personalmagazin 06/2016 - page 76

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RECHT
_DATENSCHUTZ
personalmagazin 06/16
Folgen haben. Verstöße gegen das Fern-
meldegeheimnis sind nach § 206 StGB
strafbar. Greift der Arbeitgeber wider-
rechtlich auf eine E-Mail zu und teilt
den Inhalt einer anderen Person mit,
begründet dies bereits eine Verletzung
des Fernmeldegeheimnisses. Gleiches
gilt, wenn ein eingesetztes Antiviruspro-
gramm fehlerhaft E-Mails ausfiltert und
dadurch löscht beziehungsweise verzö-
gert zustellt.
Aufgrund der eingeschränkten Kon-
trollmöglichkeiten sowie strafrechtli-
chen Risiken sind Arbeitgeber bisher gut
beraten gewesen, die Privatnutzung von
Internet und E-Mail am Arbeitsplatz zu
verbieten. Nur auf diese Weise können
Unternehmen der Anwendbarkeit des
TKG nach Ansicht der Aufsichtsbehör-
den entgehen.
Gerichte: Keine Anwendung des TKG
auf Kontrollen des Arbeitgebers
Die Arbeitsgerichte haben sich mehr-
heitlich gegen die Aufsichtsbehörden
gestellt. In der jüngeren Rechtsprechung
haben das Landesarbeitsgericht (LAG)
Niedersachsen (Urteil vom 31.5.2010,
Az. 12 Sa 875/09) sowie das LAG Berlin
(Urteil vom 16.2.2011, Az. 4 Sa 2132/10)
vielmehr die Auffassung vertreten, dass
der Arbeitgeber auch bei einer erlaub-
ten Privatnutzung nicht die Stellung ei-
nes Diensteanbieters im Sinne des TKG
einnimmt. Dies hat zur Folge, dass das
BDSG im Arbeitsverhältnis Anwendung
findet, was die Kontrollmöglichkeiten
erweitert. Eine nähere Begründung, wa-
rum das TKG keine Anwendung finden
soll, erfolgte allerdings in beiden Urtei-
len nicht.
Neue Dynamik in die rechtliche Dis-
kussion kam durch zwei aktuelle Ge-
richtsentscheidungen. Zunächst hat der
Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte (EGMR, Urteil vom 12.1.2016, Az.
61496/08) festgestellt, dass die Kontrolle
der privaten Kommunikation eines Mit-
arbeiters durch den Arbeitgeber keinen
Verstoß gegen Art. 8 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (Recht auf
Ein Verbot der Privatnutzung vermeidet die Anwendung des TKG. Dies kann jedoch
häufig dem Anliegen der Mitarbeiter widersprechen. Welche Lösungen bleiben.
Damit sich Unternehmen erweiterte Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Internet-
und E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz erhalten können, ist ein vollständiges Verbot der
Privatnutzung empfehlenswert. Nur auf diese Weise wird die Anwendbarkeit des TKG
rechtssicher vermieden. Ein solch striktes Verbot kann sich allerdings im Zeitalter des
Internet nachteilig auf das Betriebsklima auswirken.
Alternativ kann es sich anbieten, dass der Arbeitgeber die Privatnutzung des Internet im
geringfügigen Umfang erlaubt, dagegen der geschäftliche E-Mail-Account nur dienstlich
genutzt werden darf. In diesem Fall gilt der Arbeitgeber im Hinblick auf das E-Mail-
Postfach nicht als Diensteanbieter nach dem TKG. Auf diese Weise können Unterneh-
men leichter Zugriff auf dienstliche E-Mail-Postfächer nehmen und die Bearbeitung der
geschäftlichen Korrespondenz im Abwesenheitsfall des Arbeitnehmers sicherstellen. Für
den Mitarbeiter hätte ein solches Verbot keine erheblichen Auswirkungen. Seine private
E-Mail-Korrespondenz kann der Arbeitnehmer problemlos über private Anbieter wie
„gmx“ abwickeln, deren Webseiten er über den dienstlichen Internetzugang aufrufen
kann. In Unternehmen mit einer jungen Belegschaft ist davon auszugehen, dass die
meisten Mitarbeiter über ein privates Smartphone verfügen. In solchen Fällen stellt
ein absolutes Verbot der Privatnutzung von Internet und E-Mail keine besondere Härte
dar. Der Arbeitnehmer kann über sein eigenes Smartphone privat surfen, ohne auf den
dienstlichen Rechner angewiesen zu sein. Letztlich muss ein Arbeitgeber immer im kon-
kreten Einzelfall entscheiden, ob sich ein Verbot der Privatnutzung sämtlicher betriebli-
cher Kommunikationsmittel im Unternehmen durchsetzen lässt. Ein derart striktes Verbot
ist allerdings nach wie vor die rechtssicherste Lösung.
Alternative zum strikten Internet-Verbot
PRAXISTIPP
Im Zusammenhang mit der privaten Nutzung von E-Mail-Account und Internet stellt
sich häufig auch die Frage nach den Rechten des Betriebsrats. Ein Überblick.
Bei dem Verbot der Privatnutzung von Internet und E-Mail besteht kein Mitbestimmungs-
recht des Betriebsrats. Es ist alleinige Entscheidung des Arbeitgebers, ob die Mitarbeiter
Betriebsmittel privat nutzen dürfen. Ist die Privatnutzung dagegen erlaubt, soll aber
zeitlich (zum Beispiel: Privatnutzung nur in der Mittagspause) oder inhaltlich (Blockie-
rung des Aufrufs bestimmter Webseiten wie Facebook) beschränkt werden, wird dem
Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eingeräumt. Will der
Arbeitgeber die E-Mail- und Internetnutzung der Mitarbeiter technisch kontrollieren, ist
das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beachten. Bei
Abschluss einer Betriebsvereinbarung über technische Kontrollen haben die Betriebspar-
teien die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 2 BetrVG zu wahren.
Dies bedeutet, dass keine schrankenlosen Kontrollen geregelt werden können. Der
Mindestschutzstandard des BDSG ist zu gewährleisten.
Die Rechte des Betriebsrats
MITBESTIMMUNG
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