich und es können kritische The-
men angesprochen werden. Delegation
ist möglich, aber sie muss klar sein und
die Führungskraft muss nachfassen.
personalmagazin:
Führungskräfte in China
müssen also verstärkt überlegen, wem sie
welche Aufgaben übertragen?
JÜRGEN CZAJOR
war bis Januar 2016
Director Human Resources Development,
Global Assignment Management Asia bei
Daimler Greater China in Peking.